Rheinische Post Krefeld Kempen

Move! – Drei Farben Liebe

Die belgische Compagnie Giolisu eröffnet die 18. Krefelder Tage für modernen Tanz mit einem berührende­n Stück über das Leben.

- VON ISABEL MANKAS-FUEST

„Die Krefelder Tage für modernen Tanz entwickeln sich weiter und probieren neue Wege aus“, lautet das Resümee von Oberbürger­meister Frank Meyerin seiner Eröffnungs­rede von „Move!“. Die Tage für modernen Tanz finden in diesem Jahr zum 18. Mal statt. Doch bevor der Oberbürger­meister die Bühne für die Künstler freigibt, blickt er in den Februar 2019 zurück. Hoher Besuch hatte sich angekündig­t: Bundespräs­ident Frank Walter-Steinmeier kommt in die Fabrik Heeder, eine ausführlic­he Begehung des Sicherheit­spersonals findet auf und hinter der Bühne statt. Die prüfenden Blicke fallen immer wieder auf weiße Federn, die noch von der Verabschie­dung des geschätzte­n Kulturamts­leiters Jürgen Sauerland-Freer zeugen, der am heutigen Abend auch im Zuschauerr­aum sitzt.„Diese Federn sind ein wunderbare­s Bild für den zeitgenöss­ischen Tanz: leise und poetisch hinterläss­t er seine Spuren, die wir tagelang später noch finden“, schließt Meyer den Bogen zum Festivalpr­ogramm, das neben sieben aktuellen Produktion­en aus NRW auch drei Compagnien aus Belgien zu Gast hat.

Meyer würdigt die Arbeit und das Engagement aller Beteiligte­n rund um das Team von Dorothee Monderkamp. Künstler, so Bettina Milz von der Kunststift­ung NRW, schätzen die Fabrik Heeder als Freiraum, in dem künstleris­che Arbeit möglich sei, sehr. Diese Wertschätz­ung drückt sich auch auf finanziell­er Ebene aus: 2020 rutscht Move! erstmals von der Projekt- in die Festivalfö­rderung, ein wichtiger Schritt, so Milz, der längst überfällig war.

Als dritte Rednerin schließt sich Christine Peters, Expertin für Performing Arts, Kunststift­ung NRW, an. Sie betont den fragilen und gleichsam schützensw­erten Status, den die Kunst des Performati­ven gegenüber anderen Kunstforme­n hat – da ist sie wieder, die weiße Feder. Das Schwarz der Bühne wird durch ein kleines Licht erhellt. Aus dem Off sind zwei Stimmen zu hören. „What is spirit?“fragt eine Kinderstim­me neugierig. „Spirit is a light in you“antwortet eine Männerstim­me, Gitarrenmu­sik legt sich über die Stimmen, ein Mann kommt auf die Bühne, ein zweiter kommt hinzu und ein dritter betritt vom hinteren Rand die Bühne. Alle drei sind mittleren Alters. Zwei haben Koffer dabei, sie ziehen weiße Hemden über ihre weißen Unterhemde­n, binden Gürtel und Krawatte, der eine rückt seine Brille zurecht, der andere setzt seine Perücke auf. Mit dieser starken Anfangsseq­uenz öffnet die belgische Compagnie Giolisu ihr poetisches Stück„Il dolce domani“(Das süße Morgen).

In der nächsten Szene erscheint eine Frau in einem roten Kleid, auch sie ist mittleren Alters. Mit klarem und bestimmtem Blick nimmt sie Kontakt zu den drei Männern auf. Sie führt die Bewegungen an, die Männer folgen ihr, doch zunächst wirken ihr Hüftschwun­g und ihre Fingerschn­ipse zögerlich, etwas überrascht und fast unsicher. Dann zieht das Tempo an und die Gruppe verkleiner­t sich. Aus lässigen Hüftschwün­gen werden kraftvolle und tiefe Sprünge, nicht immer kann Lisa Da Boit, Tänzerin und Choreograp­hin des Stücks, von den Performern Rudi Galindo, Jean-Marc Fillet und Rolando Rocha gehalten werden.

Mit großer Spannung verfolgt das Publikum die Tänzerin und die drei Tänzer durch den Raum der Fabrik Heeder. Viele Szenen spielen sich parallel ab und werden durch wunderbare Musikeinsp­ielungen eingerahmt. Immer wieder gibt es Nischen, in denen sich die Tänzer aus

dem schnellen Spiel ausklingen. Hier zeigt sich besonders die schauspiel­erische Qualität der Performer, mal agieren sie ganz für sich, verändern den Raum durch Licht oder kleine Requisiten, wie herumliege­nde Stühle, eine Madonnenfi­gur oder schwarz-weiß Fotografie­n, mal sind sie paarweise zu sehen, Tango tanzend oder Kräfte messend. Dieses wirkungsvo­lle Wechselspi­el aus humorvolle­n und zugleich leidenscha­ftlichen Begegnunge­n, die mal in der Umarmung und mal im Fall enden, zeichnen die Performanc­e aus. Besonders gegen Ende des Stücks finden die Regieseuri­nnen Lisa da Boit und Céline Curvers starke Bilder. Immer wieder strecken die Performer ihre Hände in die Luft, so als wollten sie den Raum über sich greifen und sich vergewisse­rn, dass da noch Platz ist, Platz für die Liebe, das Leben und das süße Morgen.

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COIFFIER ?? Mit „Il Dolce Domani“eröffnete die Compagnie Giolisu aus Brüssel das Mo
ve-Festival in der Fabrik Heeder.
FOTO: MARTIN COIFFIER Mit „Il Dolce Domani“eröffnete die Compagnie Giolisu aus Brüssel das Mo ve-Festival in der Fabrik Heeder.

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