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Lectures for Future: Professoren übers Klima
Lectures for Future ist eine bundesweite Initiative von Hochschuldozenten, die in Vorlesungen Studenten und Bürgern die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels näherbringen. Auch Krefelder Dozenten sind beteiligt.
Die Bedrohung durch den Klimawandel treibt dieser Tage nicht nur viele Menschen auf die Straße. Auch viele Berufsgruppen haben den Titel „For Future“, den die von Greta Thunberg ins Leben gerufene „Fridays For Future“-Bewegung bekannt machte, für sich übernommen. Ob Scientists For Future, Authors For Future oder Artists For Future – um nur einige zu nennen – der Ableger gibt es viele und sie vernetzen sich immer mehr. In Krefeld kam nun eine weitere Form, im eigenen Themenbereich gegen den Klimawandel vorzugehen, an: Lectures for Future.
Dabei machen sich Hochschulprofessoren die Freiheit der Lehre zu eigen und beleuchten in öffentlichen Vorlesungen (faktisch sind fast alle Hochschulvorlesungen öffentlich zugänglich) die Probleme aus ihrer Sicht. In Krefeld gehört Professor Joachim Scheffel zu den Dozenten, die eine Vorlesung eigens zum Thema Klimawandel anboten. „Vor einem Jahr habe ich mit meinen Studenten über das Thema diskutiert. Ich war schockiert, wie viele den Argumenten der Kritiker folgten. Dabei haben wir es hier mit angehenden Ingenieuren zu tun, die gerade im Energiebereich dieWende einleiten und gut informiert sein sollten“, beschreibt er seine Motivation, die Vorlesung anzubieten.
Der Hörsaal, der allerdings aufgrund der Größe des Semesters nicht sonderlich groß ist und eher die Größe eines normalen Klassenzimmers in der Schule hat, ist gut gefüllt. „Es freut mich sehr, dass praktisch alle Studenten und einige interessierte Bürger gekommen sind, obwohl vorher schon bekannt war, dass der Stoff nicht prüfungsrelevant sein würde“, bilanziert der Dozent. Er selbst ist kein Klimatologe, sondern nähert sich dem Thema von einer anderen Seite.
„Mein Fachgebiet ist die Thermodynamik. Darum werde ich heute versuchen, von dieser Seite her das Thema anzugehen“, sagt er. Nach dem Gespräch mit seinen Studenten habe er selbst den Begriff „Klimalüge“gegoogelt und sei erschüttert gewesen über die Masse an Videos und Texten, die den Klimawandel leugneten. „Die sind auch für jemanden, der sich nicht gut auskennt, zunächst durchaus überzeugend“, sagt er und nutzt daher zum Einstieg ein Video, in dem AfD-Politikerin Beatrix von Storch den von der Partei zum Experten stilisierten Ingenieur Michael Limburg interviewt.
Einige der Thesen, die Limburg propagiert, schreibt Scheffel an die Tafel. Dann geht er von der physikalischen Seite an das Thema heran und widerlegt die Thesen eine nach der anderen. Zunächst ermittelt er mit Hilfe bekannter thermodynamischer Formeln, wie viel Wärme die Erde von der Sonne aufnimmt.„Wir können die Abstrahlung der Sonne pro Quadratmeter sehr einfach messen. Multiplizieren wir dies mit dem Querschnitt der Erde, haben wir den Energieeintrag“, erläutert er. Dann berechnet er, streng nach den Gesetzen der Physik, die Abstrahlung in den Weltraum. „Die Fläche, mit der die Erde Wärme abstrahlt, ist viermal so groß, wie die, mit der sie aufgenommen wird. Das kommt durch die Kugelform und die der Sonne abgewandte Seite des Planeten zustande“, erläutert er.
Das Ergebnis: Die Erde müsste -18° Celsius kalt sein. „Tatsächlich erleben wir aber +14°. Der Grund dafür ist der Treibhauseffekt. Auch diesen können wir berechnen“, erläutert er und erklärt, wie die abgestrahlte Infrarotstrahlung von der Atmosphäre aufgenommen und zum Teil wieder auf die Erde zurückgestrahlt wird. „Nun wissen wir, dass die häufigsten Elemente der Atmosphäre, Stickstoff und Sauerstoff, hier praktisch irrelevant sind. Wichtig sind die Spurengase wie Kohlendioxid und Methan, sowie Wasserdampf“, erläutert er. Das lasse sich in einfachen Versuchen ermitteln. Die These, CO2 sei in so geringen Mengen in der Atmosphäre, dass es nicht relevant sei, streicht er dabei genüsslich durch.
Stück für Stück erläutert der Experte in Physik, wie aus der Sicht seiner Fachrichtung der Klimawandel entsteht. „Das potenteste Klimagas ist Wasserdampf. Der wird aber von Menschen nicht beeinflusst. Sehr wohl aber CO2 und Methan. Nun ist das Problem: Mehr CO2 führt zu mehr Wärme, damit zu mehr Verdunstung und mehr Wasserdampf. Es ist ein Kreislauf, der sich selbst zunehmend verstärkt. Etwas ähnliches ist auf der Venus passiert. Die hat heute Temperaturen von über 400 Grad Celsius“, sagt er.
Sein Schluss: „Natürlich können wir sagen, die Kosten für Klimaschutz seien zu hoch und der finale Beweis noch nicht erbracht. Das ist in der wissenschaftlichen Denkweise auch gar nicht möglich.Wir könnten also abwarten und schauen was passiert. Aber die wissenschaftliche Evidenz ist so groß, dass wir sehr gut abschätzen können, was passieren wird. Die Nerven, in dieser Situation einfach weiterzumachen, habe ich nicht“, schließt er lakonisch.
Auch in der Zukunft möchte Scheffel an den „Lectures for Future“teilnehmen. Auch wenn dafür die ein oder andere reguläre Vorlesung verloren geht. „Das Thema ist einfach zu wichtig. Normalerweise erleben wir maximal ein Grad Temperaturerhöhung in 1000 Jahren. Jetzt sehen wir ein Grad in 100 Jahren und die Geschwindigkeit steigt. Bisher waren Bedrohungen wie Waldsterben und Ozonloch gestoppt, wenn wir aufgehört haben, die Stoffe auszustoßen, die verantwortlich sind. Das wird hier irgendwann nicht funktionieren. Wir müssen jetzt handeln, ehe sich alles verselbständigt“, sagt er eindringlich. Darum will er auch weiterhin diese Vorlesungen halten und so seinen Beitrag leisten.