Rheinische Post Krefeld Kempen

Süßigkeite­n hart verdient

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Nervös hatte ich den ganzen Abend schon gewartet, dass mein Name aufgerufen wird: Der Nikolaus war zu einem Fest in der Nachbarsch­aft gekommen, und jedes Kind, das versprach, brav zu sein, bekam eine Tüte mit Süßigkeite­n (spannend!) und Mandarinen (auch okay). Bloß dass ich, damals fünf Jahre alt, mich überhaupt nicht auf den Inhalt der Tüte konzentrie­ren konnte – wusste ich doch, dass der Nikolaus jedem Kind zunächst eine Verfehlung vorhält und dass es bei mir so einiges anzumerken gäbe.

Schließlic­h rief der Nikolaus mich auf die Bühne, schaute kritisch in sein Buch und sagte: „Hier steht, dass du ab und zu mal Sachen kaputt machst. Kann das sein?“Sofort schoss mir die Szene in den Kopf, in der ich eine Keramikfig­ur meiner Mutter jüngst hatte fallen lassen – und anschließe­nd behauptet hatte, ich wüsste nicht, wer das gewesen sei. Ungünstig dabei: Ich bin Einzelkind, wer sonst sollte es also gewesen sein? Der Fall war klar, meine Mutter wusste es, der Nikolaus wusste es, und nun wusste es auch der ganze Saal. Und das wiederum war mir so peinlich, dass ich knallrot anlief, unfähig war, dem Nikolaus zu antworten, stumm nickte und nur hoffte, es würde bald vorbei sein.

War es dann auch: Offenbar befand der Mann mit dem weißen Bart, ich hätte meine Lektion gelernt und gab mir die Tüte. Das waren sehr hart verdiente Süßigkeite­n.

Laura Ihme (28) stv. Chefin vom Dienst

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