Rheinische Post Krefeld Kempen
Was die SPD-Basis in Nordrhein-Westfalen sagt
Auch bei den Sozialdemokraten in NRW ist die Anspannung groß. Viele kritische Stimmen sind zu hören – aber auch viel Zuspruch für die Groko.
DÜSSELDORF Das Hin und Her um einen Verbleib der SPD in der Groko löst auch an der Parteibasis in Nordrhein-Westfalen Unruhe aus. Der Weseler SPD-Chef Ludger Hovest sagte mit Blick auf das Einlenken der designierten Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken: „Das darf doch nicht wahr sein. Die sind doch für das Gegenteil gewählt worden.“Viele seiner Parteifreunde hätten für Walter-Borjans und Esken gestimmt. Er hingegen habe Olaf Scholz seine Stimme gegeben, weil er ihn für einen soliden Politiker halte. Dass das neue Spitzenduo jetzt seine Richtung geändert habe, halte er für richtig und angemessen. „Die große Koalition arbeitet gut und kann gute Ergebnisse vorweisen. Ich möchte, dass sie bis Ende der Periode arbeitet. Gerade wenn man so viel Erfolge hat“, sagte Hovest. Die SPD müsse diese Erfolge den Menschen aber auch erklären: „Wenn jetzt selbst Juso-Chef Kevin Kühnert die Kurve kriegt, werden meine Leute in Berlin noch klug – hoffe ich“.
Auf dem Bundesparteitag stimmen die Parteidelegierten aus allen Teilen Deutschlands von Freitag an über den künftigen Kurs der SPD ab. Der mit Abstand größte SPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen stellt auch die meisten Delegierten. Walter-Borjans und Esken hatten sich am vergangenen Samstag bei einem Mitgliederentscheid der Parteibasis durchgesetzt. Insbesondere Esken hatte vor ihrer Wahl jedoch noch einen schnellen Ausstieg der SPD aus der Groko gefordert.
Unter den Delegierten herrscht große Anspannung vor dem Parteitag: „Das ist der spannendste Parteitag, den ich jemals erlebt habe“, sagt einer, der in den vergangenen 15 Jahren kaum einen ausgelassen hat. Selten sei die Gemengelage so unübersichtlich gewesen. Die SPD sitze zwischen drei Stühlen – es gebe drei verschiedene Lager: jene, die sofort die Groko verlassen wollen, jene, die auf jeden Fall weiterregieren wollten, und jene, die nur in der Groko bleiben wollten, wenn es entscheidende Nachbesserungen gebe. Welches Lager zurzeit dominiere, sei kaum auszumachen.
Auch Torsten Brehmer, SPD-Vorsitzender des Ortsvereins Hilden, sorgt sich um den künftigen Rückhalt des neuen Spitzen-Duos: „Ich nehme wahr, scheinbar wünschen einfache Parteimitglieder niemanden an der Spitze der SPD, der zum Establishment gehört. Deshalb ist die Wahl so erfolgt, wie sie erfolgt ist.“Er persönlich begrüße es aber, wenn mit der Groko-Frage etwas vorsichtiger umgegangen werde.
Ähnlich äußerte sich Vera van de Loo, eine von zwei SPD-Vorsitzenden in Geldern: „Ich halte es für richtig, wenn die SPD nicht sofort und knallhart aus der Groko aussteigt.“
Aus ihrer Sicht wären die Folgen sonst nicht absehbar, und es bestehe das Risiko, dass Deutschland dann in eine noch größere Regierungskrise stürze. Ihre Partei solle sich die Konsequenzen deshalb gut überlegen. Das neue SPD-Führungsduo habe eine vernünftige Chance verdient, „man sollte nicht direkt draufhauen“, sagte sie.
Daniel Rinkert, Vorsitzender der SPD im Rhein-Kreis Neuss und in der Stadt Grevenbroich, warnte auch vor Nachteilen für die Region, sollte die Groko beendet werden. Schon allein wegen des geplanten Strukturstärkungsgesetzes solle die SPD weiterregieren, weil es den Ausstieg aus der Braunkohleförderung im Rheinischen Revier sozial abfedern soll: „Ich kann nur davor warnen, einfach Schluss zu machen. Die SPD hat vieles aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt – solche Erfolge müssen wir auch mal feiern.“
Es gibt aber auch Genossen, die ihre Haltung zur Groko selbst inzwischen revidiert haben. Wie Dietmar Stark, SPD-Vorsitzender aus Radevormwald: „Ich würde es für einen großen Fehler halten, wenn wir jetzt die große Koalition verlassen.“Zwar sei auch er ursprünglich gegen die Groko gewesen, aber eine Regierungskoalition mitten in der Legislaturperiode zu verlassen, sei nicht gut. „Ich hoffe, es gibt eine vernünftige Entscheidung, denn Dinge, die man angepackt hat, sollte man auch zu Ende führen.“