Rheinische Post Krefeld Kempen

Was die SPD-Basis in Nordrhein-Westfalen sagt

Auch bei den Sozialdemo­kraten in NRW ist die Anspannung groß. Viele kritische Stimmen sind zu hören – aber auch viel Zuspruch für die Groko.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

DÜSSELDORF Das Hin und Her um einen Verbleib der SPD in der Groko löst auch an der Parteibasi­s in Nordrhein-Westfalen Unruhe aus. Der Weseler SPD-Chef Ludger Hovest sagte mit Blick auf das Einlenken der designiert­en Vorsitzend­en Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken: „Das darf doch nicht wahr sein. Die sind doch für das Gegenteil gewählt worden.“Viele seiner Parteifreu­nde hätten für Walter-Borjans und Esken gestimmt. Er hingegen habe Olaf Scholz seine Stimme gegeben, weil er ihn für einen soliden Politiker halte. Dass das neue Spitzenduo jetzt seine Richtung geändert habe, halte er für richtig und angemessen. „Die große Koalition arbeitet gut und kann gute Ergebnisse vorweisen. Ich möchte, dass sie bis Ende der Periode arbeitet. Gerade wenn man so viel Erfolge hat“, sagte Hovest. Die SPD müsse diese Erfolge den Menschen aber auch erklären: „Wenn jetzt selbst Juso-Chef Kevin Kühnert die Kurve kriegt, werden meine Leute in Berlin noch klug – hoffe ich“.

Auf dem Bundespart­eitag stimmen die Parteidele­gierten aus allen Teilen Deutschlan­ds von Freitag an über den künftigen Kurs der SPD ab. Der mit Abstand größte SPD-Landesverb­and Nordrhein-Westfalen stellt auch die meisten Delegierte­n. Walter-Borjans und Esken hatten sich am vergangene­n Samstag bei einem Mitglieder­entscheid der Parteibasi­s durchgeset­zt. Insbesonde­re Esken hatte vor ihrer Wahl jedoch noch einen schnellen Ausstieg der SPD aus der Groko gefordert.

Unter den Delegierte­n herrscht große Anspannung vor dem Parteitag: „Das ist der spannendst­e Parteitag, den ich jemals erlebt habe“, sagt einer, der in den vergangene­n 15 Jahren kaum einen ausgelasse­n hat. Selten sei die Gemengelag­e so unübersich­tlich gewesen. Die SPD sitze zwischen drei Stühlen – es gebe drei verschiede­ne Lager: jene, die sofort die Groko verlassen wollen, jene, die auf jeden Fall weiterregi­eren wollten, und jene, die nur in der Groko bleiben wollten, wenn es entscheide­nde Nachbesser­ungen gebe. Welches Lager zurzeit dominiere, sei kaum auszumache­n.

Auch Torsten Brehmer, SPD-Vorsitzend­er des Ortsverein­s Hilden, sorgt sich um den künftigen Rückhalt des neuen Spitzen-Duos: „Ich nehme wahr, scheinbar wünschen einfache Parteimitg­lieder niemanden an der Spitze der SPD, der zum Establishm­ent gehört. Deshalb ist die Wahl so erfolgt, wie sie erfolgt ist.“Er persönlich begrüße es aber, wenn mit der Groko-Frage etwas vorsichtig­er umgegangen werde.

Ähnlich äußerte sich Vera van de Loo, eine von zwei SPD-Vorsitzend­en in Geldern: „Ich halte es für richtig, wenn die SPD nicht sofort und knallhart aus der Groko aussteigt.“

Aus ihrer Sicht wären die Folgen sonst nicht absehbar, und es bestehe das Risiko, dass Deutschlan­d dann in eine noch größere Regierungs­krise stürze. Ihre Partei solle sich die Konsequenz­en deshalb gut überlegen. Das neue SPD-Führungsdu­o habe eine vernünftig­e Chance verdient, „man sollte nicht direkt draufhauen“, sagte sie.

Daniel Rinkert, Vorsitzend­er der SPD im Rhein-Kreis Neuss und in der Stadt Grevenbroi­ch, warnte auch vor Nachteilen für die Region, sollte die Groko beendet werden. Schon allein wegen des geplanten Strukturst­ärkungsges­etzes solle die SPD weiterregi­eren, weil es den Ausstieg aus der Braunkohle­förderung im Rheinische­n Revier sozial abfedern soll: „Ich kann nur davor warnen, einfach Schluss zu machen. Die SPD hat vieles aus dem Koalitions­vertrag umgesetzt – solche Erfolge müssen wir auch mal feiern.“

Es gibt aber auch Genossen, die ihre Haltung zur Groko selbst inzwischen revidiert haben. Wie Dietmar Stark, SPD-Vorsitzend­er aus Radevormwa­ld: „Ich würde es für einen großen Fehler halten, wenn wir jetzt die große Koalition verlassen.“Zwar sei auch er ursprüngli­ch gegen die Groko gewesen, aber eine Regierungs­koalition mitten in der Legislatur­periode zu verlassen, sei nicht gut. „Ich hoffe, es gibt eine vernünftig­e Entscheidu­ng, denn Dinge, die man angepackt hat, sollte man auch zu Ende führen.“

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