Rheinische Post Krefeld Kempen
Das 365-Euro-Ticket kommt wohl nicht
NEW und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr sehen eine mögliche Einführung im Kreis Viersen kritisch.
KREIS VIERSEN Noch ist nichts entschieden – aber gleich zwei wichtige Beteiligte sehen die Einführung eines „365-Euro-Tickets“kritisch. Die SPD im Kreis Viersen und die SPD in der Stadt Viersen würden gern das vergünstigte Jahresticket einführen, haben entsprechende (Prüf-)Anträge an Landrat Andreas Coenen (CDU) und Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) gestellt. Ziel: Mehr Menschen im Kreis Viersen dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen und Bus oder Zug zu nutzen. Im Klimapaket-Entwurf der Bundesregierung ist die Einrichtung von zehn Testregionen vorgesehen, in denen die Nutzer des ÖPNV beim Kauf einer Jahreskarte nur noch umgerechnet rund einen Euro pro Tag bezahlen sollen. Der Kreis Viersen solle sich dafür bewerben, Modellregion zu werden, beantragte die Kreis-SPD im Oktober.
Die Verwaltung der Stadt Viersen hat schon einmal recherchiert. „Da die Stadt Viersen Mitglied im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und durch die maßgebliche Beteiligung an der NEW mobil & aktiv Viersen Aufgabenträger für den öffentlichen Personennahverkehr ist, wurden sowohl der VRR als auch die NEW um Stellungnahme gebeten“, erklärt
Viersens Erster Beigeordnete Christian Canzler.
Ergebnis: „Die NEW steht dem ,365-Euro-Ticket’ kritisch gegenüber“, berichtet Canzler. „Neben massiven Mindereinnahmen, die dauerhaft durch die Stadt Viersen auszugleichen wären, kommen nach Auffassung der NEW noch weitere Mindereinnahmen oder Auswirkungen auf diverse Zuschüsse beispielsweise für die Beförderung Schwerbehinderter, Schüler und Auszubildender hinzu, da diese Zuschüsse auf Basis der dann ja deutlich geringeren Fahrgeldeinnahmen ermittelt werden.“Eine weitere finanzielle Belastung würde sich aus NEW-Sicht durch einen eventuellen Fahrgastzuwachs bei der erheblichen Rabattierung ergeben. „Insbesondere in den Hauptverkehrszeiten sind die Kapazitäten der NEW nicht ausreichend, so dass die Fahrzeuge und das Fahrpersonal erhöht werden müssten“, erklärt Canzler. Sofern nur die Stadt Viersen, das „365-Euro-Ticket“anbietet, befürchte die NEW darüber hinaus vertriebliche Wanderungsbewegungen, die im Rahmen der Einnahme-aufteilung zu weiteren finanziellen Nachteilen führen könnten, so der Erste Beigeordnete.
Ablehnend äußerte sich auch der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), erklärte Canzler. „Die Einführung des ,365-Euro-Tickets’ ,nur’ im Stadtgebiet Viersen und nicht verbundweit wird kritisch gesehen.“Von einer Einführung im gesamtenVerkehrsverbund sei derzeit nicht auszugehen, auch wenn verschiedene Kommunen wie zum Beispiel die Landeshauptstadt Düsseldorf sich aktuell ebenfalls mit der Thematik befassen. Tarifwünsche von Kommunen seien zwar zulässig, aber nur, wenn dadurch die einheitliche Anwendung des Verbundtarifs im Verbundraum sowie seine Struktur nicht in Frage gestellt würden, erklärte Canzler die Haltung des VRR. Hinzu kommt: Wer die Musik bestellt, muss zahlen. Wolle die Stadt Viersen das 365-Euro-Ticket einführen, müsse sie – oder ein Dritter – die finanziellen Auswirkungen in vollem Umfang abdecken.
Über wie viel Geld wird da geredet? Canzler sagt: „Das Einschätzen der finanziellen Auswirkungen gestaltet sich schwierig.“Der VRR geht nach vorsichtiger Schätzung davon aus, dass für die Preisstufe A (mit der es nicht möglich ist, außerhalb des Stadtgebiets Viersen den ÖPNV zu nutzen) Mindererträge von rund 800.000 Euro jährlich durch die Stadt Viersen ausgeglichen werden müssten. Bei verbundweiter Gültigkeit des Tickets für die Viersener müsste die Stadt einen Betrag von rund 1,6 Millionen Euro tragen.