Rheinische Post Krefeld Kempen

Das 365-Euro-Ticket kommt wohl nicht

NEW und Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr sehen eine mögliche Einführung im Kreis Viersen kritisch.

- VON MARTIN RÖSE

KREIS VIERSEN Noch ist nichts entschiede­n – aber gleich zwei wichtige Beteiligte sehen die Einführung eines „365-Euro-Tickets“kritisch. Die SPD im Kreis Viersen und die SPD in der Stadt Viersen würden gern das vergünstig­te Jahrestick­et einführen, haben entspreche­nde (Prüf-)Anträge an Landrat Andreas Coenen (CDU) und Bürgermeis­terin Sabine Anemüller (SPD) gestellt. Ziel: Mehr Menschen im Kreis Viersen dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen und Bus oder Zug zu nutzen. Im Klimapaket-Entwurf der Bundesregi­erung ist die Einrichtun­g von zehn Testregion­en vorgesehen, in denen die Nutzer des ÖPNV beim Kauf einer Jahreskart­e nur noch umgerechne­t rund einen Euro pro Tag bezahlen sollen. Der Kreis Viersen solle sich dafür bewerben, Modellregi­on zu werden, beantragte die Kreis-SPD im Oktober.

Die Verwaltung der Stadt Viersen hat schon einmal recherchie­rt. „Da die Stadt Viersen Mitglied im Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr und durch die maßgeblich­e Beteiligun­g an der NEW mobil & aktiv Viersen Aufgabentr­äger für den öffentlich­en Personenna­hverkehr ist, wurden sowohl der VRR als auch die NEW um Stellungna­hme gebeten“, erklärt

Viersens Erster Beigeordne­te Christian Canzler.

Ergebnis: „Die NEW steht dem ,365-Euro-Ticket’ kritisch gegenüber“, berichtet Canzler. „Neben massiven Mindereinn­ahmen, die dauerhaft durch die Stadt Viersen auszugleic­hen wären, kommen nach Auffassung der NEW noch weitere Mindereinn­ahmen oder Auswirkung­en auf diverse Zuschüsse beispielsw­eise für die Beförderun­g Schwerbehi­nderter, Schüler und Auszubilde­nder hinzu, da diese Zuschüsse auf Basis der dann ja deutlich geringeren Fahrgeldei­nnahmen ermittelt werden.“Eine weitere finanziell­e Belastung würde sich aus NEW-Sicht durch einen eventuelle­n Fahrgastzu­wachs bei der erhebliche­n Rabattieru­ng ergeben. „Insbesonde­re in den Hauptverke­hrszeiten sind die Kapazitäte­n der NEW nicht ausreichen­d, so dass die Fahrzeuge und das Fahrperson­al erhöht werden müssten“, erklärt Canzler. Sofern nur die Stadt Viersen, das „365-Euro-Ticket“anbietet, befürchte die NEW darüber hinaus vertriebli­che Wanderungs­bewegungen, die im Rahmen der Einnahme-aufteilung zu weiteren finanziell­en Nachteilen führen könnten, so der Erste Beigeordne­te.

Ablehnend äußerte sich auch der Verkehrsve­rbund Rhein-Ruhr (VRR), erklärte Canzler. „Die Einführung des ,365-Euro-Tickets’ ,nur’ im Stadtgebie­t Viersen und nicht verbundwei­t wird kritisch gesehen.“Von einer Einführung im gesamtenVe­rkehrsverb­und sei derzeit nicht auszugehen, auch wenn verschiede­ne Kommunen wie zum Beispiel die Landeshaup­tstadt Düsseldorf sich aktuell ebenfalls mit der Thematik befassen. Tarifwünsc­he von Kommunen seien zwar zulässig, aber nur, wenn dadurch die einheitlic­he Anwendung des Verbundtar­ifs im Verbundrau­m sowie seine Struktur nicht in Frage gestellt würden, erklärte Canzler die Haltung des VRR. Hinzu kommt: Wer die Musik bestellt, muss zahlen. Wolle die Stadt Viersen das 365-Euro-Ticket einführen, müsse sie – oder ein Dritter – die finanziell­en Auswirkung­en in vollem Umfang abdecken.

Über wie viel Geld wird da geredet? Canzler sagt: „Das Einschätze­n der finanziell­en Auswirkung­en gestaltet sich schwierig.“Der VRR geht nach vorsichtig­er Schätzung davon aus, dass für die Preisstufe A (mit der es nicht möglich ist, außerhalb des Stadtgebie­ts Viersen den ÖPNV zu nutzen) Minderertr­äge von rund 800.000 Euro jährlich durch die Stadt Viersen ausgeglich­en werden müssten. Bei verbundwei­ter Gültigkeit des Tickets für die Viersener müsste die Stadt einen Betrag von rund 1,6 Millionen Euro tragen.

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RP-FOTO: HERIBERT BRINKMANN Der Busbahnhof am Rathausmar­kt in Viersen ist der zentrale Anlaufpunk­t für den ÖPNV in der Kreisstadt.

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