Rheinische Post Krefeld Kempen
Zartes Filet in der alten Lederfabrik
Am Mülheimer Ruhr-Ufer zeugen einige Bauten von glorreichen Zeiten als Industrie-Stadt. Eins dieser Gebäude beherbergt die Trattoria Mario.
Gut gelegen?
Klare Antwort – nein! Noch vor einigen Jahren waren die meisten dieser über 100 Jahre alten Bauwerke aus rostrotem Ziegel, oft mit hohem Schornstein, in einem miserablen Zustand und verfielen. Das hat sich inzwischen verändert, die Stadt hat offenbar Kreative gefördert und neue Nutzungen zugelassen, wie man an mehreren Stellen sieht. Die alte Lederfabrik, so der gebräuchliche Namen des Hauses, liegt am Rand eines Gewerbegebietes mit Autohändlern, Discountern und anderen großen Geschäften. Eine Aldi-Hauptverwaltung ist schräg gegenüber. Trotzdem: Wer Ruhr- und Revierkultur vergangener Zeiten und den heutigen Zustand erleben will, sollte Mülheim mal besuchen, sich umschauen – und vielleicht am Ende in der Trattoria Mario essen gehen. Beides lohnt sich. Parkplätze direkt am Haus und eine schöne, imWinter beheizte Außenterrasse sind vorhanden.
Gut geschmeckt?
Wir hatten dieses
Mal sehr bewusst zweimal das gleiche Gericht bestellt, nämlich gegrilltes Rinderfilet – aber mit unterschiedlichen Wünschen zur Zubereitung. Einmal medium-rare, einmal medium. Gängige Wünsche also, aber nur mit wenig Unterschied. Vorab außerdem einen Vorspeisenteller und Spaghetti mit Kräutern und Gambas. Sowohl die Antipasti wie die Pasta zeigten uns, dass man bei Mario etwas von italienischer Küche versteht – beides perfekt angerichtet und ansehnlich serviert. Zuvor hatte uns schon das schön krosse Brot mit einem pikanten Dip in gute Laune versetzt. Mit Spannung warteten wir dann auf den Hauptgang: Würde der Service sich erinnern, wer was geordert hatte? Und würde das Filet so auf dem Teller liegen, wie erwünscht? Auf beide Fragen ein klares Ja – das von der Qualität untadelige Fleisch (butterzart!) war jeweils so, wie bestellt. Wobei wir stets zu medium rare oder, noch besser, rare raten (auch englisch genannt): Ist das Filet so, wie es sein soll, schmeckt es innen rosa-blutig am besten. Aber, wie so vieles, ist auch das Geschmacksache. Also ein klares ja zur Frage „Gut geschmeckt?“
Den Preis wert?
Wer billig essen will, sollte nicht zu Mario gehen. Das Filet mit 23,90 Euro zu berechnen fanden wir angesichts der Qualität eher günstig, das kennen wir deutlich teurer. Die Spaghetti mit 13,50 Euro waren wegen der Gambas in dieser Preisklasse, Antipasti misti sind für 10,50 Euro ok.
Überraschend?
Was uns, leider negativ, verwundert hat, war die Reaktion des Service bei unserer Wein-Auswahl. Wir hatten von der Karte einen Weißwein aus Italien ausgesucht, der aber nach dem Öffnen überhaupt nicht unserem Geschmack entsprach, also abgelehnt wurde. Ein Dilemma, ganz klar.Was tun? Die Frage, ob man den nicht auch offen verkaufen, also zurücknehmen könnte, verneinte der Kellner sichtlich genervt. Leider haben wir das nicht auf der Karte nachgeprüft. Für denWirt ein Problem, das sehen wir ein. Aber dass eine geöffnete Flasche überhaupt nicht per Glas zu verkaufen sein soll, mag bei ganz großen Namen schwer sein, aber da waren wir nicht, es ging um einen Gavi für unter 30 Euro. Kurz und gut: wir bestellten, ohne nach dem Preis zu fragen, als Alternative einen Lugana. Nun wurde versucht, uns die teuerste Variante zu bringen – ungefragt. Das fanden wir nicht ok und intervenierten, weil wir einen deutlich preiswerteren auf der Karte gesehen hatten.
Am Ende standen allerdings beide Flaschen auf der Rechnung. Die Geöffnete und noch fast Volle nahmen wir mit – zuhause schmeckte der Wein nicht besser. Fazit: Wir hätten uns eine kulantere Lösung gewünscht, wissen aber um die Problematik. Kennen aber auch die Kreativität vieler Wirte, solche Fragen für sich gewinnbringend zu lösen.
Gut bedient?
Siehe oben – das fanden wir suboptimal. So etwas kann man besser und vor allem nachhaltiger lösen.Was nutzen 30 Euro Umsatz, wenn der Gast verstimmt nach Hause geht?
Fazit Unser Gruß an die Küche ist dennoch voller Anerkennung – dort kochen Leute, die ihr Handwerk verstehen. Was sich übrigens auch am ausgebuchten Gastraum zeigte.
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