Rheinische Post Krefeld Kempen
Blick über den Pizzakarton
Socializing. Was ein geiles Wort. Naemi Mewes, 23, aus Düsseldorf steht gerade am Anfang ihrer Architektinnenkarriere. Sie machte sich vor einigen Jahren von einer großen Kleinstadt auf den Weg in die kleine Großstadt – Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens. Um dort ihre Ausbildung zu beginnen, zu wohnen, zu arbeiten. Zu leben. Die Umorientierung, die nun mit dem Studium verbunden ist, stellt sie erneut vor ein Problem: Soziale Kontakte knüpfen.
Und eben nicht nur das, sondern auch, ihre bestehenden und jahrelang gepflegten nicht zu vernachlässigen. Socializing, genau. Das was man schnell mal vergisst, wenn man nach fünf Vorlesungen mit einer Pizza auf dem Sofa einpennt, während die dritte Staffel Californication mal wieder in Dauerschleife läuft. Und man mitten in der Nacht von seinem eigenen Knoblauchgeruch geweckt wird, nimmt man das Zähneputzen auch in Kauf, bevor man doch rüber ins Bett wechselt. Ist zwar nur noch eine halbe Stunde bis man ohnehin aufstehen muss, aber lohnt sich.
Die Wochen ziehen so an Naemi vorbei, die Pizzakartons im Flur stapeln sich. Bis ihr irgendwann klar wird, den Mund voller geschmolzenem Käse: da war doch noch was. Und dieser geile Anglizismus, der die stattfindenden Begegnungen mit den nicht zu vernachlässigenden Beziehungsgruppen so kosmopolitisch beschreibt.
Und eigentlich fehlt ihr das ja auch – hat es schon die ganze Zeit. Aber den innere Schweinehund besiegen, conquering her weaker self, um den weltbürgerlichen Flair zu bewahren, ist nicht immer so einfach. Raus gehen, Leute treffen, Bierchen trinken, Konzert, Kino, Kneipe, und so weiter. Zeit mit denen verbringen, die sie gern um sich hat. Auch wenn sie sich auch mal dazu zwingen muss. Seitdem sich Naemi das öfter vor Augen hält, werden die Pizzakartontürme auch gar nicht mehr so hoch. Und das tut gut. Darum kann man diesem Umstand, neben dem gerechtfertigten Schmunzeln, vielleicht doch auch etwas Wahres abverlangen.