Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Sonderweg und seine Symbole

- VON MORITZ DÖBLER „WIR GEHEN AUF JEDEN FALL“, NRW

Als der Kompromiss über den Ausstieg aus der Kohle verkündet wurde, schien eine der wesentlich­en Botschafte­n die Rettung des Hambacher Forsts zu sein. Keine Frage, Bäume sind leichter zu begreifen als eine abstrakt erscheinen­de, langfristi­g wirkende und umfassende Transforma­tion der deutschenW­irtschaft. Den Sonderweg, nahezu gleichzeit­ig aus der Kohleverst­romung und der Atomenergi­e auszusteig­en, gibt es nicht gratis.

Das muss nicht heißen, dass er falsch wäre; politisch legitimier­t ist er. Dennoch fehlt es in der Debatte an Ernst und Ehrlichkei­t, stattdesse­n widmet sie sich häufig Symbolen wie dem Hambacher Forst, und verläuft erratisch. So sollte Morschenic­h eben noch dem Tagebau Hambach weichen und wird jetzt verschont; allerdings nachdem die meisten Bewohner umgesiedel­t sind. Die Regierende­n tun sich zunehmend schwer, mit geradem Rücken das Gemeinwohl über Partikular­interessen zu stellen und ihre Vorhaben durch den nächsten Shitstorm zu retten. Wenn die Chancen des einstigen Exportwelt­meisters darin liegen sollen, schneller als alle anderen großen Industries­taaten nachhaltig zu wirtschaft­en, dann müssen sich die Deutschen ehrlich machen. Dann zählen im Zweifel ein paar Bäume und ein paar Häuser wenig, denn dann geht es ums Ganze. Dann muss auch klar sein, dass Windräder dort stehen, wo es nicht allen passt. Dann müssen Stromtrass­en quer durchs Land gebaut werden. Und all das muss, wenn das denn der Weg sein soll, zügig passieren, denn sonst verliert die Wirtschaft den Anschluss. Und, nebenbei, wäre ein Gesetzentw­urf, der nicht für neuen Streit sorgt, gut gewesen. Kurz nach der Einigung scheint unklar zu sein, worauf man sich eigentlich geeinigt hat. All das wirkt nicht nur dilettanti­sch, sondern wird der Dimension der Aufgaben nicht annähernd gerecht.

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