Rheinische Post Krefeld Kempen
Wie Magath aus Würzburg ein kleines RB Leipzig machen soll
DÜSSELDORF „Felix Magath hat mir den Fußball wieder erklärt“, sagt Thorsten Fischer.Von Berufs wegen muss der Geschäftsführer der Flyeralarm GmbH sich mit Sport dabei nicht auskennen. 2002 begann er, Flyer für Unternehmen zu bedrucken und baute damit aus der eigenen Garage in Würzburg heraus eine Firma mit einem Jahresumsatz im dreistelligen Millionenbereich auf. Als Namenssponsor der Frauen-Fußball-Bundesliga und des österreichischen Erstligisten Admira Wacker Mödling traten die Franken allerdings auch im Sport prominent auf den Plan.
So kam es, dass sich Magath und Fischer als gemeinsame Zuschauer eines Spiels derWürzburger Kickers kennenlernten. Die Verbundenheit zwischen dem Start-up-Gründer und der Fußball-Koryphäe geht inzwischen weit hinaus über weinselige Abendessen und angeregte Gespräche. Magath soll als Fußballplaner den neuen Player Flyeralarm und seine vorerst zwei Fußballklubs in Würzburg und Niederösterreich auf die Erfolgsschiene setzen.
Magath versäumt nicht herauszustellen, dass ihn dabei auch Revanchegelüste antreiben. Irgendwo zwischen Fulham und Shandong Luneng Taishan ist dem 66-Jährigen die Deutungshoheit über sein Lebenswerk entglitten. Mehr als mit Deutschen Meisterschaften und Pokalsiegen wird er mit antiken Trainingsmethoden und hanebüchenen Transferexzessen assoziiert. So wahrgenommen möchte Magath sich nicht verabschieden.
Die neu geschaffene Position als Chef der Unternehmenssparte mit dem vollmundigen Namen Flyeralarm Global Soccer räumt ihm dazu weitreichende Kompetenzen ein. Magath, der erklärtermaßen mit modernen Lehrmethoden und liberalem Arbeitsethos fremdelt, soll die Strategie des ambitionierten Investments gestalten. Das „Global“deutet unverblümt auf weitreichende internationale Ambitionen.
Für alle, denen die Parallelen zu Red Bull bis hierher noch nicht deutlich geworden waren, hatte Fischer bei Magaths Vorstellung in Würzburg eine Dose des hauseigenen
Flyeralarm-Energydrinks auf dem Tisch platziert – und versäumte es nicht, noch einmal ausdrücklich auf diese Pointe hinzuweisen. Dass ihm das Investment von Red Bull im Fußball imponiert, daraus macht Fischer keinen Hehl. Magath sieht das ähnlich: „Es ist beeindruckend, was sie aufgebaut haben. Flyeralarm werde die Roten Bullen im Auge behalten – und sich das ein oder andere abschauen.“
Der Blick ist bereits weit genug, um nicht nur die Entwicklung des Flagschiffs in Würzburg, derzeit 13. in der 3. Liga, im Auge zu behalten. Neben dem anvisierten Aufstieg der Kickers soll die Infrastruktur mitwachsen, Nachwuchsförderung aufgebaut werden. Gleichwohl fährt Flyeralarm gegenüber den Kraftbrause-Produzenten aus Österreich mit gebremstem Schaum – Red Bull ist schlicht zwei Hausnummern größer.
Für Fischer stehe zudem nicht die Platzierung seiner Firma im Vordergrund. „Wir sehen diese Einheit nicht nur aus reiner Marketingsicht, sondern auch aus der Profitsicht, weil wir glauben, dass man mit Fußball Geld verdienen kann“, sagt Fischer.
Gleichwohl reihen sich die Würzburger Kickers damit ein neben zahlreichen Klubs, die mit unterschiedlichsten Ansätzen versuchen, Schleichwege auszukundschaften, um sich an den Etablierten vorbeizudrängeln.
Klaus-Michael Kühne ermöglichte dem Hamburger SV als Großinvestor vor allem teure Fehlkäufe, konnte den Abstieg nicht verhindern und bereut sein Engagement inzwischen bei nahezu jeder öffentlichen Gelegenheit. Martin Kind hat sich bei Hannover 96 mit großen Teilen der Fans überworfen und muss neben seinem unermüdlichen Anrennen gegen die 50+1-Regel inzwischen auch noch gegen den Abstieg aus der 2. Bundesliga kämpfen. 1860 München und der KFC Uerdingen haben sich noch eine Klasse tiefer mit Investoren eingelassen, die man nur mitWohlwollen noch schillernd nennen kann. In der Bundesliga wagt Hertha BSC mit dem umnebelten Geldgeber LarsWindhorst ein weiteres Experiment, um aus demVerein aus der Hauptstadt-Peripherie einen „Big City Club“zu machen. Den Nachweis, dass sich allein mit den Zuschüssen eines potenten Geldgebers dauerhafter sportlicher Erfolg einstellt, hat bislang noch kaum einer erbracht.
Leipzig und Hoffenheim sind die zwei großen Ausnahmen und beide eng mit dem Namen Ralf Rangnick verwoben. Magath hätte wohl nichts dagegen einzuwenden, seine Erwerbsbiografie mit einem ähnlichen Erfolg zu schließen. Um den Klub der Zukunft zu gestalten, muss er allerdings beweisen, dass er mehr ist als ein großer Mann von gestern.