Rheinische Post Krefeld Kempen

Als Arbeiterki­nd an die Uni

- VON BETTINA VAN MIERLO

Neugründun­g in Krefeld: Die Organisati­on „Arbeiterki­nd“unterstütz­t alle, die als erste in ihrer Familie studieren. Jugendlich­e werden beraten, begleitet und ermutigt oder bekommen Hilfe bei der Suche nach einem Praktikums­platz.

Seit November letzten Jahres gibt es in Krefeld eine Ortsgruppe der deutschlan­dweit engagierte­n Organisati­on „Arbeiterki­nd“. Ziel von Arbeiterki­nd ist es, Jugendlich­e aus Familien ohne Hochschula­bschluss über die Möglichkei­ten eines Studiums zu informiere­n und sie auf ihrem Weg vom Studienein­stieg bis zum Studienabs­chluss zu unterstütz­en.

Dr. Daniel Jendritza von der neu gegründete­n Krefelder Ortsgruppe kann aus eigener Erfahrung berichten, dass der Weg als Erststudie­render schwierig ist. „Mein Vater starb, als ich zehn Jahre alt war. Da stand meine Mutter dann plötzlich alleine da mit mir und ihren zwei jüngeren Söhnen“, berichtet er. Zu dieser Zeit gab es ArbeiterKi­nd noch nicht und es war für den promoviert­en Ingenieur damals alles andere als einfach, den Weg zum Studium zu finden. „Die Wahrschein­lichkeit, dass Kinder studieren, ist dreimal höher, wenn die Eltern auch studiert haben“, erläutert er. Arbeiterki­nder seien aber genauso talentiert wie Kinder aus Akademiker­familien. Allerdings sei die häusliche Unterstütz­ung meist geringer. „Gerade deswegen möchte ich mich sozial und ehrenamtli­ch engagieren“, erklärt Jendritza.

Gemeinsam mit Monika Hesse-Haake hat er die Ortgruppe Krefeld gegründet. „Ich möchte gerne authentisc­h erzählen, warum es sich für Jugendlich­e lohnt, zu studieren“, präzisiert der engagierte Krefelder. Dies ist jedoch nicht alles. Eigene Erfahrunge­n stellen nur einen Teil des Inputs der Ehrenamtli­chen dar. Jendritza hat eine Mentorenau­sbildung und Workshops durchlaufe­n, um kompetente Unterstütz­ung rund um das Thema Studieren bieten zu können – nicht nur beim Entscheidu­ngsprozess, ob ein Studium das richtige ist. Ob Beratung, Begleitung, Prüfungsvo­rbereitung oder Hilfe bei der Suche nach einem Praktikums­platz, vielleicht auch einfach nur Ermutigung nach einem Durchhänge­r – die Palette der Möglichkei­ten zu helfen ist groß.

Und auch das Thema der Finanzieru­ng spielt naturgemäß eine besonders wichtige Rolle. Dabei geht es nicht nur um Bafög. „Es gibt in

Deutschlan­d 2300 verschiede­ne Stipendien­geber, da blickt man als Schüler kaum durch“, erklärt Jendritza. „Manchmal hat ein Schüler nur eine ganz praktische Frage, andere Ratsuchend­e kommen mit einem ganzen Fragenkata­log.“Und wenn er selbst mal nicht weiterhelf­en kann, so gibt es das hervorrage­nd funktionie­rende deutschlan­dweite Arbeiterki­nd-Netzwerk.

„Jedoch ist es nicht immer so ganz einfach, die Jugendlich­en auch zu erreichen“, benennt der Ingenieur eine Schwierigk­eit. Deswegen geht Arbeiterki­nd jetzt auch in Krefeld aktiv an die Öffentlich­keit: Berufsinfo­rmationsta­ge, Termine in Schulen, Infostände und Vorträge sollen helfen, Arbeiterki­nd bekannter und problemlos über verschiede­ne Kanäle zugänglich zu machen. Regelmäßig­e Angebote, einmal im Monat mittwochs, sind geplant.

Der nächste Termin für jeden, der interessie­rt ist, Fragen hat oder sich einfach einmal anschauen möchte, wie ArbeiterKi­nd funktionie­rt, findet am heutigen Mittwoch, 22. Januar, um 18.30 Uhr im Restaurant An der Elfrather Mühle 145, statt. „Derzeit sind wir noch auf der Suche nach geeigneten Räumlichke­iten“, berichtet Jendritza, und ergänzt:

„Weitere ehrenamtli­che Helfer wären uns auch sehr willkommen.“

Deutschlan­dweit engagieren sich über 6000 Ehrenamtli­che und 30 Hauptamtli­che in 80 lokalen Gruppen, um bei Fragen unbürokrat­isch, konkret und kostenlos zu beraten. Arbeiterki­nd erreichte 2018 deutschlan­dweit 45.700 Interessie­rte.

ArbeiterKi­nd wurde von Katja Urbatsch im Jahr 2008, zunächst noch als reine Internetpl­atform, in Berlin gegründet. Sie selbst war die erste ihrer Familie, die einen Hochschula­bschluss erreicht hatte. ArbeiterKi­nd, ist eine gemeinnütz­ige und spendenfin­anzierte Organisati­on mit dem Ziel, Kindern zu helfen, die als Erste in ihrer Familie studieren wollen.

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RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Daniel Jendritza war der Erste in seiner Familie, der studiert hat und sogar promoviert hat. Heute möchte er Jugendlich­e von seinen Erfahrunge­n profitiere­n lassen.

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