Rheinische Post Krefeld Kempen

Niederlage­n haben den Ehrgeiz geweckt

- VON FRANK LANGEN

Der 16 Jahre alte Ilya Gutkin will FIDE-Meister werden. Bei den Weihnachts-Open des Schachvere­ins Turm Krefeld hatte er sich mit einem glänzenden Auftritt überrasche­nd durchgeset­zt.

Ilya Gutkin ist ein 16-jähriger Gymnasiast, bei dem man auf dem ersten Blick annimmt, dass er eher Fußball oder eine andere Ballsporta­rt betreibt. „Ich habe tatsächlic­h bis 2019 noch Fußball gespielt und bin bei Viktoria Buchholz als Linksverte­idiger aufgelaufe­n“, sagt der Duisburger. Die Fußballsch­uhe hat er dann aber an den berühmten Nagel gehängt, weil er sich intensiver dem Schach zugewandt hat. Doch warum reizt es einen Teenager, sich von dem beliebtest­en Sport auf dieser Erde abzuwenden, und sich fortan

„Schach hat nichts mit auswendig lernen

zu tun, man muss es verstehen“

Ilya Gutkin

Schachspie­ler

den Figuren auf dem Brett zu widmen, zumal Schach meist verspottet wird – ja ist das denn überhaupt Sport?

„Eine Partie kann schon mal vier bis sechs Stunden dauern, da ist höchste Anspannung angesagt. Es ist wie eine Klausur, mental anstrengen­d, bei einem Fehler wirst du sofort bestraft“, erklärt Gutkin, der im Alter von fünf Jahren zu Hause erstmals die Figuren hin und her geschoben hat. „Ich habe damals mit meinem Vater gespielt und immer verloren. Das hat mich geärgert.“

Aus Ärger wurde Ehrgeiz, beim ESK Wedau hat er dann den nötigen Feinschlif­f erhalten, so dass seitdem der Vater der Unterlegen­de ist. Im Schulschac­h wurden Gutkin aber auch die Grenzen aufgezeigt: dass es noch bessere Spieler gibt. Das schlimmste Debakel kam dann bei den U12 NRW-Meistersch­aften.„Ich war Favorit und wurde nur Vorletzter. Das war echt deprimiere­nd.“

Doch ein Jahr später hatte er es der Konkurrenz in der U14 dann gezeigt und dabei die Aufmerksam­keit von Patrick Terhuven auf sich gezogen, der in dem Duisburger das Talent erkannte. „Ich bin dann 2016 zu Turm Krefeld gewechselt, weil der Verein sehr leistungso­rientiert ist und mehr Möglichkei­ten bietet“, begründet Gutkin seinen Wechsel. Dafür nimmt er auch gerne mal zwei Stunden anWegstrec­ke auf sich. Trainiert wird in der Jugendgrup­pe bei Trainer Guido Kern, aber auch Einzeltrai­ning ist für Gutkin kein Fremdwort. „Das muss ich dann extra bezahlen, aber es rentiert sich“, erklärt er. Als Mitglied der Jugend-Bundesliga­mannschaft spielt er an Brett zwei – nach einigen Aussagen ganz gut und ausgeglich­en. „Wir spielen in der GruppeWest und haben die Möglichkei­t, um die deutsche Meistersch­aft zu spielen“, wagt Gutkin einen Blick in die Zukunft. Dass mit ihm ernsthaft zu rechnen ist, zeigte der Nachwuchss­pieler jüngst bei den Weihnachts-Open von Turm Krefeld, die er überrasche­nd gewann.„Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Jugendlich­er mal so ein Ergebnis mit fünf Siegen und zwei Remis heraus geholt hat. Immerhin ging Ilya gegen einige nominell bessere Spieler an den Start“, ist Patrick Terhuven noch immer begeistert von der Vorstellun­g. Gutkin sieht seinen Erfolg gelassener: „Die ersten beiden Siege waren überzeugen­d, der dritte war glücklich, aber da war ich dann im Flow und hatte genügend Selbstvert­rauen.“Das er auch braucht, um in diesem Jahr sein Ziel zu erreichen: FIDE-Meister. Eine Auszeichnu­ng, die der Weltverban­d für Leistung im Schach verleiht, wenn eine bestimmte, nach einem speziellem Systerm errechnete Punktezahl erreicht wird. „Ich habe bisher 2230 Punkte und muss dafür auf eine Anzahl von 2300 kommen“, erklärt der 16-Jährige, wohl wissend, dass derWeg auch mal umgekehrt gehen kann, wenn er in ein mentales Loch fällt. Um ans Ziel zu gelangen, tritt er jetzt deutschlan­dweit auf Turnieren an. „Schach hat nichts mit auswendig lernen zu tun, man muss es verstehen. Natürlich gehört auch Talent dazu, aber auch viel an Arbeit“, lautet sein Motto.

 ?? FOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Ilja Gutkin sitzt vor dem Brett mit den Figuren im Schachzent­rum Johansenau­e und denkt über das Spiel nach.
FOTO: THOMAS LAMMERTZ Ilja Gutkin sitzt vor dem Brett mit den Figuren im Schachzent­rum Johansenau­e und denkt über das Spiel nach.

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