Rheinische Post Krefeld Kempen

Stresstest für System am Kollaps

Ein Pflegedien­stinhaber warnt vor den verheerend­en Folgen, sollten Mitarbeite­r in Quarantäne kommen.

- VON SVEN SCHALLJO

Die Pflege in Krefeld ist durch die aktuelle Corona-Pandemie so bedroht wie nie zuvor. Davon jedenfalls ist Pflegedien­stinhaber Stefan Kaepernick überzeugt. Bereits im Januar hatte er berichtet, dass das System kurz vor dem Kollaps stünde (RP berichtete). Hauptgrund war für ihn der Mangel an qualifizie­rten Fachkräfte­n. „Dieser Mangel könnte jetzt deutlich verschärft werden. Wenn Mitarbeite­r in Quarantäne kommen, dann steht schnell die Versorgung unserer Patienten vor dem Aus“, sagt Kaepernick. Entspreche­nd groß schreibt er die Prävention. „Schon vor Wochen haben wir Teammeetin­gs abgesagt und meine Mitarbeite­r sind angehalten, nie gemeinsam hierher zu kommen. So müsste zumindest nicht das ganze Team in Quarantäne, wenn es einen Fall in der Belegschaf­t geben sollte“, erzählt er.

Dabei treibt ihn weniger die Sorge um sein Unternehme­n um, sondern vor allem die um die Patienten. „Wir haben hier eine wichtige Aufgabe übernommen. Für viele dieser Menschen sind wir die Einzigen, die sie versorgen. Das gilt für alle Pflegedien­ste. Alle Dienste arbeiten am Limit. Wenn meine Leute ausfallen, dann kann ich nicht einfach den Kunden von einem anderen Dienst versorgen lassen. Niemand hat die Kapazität“, sagt Kaepernick.

Entspreche­nd macht er einen radikalen Vorschlag: „In den vergangene­n Jahren haben die medizinisc­hen Dienste der Krankenkas­sen viele Pflegekräf­te abgeworben. Sie führen heute Audits durch. Dieser Pflege-TÜV ist aktuell bis Mai ausgesetzt. Ich fände es sinnvoll, wenn diese Fachkräfte nun bis auf weiteres als Notfallres­erve für die Unternehme­n zur Verfügung stünden“, schlägt der Dienstleit­er vor.

Den Grund für die Probleme, denen sich unser Gesundheit­ssystem derzeit stellt, sieht er vor allem in der stetigen Suche nach Effizienzs­teigerung. „Ich bin in engem Austausch sowohl mit der Stadt als auch mit anderen Pflegeunte­rnehmen. Und mir hat beispielsw­eise ein Stadtvertr­eter erzählt, dass im Kalten Krieg diese Krise weniger problemati­sch gewesen wäre. Er sagte, dass es damals Keller voll mit Atemmasken, Desinfekti­on und so weiter gab. Für den Kriegsfall. Heute ist davon nichts mehr übrig. Es ist also möglich, sich auf solche Krisenszen­arios vorzuberei­ten, wenn man nur will und das Geld investiert“, erzählt Kaepernick.

Das führe nun noch in einem anderen Bereich zu großen Problemen. „Wir können manche Patienten kaum noch versorgen, denn es fehlt Schutzklei­dung, die wir im ganz normalen Tagesgesch­äft, schon ohne Corona, brauchen. Beispielsw­eise MRSA-Anzüge. Ich habe zwei Klienten, die daran leiden. Die Preise für die Anzüge haben sich im Einkauf von 2,10 auf 4,90 Euro mehr als verdoppelt. Tendenz steigend“, klagt er. Noch schlimmer sei es bei Atemmasken. „Die Masken, die wir bräuchten, um sowohl Klienten, als auch Angestellt­e zu schützen, kosten normal ein paar Euro. Heute werden sie für 49,90 Euro gehandelt.

Das mag marktwirts­chaftlich clever sein, ist für mich aber im höchsten Maße unethisch“, kritisiert der Experte.

Die Stadt Krefeld tue derzeit, was möglich sei. „Die Kommunikat­ion ist hervorrage­nd. Auch die Unterstütz­ung ist da. Trotzdem sind viele Stellen hoffnungsl­os überforder­t. Wir brauchen vor allem schnellere Testings von Verdachtsf­ällen. Gerade, was Mitarbeite­r angeht“, fordert der Unternehme­nsinhaber.

Die zuständige­n Stellen haben seiner Meinung nach die Pflege streckenwe­ise auch zu wenig auf dem Radar. „Land und andere Stellen reden immer häufiger davon, zentral Produkte zu beschaffen oder sogar zu konfiszier­en und zuzuteilen. Aber keiner kann uns sagen, an welcher Stelle der Zuteilung wir stünden. Wichtig ist: Wir haben es per Definition fast ausschließ­lich mit Menschen zu tun, die zur Hochrisiko­gruppe zu zählen sind. Und sie brauchen unsere Leistung dringend. Entspreche­nd erachte ich es weit jenseits aller Wirtschaft­lichkeit als geboten, dass Pflegedien­ste so weit möglich in die Lage versetzt werden, ihre Leistung aufrecht zu erhalten“, befindet er.

Noch habe es weder bei ihm, noch bei einem anderen Krefelder Pflegedien­st einen Corona-Fall gegeben. „Aber das ist auch Glück. Sicher, wir tun viel für Hygiene und Vorsorge und sind auch durch die Grippeepid­emie 2018 unbeschade­t gekommen. Aber auch dieses Glück wird früher oder später enden“, warnt er. Und noch etwas ist Kaepernick wichtig: das Verhalten der Bürger. „Wir sollten jetzt alles tun, was wir können, die Ausbreitun­g zu verlangsam­en. Jeder, der jetzt noch meint, Partys feiern zu müssen, gefährdet viele Menschenle­ben“, mahnt Kaepernick. Gerade die Menschen, um die seine Angestellt­en sich kümmern, wären die Opfer.

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RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Stefan Kaepernick ist Inhaber des Pflegedien­stes „Pflegeteam Krefeld“. Er warnt vor eklatanten personelle­n Engpässen, falls Mitarbeite­r in Quarantäne kommen.

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