Rheinische Post Krefeld Kempen

Ganz plötzlich endete die Schulzeit

- VON BIANCA TREFFER

Der Tatsache, dass es ausgerechn­et ein Freitag der 13. war, als Sofie Hendriks und Lars Tissen gemeinsam mit ihren Stufenkoll­egen in der achten Unterricht­sstunde erfuhren, dass die Schulzeit für sie ab sofort ein Ende gefunden hat, messen die beiden Abiturient­en der Robert-Schuman-Europaschu­le keine besondere Bedeutung zu. Das gerne als Unglücksbr­inger genannte Datum spielt für sie keine Rolle. Denn egal, welcher Tag es in den letzten Wochen kurz vor dem Abitur gewesen wäre: Das Leben wurde für die Abiturient­en auf den Kopf gestellt. „Die ganze Stufe hatte in der achten und neunten Stunde Sport. Wir haben alle damit gerechnet, dass die Schulen früher schließen, aber nicht, dass es dann so schnell und plötzlich kommen würde.Wir haben alle gemeinsam in der Turnhalle gesessen und waren wie vor den Kopf gestoßen. Ich habe nur gedacht, das kann nicht sein. Es war eine total merkwürdig­e Situation, irgendwie unwirklich“, sagt Lars Tissen.

Man habe es im Gefühl gehabt, habe es aber nicht wahrhaben wollen, schließt sich Sofie Hendriks an. Der 18-Jährigen kamen, wie vielen anderen Mädchen in ihrer Stufe, die Tränen bei der Bekanntmac­hung. „Man wusste auf einmal, wir sehen uns heute zum letzten Mal als Stufe in der Schule. Er wird keinen Unterricht mehr geben. Ich war sprachlos und traurig“, berichtet die Abiturient­in.

Schon bei der Schulkonfe­renz am Abend vorher stand das Thema im Raum, aber es war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich klar. Für die 83 Abiturient­en der RSE bedeutet das, dass ihre Intensivta­ge, die Mottotage unter dem Titel „Golden Twenties“und nicht zuletzt das Verabschie­den der Lehrer sowie der Abi-Gag komplett wegfallen. Bei den Intensivta­gen handelt es sich um vierTage, an denen die jeweiligen Leistungs- und Grundkurse eines Schülers für je einenTag im Mittelpunk­t stehen. Sechs Unterricht­sstunden lang dreht sich alles um das jeweilige Fach. Für Lars Tissen wären es komplette Unterricht­stage in seinen beiden Leistungsk­ursen Englisch und Informatik sowie den Grundkurse­n Sozialwiss­enschaften und Mathe gewesen. Bei Sofie Hendriks hätten die Leistungsk­urse Biologie und Deutsch als auch die Grundkurse Sozialwiss­enschaften und Mathe den Unterricht gefüllt.

Stattdesse­n ist jetzt selbststän­diges Lernen mit Unterstütz­ung der Lehrer angesagt. Die Schüler haben schon während der Schulzeit das zur Verfügung stehende Office-Paket genutzt, das unter anderem die Programme Share Point und Teams anbietet. Genutzt wurde das Angebot allerdings in unterschie­d

Der Weg zum Abitur hat sich durch Corona verändert. Für die Abiturient­en Sofie Hendriks und Lars Tissen von der Robert-Schuman-Europaschu­le Willich sind ungewohnte Tage angebroche­n.

lichem Umfang, je nachdem, wie es die Lehrer in den Unterricht integriert­en.„Unsere Lehrer haben an diesem Freitag nochmals überprüft, ob alle einen Zugang haben und jeder von zu Hause auf das System zugreifen kann. Es gab einige, die ihren Account noch nicht in Anspruch genommen hatten“, berichtet Lars Tissen. Der 19-Jährige ist froh, dass er schon seit der elften Klasse mit dem System gearbeitet hat. „Es ist klasse, dass die Lehrer so für uns erreichbar sind, und das sogar abends und am

Wochenende. Wir bekommen Aufgaben, können nachfragen. Ich fühle mich gut betreut“, lobt er.

Sofie Hendriks hatte ihren Account indes noch nicht aktiviert und tritt nun in eine andere Form der Begleitung durch die Lehrer ein. „Das Office-System ist eine gute Lösung, wenngleich ungewohnt. Aber ich vermisse den Unterricht. Toll ist, dass die Lehrer alle versuchen, uns so gut es geht unter die Arme zu greifen. Es gibt Chats für unsere Fächer, in denen wir Fragen stellen können. Trotzdem ist die Motivation, in der Schule gemeinsam mit allen zu arbeiten, bei mir größer als allein daheim. Aber mit Selbstdisz­iplin geht es“, sagt sie.

Traurig finden es beide, dass sie sich nicht richtig von ihren Lehrern, die sie die ganzen Jahre über betreut haben, verabschie­den konnten.„Wir haben am besagten Freitag noch ein großes Herz auf den Schulhof gemalt, alle Lehrer, die da waren, hineingest­ellt und uns für die Begleitung durch die Schulzeit bedankt“, erzählt Sofie Hendriks, die wie Lars Tissen

Stufenspre­cherin war. Normalerwe­ise hätte man sich richtig verabschie­det und auch die Mottowoche dazu genutzt, in den Pausen mit den Lehrern Spaß zu haben. Ob man indes den jetzt wegfallend­en Abi-Gag vor den Sommerferi­en nachholt und auch die Liftfaßsäu­le, an der sich an der RSE traditione­ll der Abi-Jahrgang mit Fotos und Bannern verabschie­det, noch bestückt, ist unklar. Für die Abiturient­en 2021 wäre es auf jeden Fall komisch, wenn sie die Fotos der Abiturient­en 2019 anstelle des Jahrgangs 2020 abhängen müssten. Sofie Hendriks und Lars Tissen wünschen sich jetzt erst einmal, nach den Osterferie­n ihre Abiturklau­suren schreiben zu dürfen, und hoffen, dass der Abi-Ball am 26. Juni stattfinde­n kann. „Immerhin hängt das Kleid dafür schon in meinem Kleidersch­rank“, sagt Sofie Hendriks, und sie ist sicherlich nicht die einzige, die für das Ereignis schon eingekauft hat.

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FOTOS: NORBERT PRÜMEN Abiturient Lars Tissen aus Schiefbahn bereitet sich zu Hause auf das Abitur vor.
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Sophie Hendricks aus Anrath freut sich, dass die Betreuung durch ihre Lehrer auch über die Entfernung funktionie­rt.

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