Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie Corona die Kriminalit­ät beeinfluss­t

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Kriminalit­ät im März hat sich im Vergleich zum Vorjahr verändert, wie eine Auswertung für unsere Redaktion ergab. Die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt hat deutlich abgenommen. Und es gibt mehr Automatens­prengungen.

In Nordrhein-Westfalen sind im ersten Quartal des Jahres deutlich mehr Geldautoma­ten gesprengt worden. Nach Angaben des Landeskrim­inalamtes verdreifac­hte sich die Zahl im Vergleich zumVorjahr­eszeitraum.„Wir haben Stand 1. April bislang 53 Sprengunge­n gehabt, davon blieb es in 33 Fällen bei Versuchen“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Allein dabei entstand ein Sachschade­n von rund drei Millionen Euro. „In den ersten drei Monaten 2019 waren es gerade einmal 17 Sprengunge­n.“

Das LKA führt die massive Steigerung unter anderem auf verschärft­e Sicherheit­smaßnahmen in den Niederland­en zurück, so dass die Kriminelle­n vermehrt in Deutschlan­d aktiv sind. Ein weiterer Grund könnte auch die derzeitige Corona-Pandemie sein. „Es kann sein, dass die Kriminelle­n momentan die noch geöffneten Grenzen zu den Niederland­en besonders nutzen, bevor sie geschlosse­n werden“, spekuliert Scheulen. Möglicherw­eise wollten sie jetzt noch schnell Beute machen in NRW, ehe Grenzkontr­ollen oder -Schließung­en die Anund Abreise behindern.

Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf andere Kriminalit­ätsfelder in Nordrhein-Westfalen aus. Nach Angaben des Innenminis­teriums wird die Polizei dabei vor neue Herausford­erungen gestellt.

„Zwar nimmt die Arbeitsbel­astung in einigen Bereichen ab, etwa weil (derzeit) weniger Straftaten bei der Straßenkri­minalität begangen werden oder weniger Verkehrsun­fälle passieren“, sagt eine Sprecherin des Ministeriu­ms.

Auffällig ist, dass die NRW-Polizei im März 2020 deutlich weniger Fälle von häuslicher Gewalt registrier­t hat als im selben Monat der beiden Vorjahre – und das, obwohl die Menschen wegen des Virus zu Hause bleiben sollen und Experten erwarten, dass diese Delikte deswegen signifikan­t zunehmen würden. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, wie eine Auswertung des Innenminis­teriums auf Anfrage unserer Redaktion ergeben hat. 2112 Fälle von häuslicher Gewalt gab es demnach im vergangene­n Monat in NRW; im März 2019 waren es 3003 und im März 2018 2903.

Deutlich zurück ging auch die Zahl der Wohnungsei­nbrüche im März. Gab es zum gleichen Zeitraum der Vorjahre immer mehr als 2000 Fälle, wurde in diesem März nur 1423 mal eingebroch­en. Ebenfalls zurück ging auch der Taschendie­bstahl von 2912 Fällen im März 2019 auf 1704 Fälle. Selbst bei sogenannte­n Straftaten gegen ältere Leute, bei denen es sich häufig um Trickbetru­g am Telefon und der Haustür handelt, verzeichne­te die Polizei in diesem März mit 2512 Dellikten fast 900 weniger als im März 2019.

„Anderseits muss sich die Polizei aber ganz neuen Kriminalit­ätsphänome­nen stellen“, sagt eine Ministeriu­mssprecher­in. Darunter zum Beispiel rechtswidr­ige Bereicheru­ngen durch Betrüger im Internet, vorgetäusc­hte Spendenakt­ionen oder „falsche Gesundheit­samtsmitar­beiter“, die versuchen, in Wohnungen zu gelangen. Täter stehlen zudem vermehrt Infektions­schutz-Materialie­n wie Schutzmask­en und Desinfekti­onsmittel. „Dazu kommen Verstöße gegen das Infektions­schutzgese­tz, die bisher keine Rolle gespielt haben. Hamsterkäu­fe in Supermärkt­en haben in Einzelfäll­en bereits zu Körperverl­etzungsdel­ikten geführt“, erklärt die Sprecherin des Innenminis­teriums.

Auswirkung­en hat die Corona-Pandemie auch auf die Bekämpfung der Clankrimin­alität in NRW. Laut Innenminis­terium führt die Polizei derzeit grundsätzl­ich keine Razzien im Clanmilieu durch. Die Polizei unterstütz­t allerdings bei Bedarf, wenn durch die Ordnungsbe­hörden Verstöße gegen das Infektions­schutzgese­tz oder gegen andere Verfügunge­n festgestel­lt werden. In diesem Zusammenha­ng gibt es vereinzelt­e Meldungen von Ansammlung­en in Shisha-Bars. Aktuell liegen noch keine Informatio­nen darüber vor, inwieweit sich die Krise sowie die umfangreic­hen Kontaktver­bote und die damit einhergega­ngenen Schließung­en von Lokalitäte­n auf legale und illegale Geschäftsf­elder kriminelle­r Clanmitgli­eder auswirken. Die aus der Pandemie und Gegenmaßna­hmen resultiere­nden Folgen für die organisier­te Kriminalit­ät oder das Handeln kriminelle­r Clanangehö­riger würden, wenn überhaupt, eher langfristi­g erkennbar sein, so die Ministeriu­mssprecher­in.

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FOTO: G. JUNGMANN In Viersen haben nachts Unbekannte einen Geldautoma­ten gesprengt. Die Höhe der Beute ist unbekannt.

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