Rheinische Post Krefeld Kempen
Wie Corona die Kriminalität beeinflusst
Die Kriminalität im März hat sich im Vergleich zum Vorjahr verändert, wie eine Auswertung für unsere Redaktion ergab. Die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt hat deutlich abgenommen. Und es gibt mehr Automatensprengungen.
In Nordrhein-Westfalen sind im ersten Quartal des Jahres deutlich mehr Geldautomaten gesprengt worden. Nach Angaben des Landeskriminalamtes verdreifachte sich die Zahl im Vergleich zumVorjahreszeitraum.„Wir haben Stand 1. April bislang 53 Sprengungen gehabt, davon blieb es in 33 Fällen bei Versuchen“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Allein dabei entstand ein Sachschaden von rund drei Millionen Euro. „In den ersten drei Monaten 2019 waren es gerade einmal 17 Sprengungen.“
Das LKA führt die massive Steigerung unter anderem auf verschärfte Sicherheitsmaßnahmen in den Niederlanden zurück, so dass die Kriminellen vermehrt in Deutschland aktiv sind. Ein weiterer Grund könnte auch die derzeitige Corona-Pandemie sein. „Es kann sein, dass die Kriminellen momentan die noch geöffneten Grenzen zu den Niederlanden besonders nutzen, bevor sie geschlossen werden“, spekuliert Scheulen. Möglicherweise wollten sie jetzt noch schnell Beute machen in NRW, ehe Grenzkontrollen oder -Schließungen die Anund Abreise behindern.
Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf andere Kriminalitätsfelder in Nordrhein-Westfalen aus. Nach Angaben des Innenministeriums wird die Polizei dabei vor neue Herausforderungen gestellt.
„Zwar nimmt die Arbeitsbelastung in einigen Bereichen ab, etwa weil (derzeit) weniger Straftaten bei der Straßenkriminalität begangen werden oder weniger Verkehrsunfälle passieren“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums.
Auffällig ist, dass die NRW-Polizei im März 2020 deutlich weniger Fälle von häuslicher Gewalt registriert hat als im selben Monat der beiden Vorjahre – und das, obwohl die Menschen wegen des Virus zu Hause bleiben sollen und Experten erwarten, dass diese Delikte deswegen signifikant zunehmen würden. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, wie eine Auswertung des Innenministeriums auf Anfrage unserer Redaktion ergeben hat. 2112 Fälle von häuslicher Gewalt gab es demnach im vergangenen Monat in NRW; im März 2019 waren es 3003 und im März 2018 2903.
Deutlich zurück ging auch die Zahl der Wohnungseinbrüche im März. Gab es zum gleichen Zeitraum der Vorjahre immer mehr als 2000 Fälle, wurde in diesem März nur 1423 mal eingebrochen. Ebenfalls zurück ging auch der Taschendiebstahl von 2912 Fällen im März 2019 auf 1704 Fälle. Selbst bei sogenannten Straftaten gegen ältere Leute, bei denen es sich häufig um Trickbetrug am Telefon und der Haustür handelt, verzeichnete die Polizei in diesem März mit 2512 Dellikten fast 900 weniger als im März 2019.
„Anderseits muss sich die Polizei aber ganz neuen Kriminalitätsphänomenen stellen“, sagt eine Ministeriumssprecherin. Darunter zum Beispiel rechtswidrige Bereicherungen durch Betrüger im Internet, vorgetäuschte Spendenaktionen oder „falsche Gesundheitsamtsmitarbeiter“, die versuchen, in Wohnungen zu gelangen. Täter stehlen zudem vermehrt Infektionsschutz-Materialien wie Schutzmasken und Desinfektionsmittel. „Dazu kommen Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz, die bisher keine Rolle gespielt haben. Hamsterkäufe in Supermärkten haben in Einzelfällen bereits zu Körperverletzungsdelikten geführt“, erklärt die Sprecherin des Innenministeriums.
Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auch auf die Bekämpfung der Clankriminalität in NRW. Laut Innenministerium führt die Polizei derzeit grundsätzlich keine Razzien im Clanmilieu durch. Die Polizei unterstützt allerdings bei Bedarf, wenn durch die Ordnungsbehörden Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz oder gegen andere Verfügungen festgestellt werden. In diesem Zusammenhang gibt es vereinzelte Meldungen von Ansammlungen in Shisha-Bars. Aktuell liegen noch keine Informationen darüber vor, inwieweit sich die Krise sowie die umfangreichen Kontaktverbote und die damit einhergegangenen Schließungen von Lokalitäten auf legale und illegale Geschäftsfelder krimineller Clanmitglieder auswirken. Die aus der Pandemie und Gegenmaßnahmen resultierenden Folgen für die organisierte Kriminalität oder das Handeln krimineller Clanangehöriger würden, wenn überhaupt, eher langfristig erkennbar sein, so die Ministeriumssprecherin.