Rheinische Post Krefeld Kempen

„Die Sehnsucht nach den Familien ist natürlich groß“

- VON CLAUDIA HAUSER

Die Bewohner von Seniorenhe­imen dürfen wegen der Corona-Krise keinen Kontakt zu ihren Angehörige­n haben, weil das Virus vor allem Ältere gefährdet. Das Berliner Unternehme­n Nepos ruft nun auf Facebook dazu auf, Postkarten an Heimbewohn­er zu verschicke­n. Die ersten Karten haben die 15 Mitarbeite­r geschriebe­n und verschickt. „Es soll einfach eine nette Geste sein, die den älteren Menschen zeigt, dass man an sie denkt“, sagt Geschäftsf­ührerin Alexandra Böhmer. Eine ältere Frau habe schon mit einem Brief geantworte­t. Die Karten gingen auch an Einrichtun­gen in Düsseldorf und Ratingen. Die Kunden von Nepos sind vor allem Senioren: Die Firma hat als kleines Start-up-Unternehme­n vor zwei Jahren eine Software samt Tablet entwickelt, die älteren Menschen die Nutzung des Internets erleichter­t.

Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es einige Ideen für die Senioren, die ihre Familien zur Zeit nicht sehen dürfen. Der Caritasver­band Düsseldorf betreibt acht Seniorenhe­ime. Die Berliner Postkarten-Aktion bezeichnet Sprecherin Stephanie Agethen aber eher als „schwierig“. „Viele unserer Bewohner sind hochbetagt, zwischen 86 und 88 Jahre alt und haben Pflegegrad 2 oder 3“, sagt sie. Statt Postkarten von Menschen, die sie gar nicht kennen, sollen die Bewohner der Einrichtun­gen Ostergesch­enke bekommen – gebastelt von Kita- und Schulkinde­rn in der Notbetreuu­ng.„Wir haben auch schon Blumengesc­henke von einer Gärtnerei bekommen, über die sich die Senioren sehr gefreut haben“, sagt Agethen.

Die Einrichtun­gen zeigen den Bewohnern zum Beispiel, wie sie Videotelef­onate mit Kindern und Enkeln führen oder E-Mails verschicke­n können.„Der soziale Dienst ist auch weiterhin im Einsatz, die älteren Menschen vereinsame­n nicht – auch wenn die Sehnsucht nach den

Familien natürlich groß ist“, sagt Agethen. Die meisten Enkel würden aber auch fleißig Postkarten und Briefe schicken und anrufen.

„Ich finde jede Idee erstmal positiv“, sagt Bernd Gellrich, Vorstandsm­itglied der Diakonie Rhein-Neuss Kreis. Das Antworten auf Post falle vielen Bewohner allerdings doch schwer. „Fast alle sind demenziell verändert.“In einem Seniorenhe­im in Grevenbroi­ch gibt es nun im Innenhof kleine Konzerte einer Musikschul­e. „Unsere Bewohner können dann von ihren Balkonen aus zuschauen“, sagt Gellrich. Ihn freut, dass die Angehörige­n der Senioren auch an die Pflegekräf­te denken und ihnen Blumen vorbeibrin­gen. Die Zeit sei für alle nicht einfach. „Aber wir müssen alles dafür tun, das Virus von den Einrichtun­gen fern zu

„Unsere Bewohner rufen jetzt schon die Enkel an und fragen, ob sie Skype haben“Kirsten Jakubczyk Sozial-Betriebe Köln

halten“, sagt er.

In Köln kam vor einigen Tagen ein riesiger bunter Brief im Altenzentr­um St. Heribert in Deutz an. „Kinder aus der Nachbarsch­aft haben ihn für die Bewohner geschriebe­n“, sagt Marianne Jürgens vom Caritasver­band Köln, der sechs Altenheime im Stadtgebie­t unterhält. „Es gab auch schon Schokolade als Nervennahr­ung für die Bewohner“, sagt Jürgens.

Auch in den acht Pflegeheim­en der Sozial-Betriebe Köln (SBK) gibt es verschiede­ne Initiative­n. Im Seniorenze­ntrum Riehl gibt in dieser Woche ein Drehorgels­pieler ein kleines Konzert im Hof, wie Kirsten Jakubczyk erzählt, die die soziale Betreuung im Haus leitet. „An einem anderen Tag singt ein Ehepaar aus der Nachbarsch­aft für unsere Senioren.“Mit der Initiative „Stift und Papier“wollen die SBK Brieffreun­dschaften vermitteln. „Wir müssen aber schauen, wie hoch der Bedarf ist – viele finden anonyme Briefe doch seltsam.“

Zudem zeigt man Bewohnern, wie Videotelef­onate funktionie­ren. „Unsere Bewohner rufen jetzt schon die Enkel an und fragen, ob die Skype haben“, sagt Jakubczyk.

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