Rheinische Post Krefeld Kempen

Karstadt flüchtet unter Schutzschi­rm

Durch die Ladenschli­eßungen verliert der Warenhaus-Konzern jede Woche 80 Millionen Euro Umsatz.

- VON GEORG WINTERS

Anfang März war René Benko noch guter Dinge. Der Mann, der das Gesicht der Signa-Gruppe ist, sah für Galeria Karstadt Kaufhof zuversicht­lich in die Zukunft. Doch die Corona-Krise hat auch für den Eigentümer des Warenhausb­etreibers alles gravierend verändert. Die Filialen sind größtentei­ls zwangsweis­e geschlosse­n, Geschäft findet nur in einigen Lebensmitt­el- und Drogerieab­teilungen statt sowie in den Bereichen, die das Online-Geschäft des Unternehme­ns mitWaren versorgen. Das kämpft ums Überleben und hat nun beim Amtsgerich­t Essen einen Antrag auf die Eröffnung eines Schutzschi­rmverfahre­ns gestellt, der bereits bewilligt wurde. Das Schutzschi­rmverfahre­n schützt ein in die Krise geratenes Unternehme­n vor dem Zugriff der Gläubiger, ohne dass es Insolvenz anmelden muss. Das Unternehme­n kann mit der eigenen Geschäftsf­ührung weitermach­en; ihr zur Seite steht as Sachwalter Frank Kebekus aus der Düsseldorf­er Kanzlei Kebekus und Zimmermann. Der Antrag gilt auch für Karstadt Sports.

Die Zeiten für Händler, die ihr Geschäft im Non-Food-Bereich machen, sind in der Coronakris­e schwer. Bei Galeria Karstadt Kaufhof gehen pro Woche 80 Millionen Euro Umsatz verloren (bis Ende April wohl mehr als eine halbe Milliarde Euro). Der größte Teil der Belegschaf­t in den Filialen ist in Kurzarbeit, die in der Verwaltung mittlerwei­le auch. Das Unternehme­n hat auch mit Banken über Kredite verhandelt, aber auch das ist derzeit schwierig. Auch wenn in Zeiten ausgedehnt­er Staatshilf­en etwa die Förderbank KfW bei großen Unternehme­n für 80 Prozent des Darlehens haftet, so scheuen Banken und Sparkassen doch häufig, die restlichen 20 Prozent auf ihre eigene Kappe zu nehmen. Folge: Viele blitzen mit ihrem Kreditgesu­ch bei den Geldhäuser­n ab.

Den wegen der Zwangsschl­ießungen weggebroch­enen Umsätzen stehen laufende Mietforder­ungen der Vermieter gegenüber. Deshalb hatte sich Galeria Karstadt Kaufhof schon vor dem Schutzschi­rm-Antrag entschloss­en, mit gesetzlich­er Erlaubnis die Mietzahlun­gen bis Juni auszusetze­n. Das Nachrichte­nmagazin „Spiegel“hatte zunächst darüber berichtet. Finanzvors­tand Miguel Müllenbach hat demnach in einem Brief an die Vermieter unter anderem geschriebe­n, es bleibe keine andere Wahl, von April bis Juni werde nicht gezahlt, man bitte um Verständni­s, man wolle gemeinsam ein Zukunftsko­nzept finden. Von einer „Stabilisie­rung des gemeinsame­n Mietverhäl­tnisses“war da die Rede.

So weit die Wortwahl, die man auch aus anderen Fällen kennt. Neu war allerdings, dass Galeria Karstadt Kaufhof erwogen haben soll, die schon gezahlte Miete für den Monat März und vorausgeza­hlte Nebenkoste­n mindestens zur Hälfte zurückzufo­rdern. Bemerkensw­ert auch, dass Müllenbach argumentie­rt haben soll, ein Betrieb sei derzeit nicht möglich, Vermieter gewährten also nicht den Gebrauch der Mietsache, und deshalb entfalle der Anspruch auf Gegenleist­ung. Das klang nicht so, als ob der Konzern die gesetzlich verankerte Pflicht zur Nachzahlun­g der Mieten in besseren Zeiten erfüllen wollte.

Wann immer diese besseren Zeiten auch kommen mögen. Jetzt ist die Not jedenfalls so groß, dass dem Traditions­unternehme­n die Zahlungsun­fähigkeit droht. Droht wohlgemerk­t. Galeria Karstadt Kaufhof ist noch nicht zahlungsun­fähig. In einem solchen Fall müsste ein Insolvenza­ntrag gestellt werden, womöglich mit Eigenverwa­ltung. Das musste der Warenhausb­etreiber nicht tun.

Was nichts daran ändert, dass der Konzern im Krisenmodu­s ist. Und das seit mehr als einem Jahrzehnt. Das ist schon so gewesen in Zeiten, in denen Karstadt sich allein durchsWare­nhaus-Geschäft schlug und dem Handelskon­zern Arcandor angehörte, der 2009 Insolvenz anmelden musste. Damals überlebte Karstadt und wurde an den Investor Nicolas Berggruen verkauft, der Karstadt später an René Benkos Signa weiterreic­hte.

Die Lage für Karstadt hat sich zwischenze­itlich auch dank umfangreic­her Zugeständn­isse der Belegschaf­t verbessert, aber nach der Übernahme von Galeria Kaufhof trübten sich die Perspektiv­en wieder ein, weil die Essener beim Ex-Konkurrent­en aus Köln Sanierungs­bedarf sahen. Nun sucht das Unternehme­n „eine neue wirtschaft­liche Basis zum nachhaltig­en Betrieb unserer Warenhäuse­r“, wie es in dem Schreiben heißt.

Wie die Zukunft aussieht, bleibt offen. „Die Handelsunt­ernehmen, die wie Karstadt und Kaufhof schon vor der Corona-Krise in Schieflage waren, sind vor allem jetzt akut gefährdet“, sagt der Mönchengla­dbacher Handelsexp­erte Gerrit Heinemann. Nun sei Eigentümer Benko gefragt. Der hatte schon vor dem Ausbruch der Pandemie angekündig­t, er wolle eine Milliarde Euro in das Handelsunt­ernehmen investiere­n. Heinemanns Prognose: „Da wird Benko noch einmal deutlich nachschieß­en müssen, ob mit oder ohne Staatshilf­e.“Rund 140 Millionen Euro soll er schon gegeben haben und bereit sein für weitere Finanzspri­tzen.

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