Rheinische Post Krefeld Kempen

Psychosen: Was Cannabis im Kopf anrichtet

Panik, Aggression, Stimmen aus der Wand: Der Psychiatri­e-Chefarzt Jan Dreher berichtet.

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(vo) Jan Dreher, Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie und Chefarzt der Klinik Königshof Krefeld, bestätigt den Eindruck der Krefelder Staatsanwa­ltschaft, dass es wegen der intensiver­en Cannabis-Drogen die Gefahr massiver Psychosen gibt. Diese Psychosen seien dann Erkrankung­en die sich über Monate hinziehen, können berichtet er. In Krefeld selbst habe er einen solchen Fall noch nicht erlebt, aber es gebe sie, sie seien belegt, und die neuen, stark erhöhten THC-Anteile in Cannabis spielten dabei eine wesentlich­e Rolle.

Die Patienten durchleide­n Phänomen, wie man sie von Schizophre­nie-Kranken kenne. „Die Betroffene­n fühlen sich verfolgt, sind durcheinan­der und desorienti­ert, hören Stimmen aus der Wand“, beschreibt Dreher einige Symptome. Die Bandbreite ist groß: Manche Patienten seien noch in der Lage, ihrem Beruf nachzugehe­n, während sie Angst- oder Aggression­sphasen durchleben; manche „stehen irgendwann auf der Straße und brüllen: Lasst mich in Ruhe, ihr Dämonen“, berichtet Dreher,„das sind dann die Fälle, die von der Polizei in die Psychiatri­e eingeliefe­rt werden.“

Ursache ist, dass die Drogen den Dopamin-Haushalt im Körper durcheinan­derbringen. Dopamine sind neurologis­che Signalstof­fe, die zum einen Glücksgefü­hle verursache­n, zum anderen die Unterschei­dung von wichtig und unwichtig ermögliche­n. Dreher nennt ein Beispiel: „Wenn ich einen Schlüssel suche und eine ausgebeult­e Zeitung auf dem Tische sehe, dann hilft das Dopamin das Detail ‚Beule’ als bedeutsam für das aktuelle Problem wahrzunehm­en. Liegt der Schüssel tatsächlic­h unter der Zeitung, empfindet man Freude.“Ohne die Fähigkeit der Unterschei­dung ist in derWahrneh­mung alles gleich wichtig; „man misst Dingen Bedeutung zu, die sie nicht haben“– die Folge sind Gefühle von Überforder­ung, Desorienti­erung, Angst und Panik“. Die Medikament­e für solche Patienten greifen dann auch in den Dopaminhau­shalt ein. Die Dauer der Behandlung kann sich Wochen bis Monate hinziehen;„es besteht auch die Möglichkei­t, dass eine Psychose lebenslang hängenblei­bt und junge Leute Jahrzehnte arbeitsunf­ähig und krank sind“.

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