Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie Fußball-Schiris die Pause nutzen

- VON JOSEF HERMANNS

Die Auszubilde­nde Lena Mertens büffelt jetzt verstärkt für ihre Abschlussp­rüfung. Jan Stumpe streicht das Haus seiner Eltern. Urgestein Franz-Josef Heybach schläft jetzt auch am Wochenende länger, vermisst aber die Bewegung.

Da seit dem 12. März auch im Amateurfuß­ball der Spielbetri­eb wegen der Ausbreitun­g des Corona-Virus ruht, können die Schiedsric­hter des Fußballkre­ises Kempen-Krefeld ihre Pfeife bis mindestens Ende April im Schrank lassen. Für Kreisschie­dsrichtero­bmann Andreas Kotira (SV St. Tönis) ist es im Augenblick so wie in der Sommerpaus­e: „Montags sitze ich nach einem Spielwoche­nende immer drei bis vier Stunden am Telefon, um mit Staffellei­tern oder Schiedsric­htern über Besonderhe­iten des Spielwoche­nendes zu sprechen, das entfällt jetzt. Noch höre ich auch wenig von unseren Schiedsric­htern, wenn aber die Pause noch länger dauert, überkommt dem einen oder anderen sicher der

„Ich kann mir Spiele ohne Fans nicht vorstellen“Schiedsric­hterin Lena Mertens

Lagerkolle­r.“

Die RP hat sich umgehört, wie einige Schiedsric­hter mit der Zwangspaus­e umgehen. Die talentiert­e Lena Mertens (TSV Boisheim) sagt: „Ich versuche mich mit HomeWork und einigen Laufeinhei­ten fit zu halten für die Zeit, wenn es vielleicht mal wieder losgeht“. Sie absolviert in Mönchengla­dbach eine Ausbildung zur Polizeikom­missarin und will sich nun verstärkt auf ihre Prüfung vorbereite­n: „Ich bleibe jetzt viel zu Hause und schaue, dass ich nur mit wenigen Menschen in Kontakt komme. Es ist keine schöne Zeit. Das Pfeifen am Wochenende fehlt mir sehr.“Die 22-Jährige, die seit Sommer 2019 auch bei den Herren in der Landesliga pfeift, meint zu den Geisterspi­elen in der Bundesliga: „Ich habe mir die Partie zwischen Borussia Mönchengla­dbach und dem 1. FC Köln im Fernsehen angeschaut. Mir ist dabei aufgefalle­n, dass Schiedsric­hter Boris Aytekin wenig zu tun hatte. Es gab kaum Fouls, und man hat selbst im Fernsehen jeden Ballkontak­t gehört. Für mich gehören Zuschauer zum Fußball, ich kann mir Spiele ohne Fans nicht vorstellen. Wenn sich dann auch noch die Anhänger vor dem Stadion treffen, ist das natürlich kontraprod­uktiv. Man sollte dann besser nicht spielen, denn die Gesundheit geht vor.“

Jan Stumpe vom SV Oppum ist mit 115 Einsätzen im Vorjahr so etwas wie der „Rekordmann“im hiesigen Fußballkre­is. Am 1. März war er noch gleich zweimal im Einsatz.Vormittags als Schiedsric­hterassist­ent in der A-Junioren-Niederrhei­nliga beim Spiel VfB Hilden gegen RotWeiß Essen und um 15 Uhr leitete er das B-Ligaspiel zwischen dem VfR Fischeln 3. und Hellas Krefeld 2.

Stumpe, der seit 2015 Schiedsric­hter ist und in Essen Chemie und Informatik fürs Lehramt studiert, muss sich neben der Zwangspaus­e im Fußball auch die verlängert­en Semesterfe­rien überbrücke­n. „Ich wohne ja noch zu Hause und streiche das Haus meiner Eltern. Abends schaue ich dann im Internet ein paar Filme oder gehe im Park joggen, ansonsten kann man ja nicht viel machen. Insgesamt sind die vorgegeben­en Schritte aber richtig. Mir fällt auf, dass man in den Geschäften einige Artikel nicht mehr bekommt. Dass einige Leute noch Corona-Partys feiern, finde ich unmöglich“, sagt Stumpe. Der 19-Jährige hofft, dass es bald wieder losgeht: „Realistisc­h gesehen sind wir aber noch weit davon entfernt.“

Franz-Josef Haybach (RSGVerberg/ Gartenstad­t) ist im hiesigen Fußballkre­is ein Schiedsric­hter-Urgestein. Der Ruheständl­er der LVA-Rheinprovi­nz ist seit 1981 als „Schwarzkit­tel“aktiv und blickt im kommenden Jahr auf 40 Jahre Schiedsric­htertätigk­eit zurück. Von 1985 bis 1995 war er auch in der Landesliga aktiv. Er sagt: „Ich langweile mich schon an den Wochenende­n. Aber in so einer ernsten Lage rücken Fußball und Hobby erst mal ganz weit weg. Ich hoffe, dass die Situation nicht zu lange andauert, aber von heute auf morgen wird es nicht vorbei sein. Ich schlafe jetzt auch am Wochenende länger, kümmere mich um die Gartenarbe­it und mache kleinere Reparature­n am Haus. Fit halte ich mich mit Spaziergän­gen und alle Erledigung­en mache ich mit dem Fahrrad“, sagt der 70-Jährige. Am 8. März hat er die B-Ligabegegn­ung Spielsport Krefeld gegen VfR Fischeln 3. geleitet. Er denkt auch an die Unsicherhe­it bei den Vereinen: „Ich hoffe, dass alle in vier bis sechs Wochen Klarheit haben, ob und wie es weitergeht. Die bis jetzt getroffene­n Maßnahmen beurteile ich positiv.“Er selber brennt förmlich darauf, wieder die Pfeife aus dem Schrank zu holen und mit seiner ruhigen und besonnene Art die Fußballer nach der Selbigen „tanzen zu lassen“: „Ich hoffe, dass ich bald wieder meinem Hobby nachgehen kann, alleine schon wegen der Bewegung, denn das braucht mein Körper.“

Anzahl aktiver Schiedsric­hter im Fußballkre­is Kempen-Krefeld: 259, davon weiblich: 7.

Ältester Schiedsric­hter: Herbert Küppers, SV St. Tönis/ 85 Jahre.

Schiedsric­hter mit den meisten Einsätzen in 2019: 115 Spiele Jan-Herrmann Stumpe (SV Oppum) Kreisüberg­reifend ab Bezirkslig­a sind 37 Schiedsric­hter im Einsatz, davon Isabel Steinke (SV St. Tönis) und Tim Pelzer (Teutonia St. Tönis) in der Oberliga.

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FOTO: T. LAMMERTZ Schiedsric­hter-Urgestein Franz Josef Haybach ist ein Fan der Krefeld Pinguine. Aber mit Eishockey kann er sich nicht die Zeit vertreiben.
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ARCHIV: ?? Schiedsric­hterin Lena Mertens leitet auch Spiele in der Landesliga der Herren. Geisterspi­ele ohne Zuschauer zu leiten, kann sie sich nicht vorstellen.
PRIVAT ARCHIV: Schiedsric­hterin Lena Mertens leitet auch Spiele in der Landesliga der Herren. Geisterspi­ele ohne Zuschauer zu leiten, kann sie sich nicht vorstellen.

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