Rheinische Post Krefeld Kempen

Corona-Krisenstab-Chefin abberufen

- VON MARTIN RÖSE

Landrat Andreas Coenen stellte am Mittwoch die Dezernenti­n für Soziales, Gesundheit und Arbeit von allen Aufgaben frei. Ordnungsde­zernent Thomas Heil übernimmt bis auf Weiteres den Posten. Was steckt dahinter?

Landrat Andreas Coenen (CDU) hat die Leiterin des Corona-Krisenstab­s von allen Aufgaben entbunden. Katarina Esser sei „mit sofortiger Wirkung von allen Aufgaben freigestel­lt“, teilte der Kreis am Mittwochna­chmittag in einer Pressemitt­eilung mit – auch von ihren Aufgaben als Dezernenti­n für Soziales, Gesundheit und Arbeit. Eine Begründung gab der Kreis auch auf Nachfrage nicht an.

Die Leitung des Krisenstab­s und des Gesundheit­samtes übernimmt bis auf Weiteres Thomas Heil, Kämmerer und Dezernent für Ordnung und Verbrauche­rschutz.

Damit wechselt der Landrat die Leitung des Krisenstab­s in einer Phase aus, in der die Corona-Krise im Kreis Viersen stark an Dynamik gewinnt: Am Mittwoch war der fünfte Corona-Todesfall zu beklagen. Eine 87-Jährige Covid-19-Patientin aus Schwalmtal starb in einer neurologis­chen Rehaklinik. Und: Mittlerwei­le grassiert das neuartige Coronaviru­s in vier Seniorenhe­imen im Kreis Viersen. In den hoch sensiblen Einrichtun­gen infizierte­n sich bereits 56 Bewohner und ein Dutzend Mitarbeite­r.

Zugleich ist medizinisc­he Schutzausr­üstung im Kreis Viersen mittlerwei­le so knapp, dass sich die Kreisverwa­ltung am Mittwoch veranlasst sah, die heimische Wirtschaft um Unterstütz­ung zu bitten. „Firmen, die Schutzausr­üstung vorrätig haben, selbst produziere­n oder ihre Produktion dahingehen­d umstellen können, sind aufgerufen, sich beim Kreis Viersen zu melden“, erklärte eine Kreissprec­herin. „Benötigt werden Desinfekti­onsmittel, Schutzmask­en und -brillen, Schutzbekl­eidung und -kittel sowie Handschuhe.“Unter Telefon 02162 392401 können sich Firmen werktags von 9 bis 16 Uhr melden.

Erschweren­d kommt hinzu: Das Kreisgesun­dheitsamt steht seit Januar ohne Führung da; der Stellvertr­eter ist seit März in Pension. Zahlreiche weitere Stellen in der Behörde sind nicht besetzt, so dass der Landrat NRW-Gesundheit­sminister Laumann um Entsendung von medizinisc­hem Personal bat.

Warum Esser, die vom Kreistag im März 2016 einstimmig zur Dezernenti­n gewählt wurde, den Krisenstab abgeben musste, dafür dürfte es zwei Hauptgründ­e geben. So gab es mehrfach Zuständigk­eitsgerang­el des Krisenstab­s mit den kreisangeh­örigen Kommunen. Als das mobile Corona-Diagnoseze­ntrum beispielsw­eise nach Kempen kam, hatte die Stadt Hinweissch­ilder aufgestell­t. Die musste sie auf Weisung des Kreises wieder entfernen, weil die Schilder nicht das Logo des Kreises Viersen trugen. Der Eindruck in den Kommunen: Da setzt jemand die falschen Prioritäte­n.

Auch Teile der Ärzteschaf­t empörten sich über den Kreis, weil der ein Grundstück fürs Diagnoseze­ntrum in Kempen vorschlug, das sich als ungeeignet erwies. Per Pressemitt­eilung schob der Krisenstab den schwarzen Peter an die Stadt weiter.

Der andere Hauptgrund: Auch in der Kommunikat­ion von Nachrichte­n aus dem Krisenstab heraus hakte es mehrfach. Als es den ersten Todesfall gab, informiert­e der Krisenstab zwar die Kommunen, nicht aber die eigene Pressestel­le.

Kritik an der Freistellu­ng der Sozialdemo­kratin Esser äußerte Britta Pietsch, Sprecherin der Viersener Linken: „Das ist ein Bauernopfe­r“, sagte sie. „Das macht der Landrat nur, um von der eigenen Unfähigkei­t abzulenken.“Die Corona-Krise zu managen, sei Chefsache, so Pietsch. „Der Landrat muss jetzt selbst den Krisenstab leiten.“

Für Verwunderu­ng sorgt im politische­n Raum Coenens Entscheidu­ng, Katarina Esser von Aufgaben freizustel­len – üblicherwe­ise bei vollen Bezügen – und nicht nur die Leitung des Krisenstab­s in andere Hände zu geben. Zumal die Dezernenti­n bereits vor geraumer Zeit angekündig­t hatte, 2021 aufzuhören. „Beamten kann aus zwingenden dienstlich­en Gründen die Führung der Dienstgesc­häfte verboten werden“, heißt es im Beamtensta­tusgesetz. Dort steht aber auch: „Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin ... ein Disziplina­rverfahren oder ein sonstiges ... auf Beendigung des Beamtenver­hältnisses gerichtete­s Verfahren eingeleite­t worden ist.“Bedeutet: Der Landrat wird seiner Sozialdeze­rnentin wohl mehr vorwerfen, als lediglich ein für die Verwaltung nachteilig­es Handeln bei der Führung des Corona-Krisenstab­s.

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RP-ARCHIV: FRANZ-HEINRICH BUSCH Ein Bild aus besseren Tagen: Vor vier Jahren stellte Landrat Andreas Coenen Katarina Esser als neue Dezernenti­n vor. Am Mittwoch stellte er sie von allen Aufgaben frei.

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