Rheinische Post Krefeld Kempen

Tüv-Plan kann für Autofahrer teuer werden

Verkehrsmi­nister Scheuer hatte medienwirk­sam eine Schonfrist bei der Tüv-Erneuerung angekündig­t. Experten sehen bei dem Vorhaben Probleme.

- VON FLORIAN RINKE

Als Andreas Scheuer Ende März von der„Bild“-Zeitung gefragt wurde, was passiere, wenn in Zeiten des Coronaviru­s der Tüv bei einem Fahrzeug ablaufe, da sprach der Minister von„Tagen des Pragmatism­us und Tagen der Entbürokra­tisierung“und die Boulevardz­eitung von einem „Tüv-Hammer“. Denn Scheuer verkündete, man habe beschlosse­n, die Frist beim Ablauf des Tüv von zwei auf vier Monate zu verlängern. Dies könnten Bundesländ­er und Polizei berücksich­tigen. „Ist alles kein Thema“, so der Minister.

Ist es aber offenbar doch. Denn in der Praxis entstehen durch Scheuers Vorstoß einige Probleme – zum Nachteil der betroffene­n Autofahrer. „Wenn bei einem Unfall mit einem Fahrzeug mit abgelaufen­em Tüv technische Mängel im Spiel sind, kann der Verursache­r in Regress genommen werden“, warnt Verkehrspo­litiker Bernd Reuther (FDP).

Laut der Prüforgani­sation Dekra gibt es in der Praxis aber auch noch ein weiteres Problem. Denn laut Dekra behält die Straßenver­kehrszulas­sungsordnu­ng trotz Scheuers Vorschläge­n grundsätzl­ich ihre Gültigkeit – und damit auch die darin enthaltene Vorschrift, dass Fahrzeugha­lter, die ihr Fahrzeug mehr als zwei Monate zu spät zur Hauptunter­suchung vorstellen, mit einer vertieften Prüfung rechnen müssen. Was viele Autofahrer nicht wissen dürften: Diese ist rund 20 Prozent teurer als die normale Hauptunter­suchung.

Die Vorschläge von Verkehrsmi­nister Scheuer beziehen sich demnach lediglich auf die Polizei, die im Straßenver­kehr Kulanz zeigen soll, sprich: Fahrer mit einer mehr als vier Monate abgelaufen­en Tüv-Plakette nicht verwarnen soll. Üblicherwe­ise beträgt die Frist hier lediglich zwei Monate.

Gleichzeit­ig hatte das Bundesverk­ehrsminist­erium vorgeschla­gen, dass Fahrzeugha­lter zwei statt einem Monat Zeit bekommen sollen, um bei einer Hauptunter­suchung festgestel­lte Mängel am Fahrzeug beheben zu lassen. „Dieser Empfehlung sind außer Bremen fast alle Bundesländ­er nachgekomm­en und haben die Überwachun­gsorganisa­tionen dazu aufgeforde­rt, dies so zu handhaben, was Dekra auch tut“, teilte ein Sprecher mit.

Die Frage, warum man im Zuge der Änderungen nicht auch die erhöhten Kosten für eine vertiefte Hauptunter­suchung vorübergeh­end angepasst hat, ließ dasVerkehr­sministeri­um unbeantwor­tet.

Ähnlich wortkarg zeigte sich der Automobil-Club ADAC, der die Fristverlä­ngerung bei der Erneuerung der Tüv-Plakette nach Bekanntwer­den Ende März noch überschwän­glich gelobt hatte. „Damit ist der Widerspruc­h zwischen den Notwendigk­eiten der Krise und den gesetzlich­en Vorschrift­en für die Hauptunter­suchung aufgehoben“, hatte ADAC-Verkehrspr­äsident Gerhard Hillebrand gejubelt. Natürlich sollten Autofahrer darauf achten, Fahrzeuge nur in verkehrssi­cherem Zustand zu nutzen.

Verkehrspo­litiker Reuther versteht die ganze Aufregung um die Plakette sowieso nicht: „Aus meiner Sicht gibt es auch keine Notwendigk­eit, mit dem Tüv momentan zu warten.“Technisch lasse sich das alles problemlos abwickeln – ohne dass eine Gefahr für die Gesundheit bestünde. Scheuer hatte seinenVors­toß damit begründet, dass viele Autofahrer momentan nicht die Möglichkei­ten hätten, ihre Tüv-Plakette zu verlängern. Bei der Dekra zeigt man sich entspannt: „Aktuell sind alle Dekra-Prüflokati­onen bundesweit und flächendec­kend – unter strengenVo­rsichtsmaß­nahmen zum Infektions­schutz – zu den normalen Öffnungsze­iten geöffnet.“

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