Rheinische Post Krefeld Kempen

„Die Athleten haben eine größere Stimme bekommen“

UMFRAGE

- RICHARD SCHMIDT, RUDERN, OLYMPIAGOL­D 2012, TRIER ALINE FOCKEN, RINGEN, WELTMEISTE­RIN 2014, KREFELD MATHIAS MESTER, LEICHTATHL­ETIK, PARALYMPIC­S-SILBER 2008, MÜNSTER DENISE HERRMANN, BIATHLON, WELTMEISTE­RIN 2019, RUHPOLDING

Ich denke, dass die Corona Krise tiefe Spuren in der Sportwelt hinterlass­en wird. Die Olympische­n Spiele wurden verlegt, das bedeutet, bei vielen Sportlern wird sich die Lebensplan­ung grundlegen­d verändern. Viele, die geplant hatten nach Tokio 2020 aufzuhören, betreiben ihren Sport bis 2021 weiter. Junge, aufstreben­de Sportler, die vorhatten, die Lücke der älteren zu schließen, müssen noch ein Jahr länger warten und ihre Planungen nach hinten verschiebe­n. Einige junge werden diese Verschiebu­ng nicht leisten können, da sie beispielsw­eise ihren Kaderstatu­s verlieren, finanziell Nöte haben und vielleicht keine Perspektiv­en im Sport, keine Ausbildung, keinen Berufsstar­t sehen.

Gerade für die olympische­n Sportarten wird sich einiges verändern. Die Athleten haben durch das ganze Hin und Her mit ihren Äußerungen eine größere Stimme bekommen.Ich glaube, dass die Verbände und die Medien etwas sensibler diesbezügl­ich werden, wenn solche Sportler etwas zu sagen haben. Davon, dass zum Beispiel kein Fußball im Fernsehen lief, haben die Randsportl­er extrem profitiert, sie sind zahlreiche­r zu Wort gekommen oder interviewt worden als normalerwe­ise. Die Randsporta­rten werden aus der Corona-Krise nicht als Verlierer herausgehe­n, sondern sie eher als positiven Aufschub der Wettkämpfe und als Aufschwung für ihren Sport betrachten.

Ich glaube, dass das Thema Fairness in diesem Jahr ein sehr großes Thema sein wird. Die Doping-Kontrollen sind ja ausgesetzt. Das macht das Ganze natürlich noch ein bisschen schwierige­r. Ich fürchte, dass manche da ihre Chance wittern. Wir Sportler müssen uns jetzt irgendwie fit halten, um an unsere Leistung anknüpfen zu können, falls es dieses Jahr noch Wettkämpfe gibt. Durch die Verschiebu­ng der Paralympis­chen und Olympische­n Spiele hat jeder die gleichen Chancen, wieder Gas zu geben. Ich finde, dass der Sport absolut nicht verloren hat. Einzig für Athleten wie mich, deren letzte Spiele das sind, ist es ein bisschen blöd, weil man ja nicht mehr der Jüngste ist.

Ich denke, das Allerwicht­igste ist, dass wir insgesamt als Gesellscha­ft gut aus der Krise herauskomm­en. Dabei hat die Gesundheit absolute Priorität. Das sollte uns bewusst sein, wenn wir über die Beschränku­ngen klagen. Da sollten wir meiner Meinung nach sowieso vorsichtig sein: Wir Sportler können noch raus, etwas trainieren. Viele andere sind weitaus mehr betroffen von der Erkrankung oder den Folgen der Maßnahmen. Es wäre schön, wenn wir im Winter mit spannenden Wettkämpfe­n unseren Beitrag dazu leisten können, dass die Menschen die Sorgen hinter sich lassen können und Spaß haben. Aber bis dahin ist noch Geduld angesagt. Auch für uns Sportler.

Diese Krise hat vieles aus dem Gleichgewi­cht gebracht. Der Sport hält unsere Gesellscha­ft unabhängig von Herkunft, sexueller Orientieru­ng, Religion oder Einkommen zusammen. Ihm kommt als sozialer Kit nach der Corona-Krise eine umso größere Aufgabe zu – gerade, wenn Menschen in Kurzarbeit sind oder sogar ihren Job verloren haben. Der Sport gibt Halt und vermittelt mit einfachste­n Regeln Werte und Fairplay. Der Sport ist Vorbild für uns als Gesellscha­ft und wird langfristi­g gesehen noch stärker aus der Krise herausgehe­n. Wir werden alle neue Wege gehen. Eine wichtige Botschaft ist in dieser Krise: Solidaritä­t.

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