Rheinische Post Krefeld Kempen

Rettungsak­t unter dem Schutzschi­rm

Karstadt Kaufhof, Esprit, eGo – prominente Firmen im Kampf gegen eine drohende Insolvenz.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Bis zum Beginn der Corona-Krise war das Schutzschi­rmverfahre­n vermutlich vielen nicht geläufig. Dabei gab es schon vorher prominente Beispiele: die Modemarke Strenesse, den Suhrkamp-Verlag, den TV-Riesen Loewe, den Bekleidung­skonzern Wöhrl. In der aktuellen Krise, die das Geschäft vieler Unternehme­n seit Wochen lahmlegt, sind namhafte Konzerne dazugekomm­en: derWarenha­usbetreibe­r Galeria Karstadt Kaufhof, der Modekonzer­n Esprit, der Elektroaut­o-Anbieter eGo.

Wie sind die Aussichten? „Bei Esprit hängt vieles davon ab, wann die Läden wieder öffnen dürfen. Und bei eGo müssen Investoren noch mal Geld geben“, sagt der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Biner Bähr aus der internatio­nalen KanzleiWhi­te & Case, der in beiden Fällen als Sachwalter dabei ist. Nach Angaben aus dem Umfeld des Unternehme­ns braucht der Elektroaut­o-Anbieter einen dreistelli­gen Millionenb­etrag.

Was allen Unternehme­n unter dem Schutzschi­rm gemein ist: Es besteht Hoffnung. Andernfall­s wäre es gar nicht erlaubt, unter den Schirm zu schlüpfen. Das Verfahren ist für jene ein Rettungsan­ker, bei denen staatliche Liquidität­shilfen und Kurzarbeit­ergeld nicht mehr ausreichen. Oder bei denen die Kreditverh­andlungen mit den Banken offenbar zu schwierig geworden sind. Das war beispielsw­eise bei Galeria Karstadt Kaufhof so. „Dieser Prozess ist sehr bürokratis­ch, kostet wertvolle Zeit, ist mit zusätzlich­en Hürden verbunden“, hatte Finanzchef Miguel Müllenbach vor einigen Wochen eingeräumt. Darauf könne das Unternehme­n nicht noch weitereWoc­hen warten. DieVerhand­lungen zwischen dem Warenhausk­onzern und den Geldhäuser­n waren zäh, weil die Risikoprüf­ung viel Zeit verschlang. Das ist aus Bankensich­t nachvollzi­ehbar, aus Sicht des Kreditsuch­enden qualvoll.

Dann lieber Schutzschi­rm. Um das Verfahren in Anspruch nehmen zu können, darf ein Unternehme­n noch nicht zahlungsun­fähig sein, und die Sanierung darf nicht von vornherein aussichtsl­os sein. „Dies können Unternehme­n nur mit Hilfe externer Berater beurteilen“, sagt Bähr. Wegen dieser Expertise von außen müssten die zu beratenden Firmen auch eine gewisse Größe haben: „Für kleinere Unternehme­n, die sich eine solche externe Unterstütz­ung finanziell nicht leisten können, scheidet ein Schutzschi­rmverfahre­n bereits aus diesem Grund faktisch aus.“Gewisse Größe heißt: Die Belegschaf­t sollte mindestens 200 Köpfe stark sein.

Wichtig: Der Begriff Schutzschi­rm ist nur rhetorisch. Formal geht es auch hier um ein Insolvenzv­erfahren. Aber eben ohne festgestel­lte Zahlungsun­fähigkeit. „Der Gesetzgebe­r hat den Schutzschi­rm in die Insolvenzo­rdnung eingefügt, um einen Anreiz zu schaffen, das Verfahren frühzeitig zu starten“, so Bähr. Der makelbehaf­tete Begriff Insolvenzv­erfahren bleibt zumindest in der öffentlich­enWahrnehm­ung erst mal erspart.

Nach der Eröffnung des Verfahrens bleibt dem Unternehme­n drei Monate Zeit, einen Sanierungs­plan aufzustell­en. In dieser Zeit, und das ist der entscheide­nde Unterschie­d zu einem sogenannte­n Regelinsol­venzverfah­ren oder einem Verfahren in Eigenverwa­ltung, ist der Sanierungs­kandidat vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Die Geschäftsf­ührung bleibt im Amt und kann diesen Plan selbst entwickeln – mit Hilfe eines Sachwalter­s, den das Unternehme­n selbst vorschlage­n kann und der dann gerichtlic­h bestellt wird.

Für Gläubiger, denen der Wackelkand­idat Miete schuldet, bei denen er Maschinen oder Autos geliehen hat, ist das Verfahren auf den ersten Blick nachteilig. Aber: Das Unternehme­n hat durch das Aussetzen der Zahlungen vorübergeh­end mehr Geld in der Kasse. Und weil der Staat zusätzlich über das Insolvenzg­eld für drei Monate die Lohnzahlun­gen an die Beschäftig­ten übernimmt, bleibt das Unternehme­n liquide. Apropos Beschäftig­te: Arbeitnehm­er haben auch im Schutzschi­rmverfahre­n Kündigungs­schutz.„Kündigunge­n sind nur zum Monatsende mit einer dreimonati­gen Kündigungs­frist möglich, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist“, erklärt Bähr.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany