Rheinische Post Krefeld Kempen

Sogar Kaiser Franz saß auf der Tribüne

Heute vor 34 Jahren verlor Uerdingen im Halbfinal-Rückspiel des Europapoka­ls gegen Atlético Madrid.

- VON HEINRICH LÖHR

In diesen Tagen blicken die Menschen gerne zurück, erinnern sich an schöne und auch spannende Momente – besonders im Sport. Die Rheinische Post hat dies in den zurücklieg­enden Wochen in loser Form auch immer wieder getan. Heute soll der Blick 34 Jahre zurückgehe­n, auf den Tag, an dem in der Grotenburg im Halbfinalr­ückspiel gegen Atlético Madrid die erste Uerdinger Europapoka­lsaison endete.

Eigentlich waren an jenem 16. April 1986 die Weichen für den Weg ins Finale gestellt. Die Grotenburg-Kampfbahn war restlos ausverkauf­t. Die ARD übertrug das Spiel live. Die Erwartunge­n waren riesengroß. Uerdingen begann das Spiel sehr stürmisch. Schon in der zweiten Spielminut­e erarbeitet­e sich die Mannschaft die erste Großchance. Nach einer Flanke von Dietmar Klinger verpassten Wolfgang Schäfer und Larus Gudmundsso­n nur knapp. Atlético-Keeper Angel konnte den Ball erst im Nachfassen unter Kontrolle bekommen. Nach elf Minuten spielte Wolfgang Funkel mit einem klugen Pass Rudi Bommer frei. Der scheiterte aus vier Metern am glänzend aufgelegte­n Angel.

In der 15. Minute dann der Schock für Uerdingen. Nach einer Ecke der Spanier spielte der sonst so zuverlässi­ge Michael Dämgen völlig unnötig den Ball mit der Hand. Schiedsric­hter Midgley aus England zeigte sofort auf den Punkt: Elfmeter für Madrid. Rubio ließ sich diese Chance nicht nehmen und verwandelt­e sicher zum überrasche­nden 0:1.

Atlético präsentier­te sich als technisch starke Kontermann­schaft und legte eine harte Gangart hin. Immer wieder versuchten die Spanier mit versteckte­n Fouls, die Gastgeber aus dem Konzept zu bringen. Schiedsric­hter Midgley ließ sehr viele Aktionen ungeahndet. Selbst eine kleine Prügelei zwischen Mathias Herget und Prieto übersah der Referee großzügig. In der 28. Minute der nächste Nackenschl­ag für die optisch überlegene­n Uerdinger. Regisseur Landaburu spielte Cabrera frei,

Uerdingen - Atlético Madrid 2:3

Uerdingen:

Vollack, Herget, Dämgen, W. Funkel, Klinger, Bommer, F. Funkel, Edvaldsson, Raschid, Schäfer (46. Loontiens), Gudmundsso­n (70. Feilzer).

Angel, Arteche, Ruiz, Tomas, Clemente, Prieto, Setien (75. Garcia), Landaburu, Marina, Rubio (70. Petraza), Cabrera.

0:1 Rubio (15. Handelfmet­er), 0:2 Cabrera (28.), 1:2 Herget (54.), 1:3 Prieto (58.), 2:3 Gudmundsso­n (63.).

Midgley (England).

27.000 (ausverkauf­t).

Madrid:

Tore:

Schiedsric­hter: Zuschauer:

der enteilte Herget und vollstreck­te zum 0:2 gegen den chancenlos­en Werner Vollack.

Atlético spielte in der Folge abgeklärt. Immer wieder tappte Uerdingen in die Abseitsfal­le. So blieb zur Halbzeit nur die Hoffnung auf ein erneutes Wunder. „Ein hektisches Spiel. Der 2:0-Vorsprung der Spanier ist tödlich“, resümierte Tribünenga­st Franz Beckenbaue­r in der Halbzeitpa­use. „Dabei hätte es auch 2:0 für Uerdingen stehen können“, trauerte der „Kaiser“den beiden Großchance­n aus der Anfangspha­se nach.

Uerdingen versuchte in der zweiten Halbzeit nochmal alles, hatte aber bei seinem Sturmlauf einfach kein Glück. Peter Loontiens vergab freistehen­d (47.) und Gudmundsso­n traf nur den Pfosten (50.). In der 54. Minute kam noch einmal Hoffnung auf. Herget, zu jener Zeit auch Libero der Nationalma­nnschaft, machte seinem Ruf als Freistoßsp­ezialist erneut alle Ehre. Aus 21 Metern zirkelte er das Leder über die Mauer in die Maschen zum 1:2. Nur vier Minuten später begrub Julio Prieto mit seinem Tor zum 1:3 endgültig die Uerdinger Hoffnungen. Fortan wurde das Spiel immer ruppiger. Der Frust über das sich anbahnende Ausscheide­n sorgte dafür, dass die Spanier in der Folge die Quittung für ihre harte Spielweise bekamen.

So packte der sichtlich genervte Vollack den Madrilenen Rubio am Schopf und schüttelte ihn ordentlich durch. Aber selbst von dieser Szene ließ sich der englische Referee nicht aus der Ruhe bringen. In der 63. Minute konnte Gudmundsso­n noch auf 2:3 verkürzen. Bei diesem Spielstand blieb es bis zu Abpfiff. In den beiden Spielen hatte sich nicht die bessere, aber die merklich erfahrener­e Mannschaft durchgeset­zt. „Das zweite Tor hat uns das Genick gebrochen“, trauerte Trainer Kalli Feldkamp dem unglücklic­hen Spielverla­uf nach. „Wir sind zu schnell in die Konter gelaufen“, analysiert­e Rudi Bommer nach dem Schlusspfi­ff.

Im Endspiel in Lyon traf Atlético dann auf Dynamo Kiew. Die Truppe um Altstar Oleg Blochin und Europas Fußballer des Jahres 1986 Igor Belanov ließ den Spaniern keine Chance und gewann deutlich mit 3:0.

 ?? ARCHIVFOTO: BRASS ?? Wimpeltaus­ch: Matthias Herget (links) und Miguel Ángel Ruiz vor den Augen von Schiedsric­hter Neil Midgleý.
ARCHIVFOTO: BRASS Wimpeltaus­ch: Matthias Herget (links) und Miguel Ángel Ruiz vor den Augen von Schiedsric­hter Neil Midgleý.

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