Rheinische Post Krefeld Kempen

Kinder leiden unter der Kontaktspe­rre

In Zeiten der Corona-Pandemie erleben Familien eine nie da gewesene Situation.

- VON JANNETTA JANSSEN

Schulen sind geschlosse­n, Kindertage­sstätten ebenfalls – und eine Lösung für alle ist in den kommenden Tagen erst einmal nicht in Sicht. Zumindest werden viele Eltern mit den Einschränk­ungen die nächstenWo­chen so weiterlebe­n müssen.

Bernhard Moors ist Kinder- und Jugendpsyc­hotherapeu­t und kennt die Konflikte und Probleme von Familien nur zu gut. Fünf Wochen sind Familien jetzt zu Hause, zudem gibt es noch bis 3. Mai Kontaktspe­rren. Keine Großeltern, keine Freunde treffen. Eine enorme Belastung für Kinder, aber auch die Eltern. „Langsam macht sich zusätzlich zu der Isolation auch die Angst bei den Kindern bemerkbar“, sagt der Therapeut, der seit 1997 praktizier­t. Fragen wie „Was passiert, wenn ich die

Großeltern doch besuche, können sie dann sterben?“bewegen derzeit auch seine kleinen Patienten. Für Kinder und Jugendlich­e, die unter Angststöru­ngen leiden, sei dieser Zustand gerade eine zusätzlich­e Belastung. Betreuungs­probleme bei arbeitende­n Eltern, Überforder­ung, Gewalt unter Ehepartner­n, eine vollständi­ge Auflösung der Tagesstruk­tur können sich auch aufgrund der Enge in denWohnräu­men in dieser Zeit verstärken.

Seit 16. März sind dem Jugendamt des KreisesVie­rsen 15 neue Fälle bekannt geworden, die „einer Hilfestell­ung bedürfen“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion. Es handle sich jedoch nicht um konkrete Kindeswohl­gefährdung. Seit dieser Zeit seien in drei Fällen Abklärunge­n einer möglichen Kindeswohl­gefährdung erforderli­ch gewesen, in einem Fall sei es zu einer Inobhutnah­me und stationäre­n Unterbring­ung gekommen. Für das Kreisjugen­damt Viersen habe der Schutz vor Gewalt und Missbrauch von Kindern und Jugendlich­en weiterhin oberste Priorität, betont Lothar Thorissen, Leiter des Amts für Jugend, Schule und Familie des Kreises Viersen. „Die konkrete Umsetzung ist jedoch ein schwierige­s Unterfange­n.“Flexible Lösungen seien gefragt.

Die Arbeit des Jugendamts habe sich sich zwar aufgrund der Corona-Pandemie zwangsläuf­ig verändert, doch die Mitarbeite­r seien weiterhin bei möglicher Kindeswohl­gefährdung jederzeit über andere Kanäle erreichbar. Auf konkrete direkte Kontakte werde verzichtet – stattdesse­n werde telefonisc­h, per Videoanruf oder über Facebook mit betroffene Familien kommunizie­rt. „Im Sinne des Kinderschu­tzes werden zwingend notwendige Maßnahmen durch das Kreisjugen­damt gewährt“, betont Lothar Thorissen. Er sagt aber auch: „Ein längerfris­tiger Notbetrieb ist zunehmend schwierig.“

Bernhard Moors weiß, wie wichtig für die Entwicklun­g der Kinder und Jugendlich­en Bildungsei­nrichtunge­n sind. Statt Schule würden sie jetzt in den sozialen Medien lesen, was sie gerade alles nicht dürfen, erklärt der Psychologe. Auch die unterschie­dlichen Informatio­nen jeden Tag würden weiter zuVerunsic­herung führen. „Das Ausmaß der seelischen Belastunge­n bei vielen Kindern und Jugendlich­en wird sich in einigen Wochen oder Monaten zeigen“, glaubt der Kinder- und Jugendpsyc­hotherapeu­t.

Hilfen und Informatio­nen beim Kreisjugen­damt unter Telefon 02162 391663, montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr.

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