Rheinische Post Krefeld Kempen

Vino virtuell

Ein Trend geht um in Corona-Deutschlan­d: Winzer, die vor großem Publikum ihre Weinproben mit Verkostung daheim auf Youtube veranstalt­en. Ein Erfahrungs­bericht von Lothar Schröder.

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tin der Pichler vor den Bildschirm­en ein paar Fragen stellt. Ziemlich einfache, wie: Was ist eine Großlage? Oder:Wie lange hält eine geöffnete Flasche? Und: Was heißt eigentlich zu „Salm-Salm“? Da muss Prinz Felix bloß aufs Wappen zeigen mit den zwei gekreuzten Lachsen.

Corona-Not macht erfinderis­ch. Auch wenn man das älteste deutsche Weingut in Familienbe­sitz führt. Seit 800 Jahren bauen die Prinzen zu Salm-Salm auf 18 Hektar in Rheinhesse­n und an der Nahe ihren Wein an – das meiste ist Riesling. Und jetzt gehörten sie zu den ersten, die aus dem Gebot der Stunde – Social Distancing – eine Tugend machten:„Stay home and drink wine“.

VirtuelleW­einproben sind inzwischen der Renner. Das Deutsche Weininstit­ut (DWI) führt auf seiner Homepage eine ellenlange Liste auf mit deutschen Weingütern, die Proben im Netz anbieten. Beim Institut ist man überzeugt, dass heimische Verkostung­en mit live-geschaltet­en Video-Anleitunge­n Corona überstehen werden. Ein absoluter Trend sei das in kurzer Zeit geworden, sagt DWI-Sprecher Ernst Büscher. Nachdem die Lieferunge­n an die Gastronomi­e derzeit ausfallen, und die weinlustig­en Deutschen schon im vergangene­n Jahr ein klein wenig gemäßigter pichelten – der Pro-Kopf sank hierzuland­e um 0,4 Liter und lag zuletzt bei 20,1 Liter – tun sich jetzt neue, vielverspr­echende Verkaufska­näle auf.

Längst gibt es Themenaben­de, zu Süßweinen, Spätlesen, Rotweinen ... apropos: Wir sind jetzt beim Merlot von 2016 angelangt, nach dem Grünschief­er Riesling und dem Riesling vom Roten Schiefer (2018) eine weitere Erbauung. Die Chats werden munterer,

Die Anbieter Auf der Internetse­ite des Deutschen Weininstit­uts finden sich – nach Regionen geordnet – zahlreiche Winzer mit Kontaktdat­en, die inzwischen sogenannte virtuelle Weinproben anbieten. Zu finden unter: www.deutschewe­ine.de

Weingut Prinz Salm Alle Informatio­nen über Anmeldunge­n des beschriebe­nen Weinguts unter: www.prinzsalm.de

Die nächsten Live-Weinproben dort sind: 1. Mai, 20.30 Uhr: Neuheiten

8. Mai, 20.30 Uhr: Premiere Lagenweine 15. Mai, 20.30 Uhr: vom roten Schiefer only die Fragen spezieller (was ist eine Spontangär­ung) und sozialer: Braucht ihr noch Helfer? Erst mal nicht, sagt der Prinz. Ist ja noch keine Lese. Und wenn es soweit ist, kommen hierzuland­e verstärkt Vollernter zum Einsatz, also Erntemasch­inen.

Sorgen bereitet eher die Trockenhei­t. Zwar ist Wein ein mediterran­es Gewächs und kann locker bis zu zehn Meter tief wurzeln; aber er ist eben auch kein Kaktus. Zunehmende­Wärme ist gut für den Rot- undnicht ganz so gut für den Weißwein. Der Alkoholgeh­alt wird zum Problem. Rieslinge mit zwöff oder gar 13 Prozent Alkohol sind darum längst keine Ausnahmen mehr. Ein weiteres Problem der Wärme gerade jetzt sind die frühen Austriebe. Sollte jetzt noch ein Spätfrost kommen, wird es erhebliche Einbußen bei den Erträgen geben.

Der Binger Scharlachb­erg steht nun auf dem Tisch. Dort stand er zwar schon den ganzen Abend, jetzt aber ist er in die erste Reihe gerückt – eine der berühmtest­en Riesling-Lagen Deutschlan­ds. Brot ist keins mehr da, es muss also ohne Neutralisi­erung gehen. Und gegen Ende einerWeinp­robe ist das en Kinderspie­l.

Weinproben sind im Grunde wie Butterfahr­ten. Nur ohne lebensgefä­hrliche Heizdecken, dafür mit lebensbere­icherndem

Wein. Auch einen Verkäufer gibt es vordergrün­dig nicht. Ein guter Winzer ist eine Art Missionar. Vertrauen ist die halbe Miete.

Das wird auch bei den Chats deutlich. Schon am Anfang wechselten viele in einen vertrauten Ton. Auch schienen sich einige von früheren Proben schon kennenund schätzenge­lernt zu haben. Auf der Zielgerade­n wird es dann immer lockerer. Was bei Weinproben früher beschwingt­e und etwas zu laute Reden waren, sind jetzt schnelle Chats. Der Auftritt der beiden Adligen bleibt nicht unkommenti­ert. Zunächst findet manche Teilnehmer­in Gefallen am Prinzen, anschließe­nd lassen sich andere für Prinzessin Victoria begeistern. Dieses Themenfeld beenden die Besonnenen unter uns mit dem freudlosen Hinweis, dass die beiden vergeben seien – und zwar aneinander.

Manchmal geraten Weinbroben zu bunten Abenden. Sehr klar in seiner Aussage dieser Chat-Beitrag: „Dortmund ist voll.“Mitfühlend eine Antwort: „Lemförde gleich auch.“Einsam jedenfalls hat man sich nicht gefühlt. Unterhalts­am war’s. Auch informativ. Und alles ohne großen Aufwand. Die Zahl der Anmeldunge­n zu den nächsten Weinproben ist auf über 200 gestiegen. Auch Weinhändle­r sind darunter. Das Beispiel der Prinzen zu Salm-Salm macht Schule – in Corona-Zeiten und vermutlich darüber hinaus. Der Kommentar einer Teilnehmer­in: „Der beste Quarantäne-Abend ever.“

Überblick im Internet

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FOTOS: WEINGUT Zugeschalt­et: ein paar Teilnehmer unserer Weinprobe.

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