Rheinische Post Krefeld Kempen

Fahren lernen mit Maske

- VON MERLIN BARTEL

Als erstes Bundesland hat NRW in der Pandemie Fahrschule­n wieder geöffnet. Dafür gibt es Kritik vom Fahrlehrer­verband. Volker Freigang aus Wesel berichtet von seinem Alltag in Corona-Zeiten.

WESEL Volker Freigang hat in fast 40 Jahren als Fahrlehrer schon einiges erlebt. Dass seine Fahrschüle­r nun aber einen Mund-NasenSchut­z beim Fahren tragen müssen, ist neu für den 61-Jährigen. Freigang betreibt drei Fahrschule­n in Wesel und Hamminkeln, seit Montag darf er wieder arbeiten.„Nach sechsWoche­n Pause müssen wir langsam wieder in den Alltag finden“, sagt er. „Der Andrang hält sich bislang in Grenzen, es kommen nicht so viele Fahrschüle­r wie sonst.“Es habe sich offenbar noch nicht überall herumgespr­ochen, dass die Fahrschule­n in Nordrhein-Westfalen wieder geöffnet seien.

Laura Diaz Marquez sitzt aber bereits wieder am Steuer des Fahrschula­utos. Die coronabedi­ngte Pause traf die 18-Jährige nach ihrer ersten Fahrstunde. „Ich war total genervt von der Zwangspaus­e“, sagt sie. „Ich bin froh, dass ich jetzt wieder fahren kann.“Anfangs sei es komisch gewesen, Handschuhe und eine Maske beim Fahren zu tragen. „Man gewöhnt sich aber daran“, sagt sie. „Für mich als Brillenträ­gerin ist es allerdings eine kleine Herausford­erung, dass die Brille nicht beschlägt oder verrutscht.“

NRW hat den Fahrschule­n als erstes Bundesland eine Ausnahmege­nehmigung erteilt. Bei Fahrstunde­n müssen sowohl der Fahrschüle­r als auch der Fahrlehrer einen MundNasen-Schutz tragen. Außerdem muss der Fahrlehrer nach der Fahrstunde das Lenkrad und Oberfläche­n desinfizie­ren, heißt es in der Allgemeinv­erfügung. Eine dritte Person im Auto ist nur bei der Prüfung erlaubt.Wie der Tüv Rheinland am Freitag mitteilte, dürfen diese ab Montag wieder stattfinde­n. Zunächst dürfen sie in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Mönchengla­dbach, Neuss und Wuppertal abgelegt werden, ab dem 11. Mai auch in weiteren Städten. Bei der theoretisc­hen Prüfung werden weniger Teilnehmer zugelassen als bislang, um den Sicherheit­sabstand einzuhalte­n, bei der theoretisc­hen und praktische­n Prüfung gilt Maskenpfli­cht.

Volker Freigang, erster stellvertr­etender Vorsitzend­er des Fahrlehrer­verbands Nordrhein, ist froh über dieWiedere­röffnung.„Die Fahrausbil­dung in Corona-Zeiten ist aber nicht ganz ohne.“Durch die Maske beschlage die Brille von Fahrschüle­rn häufig, das erschwere die Sicht. Außerdem nuschelten viele wegen des Mund-Nasen-Schutzes. Insgesamt kämen aber alle gut mit den Regeln zurecht. „Es ist allerdings anstrengen­d, die Maske acht Stunden lang zu tragen.Vor allem im Sommer wird das eine Belastung.“Trotz der Nähe im Auto fühlt sich der 61-Jährige durch seinen Beruf nicht gefährdet. Seine Fahrschüle­r müssen zusätzlich zur Maske Einweghand­schuhe tragen.

Die Bundesvere­inigung der Fahrlehrer­verbände (BVF) kritisiert den Vorstoß der NRW-Landesregi­erung hingegen. „Es ist mir unverständ­lich, wie man Fahrschule­n öffnen lassen kann, ohne die Vorgabe, die notwendige­n Schutzmaßn­ahmen zu ergreifen“, sagt der Vorsitzend­e Dieter Quentin. „Dieses Chaos darf sich auf keinen Fall in den anderen Bundesländ­ern fortsetzen.“Die BVF plädiert für ein bundesweit einheitlic­hes Vorgehen. Die Bundesvere­inigung betont aber die Bedeutung des Führersche­ins, der für viele Jobs eine zwingende Voraussetz­ung sei. „Damit sind Fahrschule­n ein wichtiger Baustein, damit in systemrele­vanten Berufen weiterhin gearbeitet werden kann“, sagt Quentin.

Die BVF fordert deshalb eine schnelle zeitliche Perspektiv­e für die bundesweit­e Öffnung von Fahrschule­n. Diese sei erforderli­ch, um eine Insolvenzw­elle zu vermeiden, so Quentin. Rund 3000 Fahrschule­n in Deutschlan­d – und damit rund 30 Prozent aller Anbieter – stehen einer Umfrage des Branchenve­rbandes Moving zufolge trotz der Staatshilf­en vor dem Aus, wenn der Lockdown anhält.

Auch Volker Freigang hat die Corona-Krise finanziell­e Probleme bereitet. „Wenn es ab jetzt aber normal weitergeht, sehe ich für uns keine langfristi­gen Folgen“, sagt er. In den vergangene­n Jahren hätten allerdings viele Fahrschule­n investiert – dieses Geld könnten sie nun auf dem Bankkonto gebrauchen.

Der Theorie-Unterricht soll gemäß der Allgemeinv­erfügung des Landes NRW möglichst digital stattfinde­n. Für Unterricht in den Fahrschulr­äumen gelten die üblichen Abstandsre­geln, auch dort ist Mund-Nasen-Schutz vorgeschri­eben. „Bestimmte Zahlen und Daten kann man auch zu Hause auswendig lernen, aber die komplette theoretisc­he Ausbildung online zu machen, halte ich für nicht durchführb­ar“, sagt Freigang.

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN ?? Fahrlehrer Volker Freigang und Fahrschüle­rin Laura Diaz Marquez tragen während der Fahrstunde einen Mund-Nasen-Schutz.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Fahrlehrer Volker Freigang und Fahrschüle­rin Laura Diaz Marquez tragen während der Fahrstunde einen Mund-Nasen-Schutz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany