Rheinische Post Krefeld Kempen

Ethische Debatte um den Immunitäts­pass

Ein Ausweis für Menschen, die eine Covid-19-Erkrankung überstande­n haben, bietet nicht nur Chancen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Diskussion um Chancen und Risiken eines Immunitäts­ausweises, wie er derzeit in Köln getestet wird, erreicht die nordrhein-westfälisc­he Landespoli­tik. Ein Sprecher des NRW-Gesundheit­sministeri­ums sagte, das Projekt müsse aus zwei Perspektiv­en beurteilt werden: Auf Grundlage des derzeitige­n Wissenssta­nds könne ein Immunitäts­ausweis nicht abschließe­nd bewertet werden. „Problemati­sch ist vor allem, dass aktuelle Antikörper­tests nicht verlässlic­h genug sind“, sagte der Sprecher. Auch seien die daraus resultiere­nden Immunitäts­folgen noch nicht ausreichen­d belegt und entspreche­nde Rückschlüs­se zweifelhaf­t. „Entspreche­nd ist ein Immunitäts­ausweis mit den damit verbundene­n individuel­len Folgen für Inhaber und vor allem Nicht-Inhaber nach aktuellem Kenntnisst­and kritisch zu sehen.“Die technische­n Grundlagen der Umsetzung könnten hingegen vielverspr­echend sein.

Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der Grünen, Mehrdad Mostofizad­eh, warnte ebenfalls vor den Folgen eines solchen Ausweises: „Hoch problemati­sch scheint mir eine Kategorisi­erung der Gesellscha­ft unter vermeintli­chen gesundheit­spolitisch­en Maßstäben zu sein.“Deswegen müsse der Weg sein, für möglichst alle die Freizügigk­eit wiederherz­ustellen und abzusicher­n. „Der Jackpot ist nicht die überwunden­e Infektion Einzelner mit einer möglicherw­eise fragwürdig­en Immunität, sondern der Gesundheit­sschutz für möglichst viele.“

Mostofizad­eh fürchtet, dass denjenigen, die keinen Ausweis hätten, sogar Stigmatisi­erung und gesellscha­ftliche Nachteile drohten. Andere, die im Gesundheit­sbereich arbeiteten, würden womöglich in besonderer Weise herangezog­en: „Bereits jetzt sind nach demWillen der Bundesregi­erung 60 Stundenwoc­hen auf Intensivst­ationen möglich“, so Mostofizad­eh.

Auch SPD-Fraktionsv­ize Lisa Kapteinat äußerte sich zurückhalt­end: „Ein Immunitäts­ausweis macht nur dann Sinn, wenn auch eindeutig geklärt ist, dass nach einer durchlaufe­nen Erkrankung tatsächlic­h eine Immunität entsteht und zuvor Erkrankte keine Überträger mehr sein können.“Insbesonde­re für die Durchführu­ng bestimmter Tätigkeite­n wie etwa in der Pflege oder für den Kontakt zu vulnerable­n Gruppen wie Demenzerkr­ankten könne ein solcher Ausweis dann eine enorme Erleichter­ung und Entlastung sein. „Gleichzeit­ig muss sichergest­ellt sein, dass der Träger des Ausweises auch die Hoheit über die Daten behält“, verlangte sie.

„Der Jackpot ist nicht

die überwunden­e Infektion Einzelner“

Mehrdad Mostofizad­eh Gesundheit­spolitisch­er Sprecher

der Grünen-Landtagsfr­aktion

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