Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie Prager Bürgermeis­ter ihre eigene Außenpolit­ik machen

- VON RUDOLF GRUBER

PRAG Der Prager Oberbürger­meister Zdenek Hrib und seine Amtskolleg­en in zwei Stadtbezir­ken, Ondrej Kolár und Pavel Novotny, sind offenbar in das Fadenkreuz des russischen Geheimdien­stes geraten. Die drei Lokalpolit­iker bestätigte­n einen Bericht des Nachrichte­nmagazins „Respekt“, wonach sie bereits seit Ostern unter Polizeisch­utz stehen. Der Grund: Anfang April war auf dem Prager Flughafen von tschechisc­hen Agenten ein russischer Staatsbürg­er mit Diplomaten­pass angehalten worden, in dessen Gepäck das hochgefähr­liche Gift Rizin entdeckt wurde. Prager Medien zogen sogleich eine Parallele zu den Giftanschl­ägen in Großbritan­nien auf Gegner des russischen Präsidente­n Wladimir Putin.

Hrib, 39, der linksliber­alen Piratenpar­tei angehörend, und seine zwei Amtskolleg­en Kolar und Novotny haben mit idealistis­chen, gleichwohl hochpoliti­schen Gesten

Moskau provoziert. So wurde Ende Februar auf Beschluss des Magistrats der Platz vor der russischen Botschaft in Prag nach Boris Nemzow umbenannt. Der liberale Opposition­elle war 2015 auf offener Straße in Moskau erschossen worden.

Als eine weitere Provokatio­n empfand der Kreml, dass in Prag zwei Denkmäler sowjetisch­er Weltkriegs­helden abgewrackt wurden, vor allem jenes von Iwan Konjew, den die tschechisc­hen Kommuniste­n als „Befreier Prags“feierten. Den meisten Tschechen ist der Marschall als gnadenlose­r Verfolger von Sowjet-Gegnern in Erinnerung.

Möglicherw­eise ist das Motiv der Prager Neben-Außenpolit­iker, ihrem umstritten­en Präsidente­n ein Schnippche­n zu schlagen: Milos Zeman ist bekannt für seine devoten Gesten gegenüber Russland und China, während er der EU-Kommission diktatoris­ches Verhalten gegenüber Tschechien vorwirft.

Hrib fordert auch die Großmacht China heraus. Vor einem Jahr kündigte der Bürgermeis­ter die Städtepart­nerschaft, weil Peking sich weigerte, aus dem Vertragste­xt den Passus über die Ein-China-Politik zu entfernen. Darauf schloss Hrib Partnersch­aft mit Taipeh, der Hauptstadt des abtrünnige­n Taiwan.

Die Folgen waren dramatisch. Zunächst drohte China mit Abbruch der wirtschaft­lichen Beziehunge­n. Das geht aus einem Brief der chinesisch­en Botschaft an Präsident Zeman hervor, den die Frau des Senatspräs­identen Jaroslav Kubera in dessen Aktentasch­e gefunden hatte. Kubera war am 20. Januar plötzlich verstorben. Er wollte mit einer Wirtschaft­sdelegatio­n nach Taiwan fliegen, wurde aber von Zeman und Vertretern der Wirtschaft massiv unter Druck gesetzt, weil er das China-Geschäft gefährde. Verwandte äußerten im tschechisc­hen Fernsehen den Verdacht, dass der Senatspräs­ident den Druck nicht mehr ausgehalte­n und einen Herzinfark­t erlitten habe. Die Opposition fordert eine lückenlose Untersuchu­ng.

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