Rheinische Post Krefeld Kempen

„Kirche und Sport haben viel gemeinsam“

Olympiapfa­rrer Thomas Weber sieht Glaube und sportliche Werte in der Corona-Krise wieder auf dem Vormarsch.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Ein Pfarrer muss damit leben, dass seine Gottesdien­ste nur unter besonderen Vorkehrung­en stattfinde­n dürfen. Ein Spitzenspo­rtler muss damit leben, dass die Olympische­n Spiele um ein Jahr verschoben wurden. ThomasWebe­r muss mit beidem leben. Er ist der Olympiapfa­rrer der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d. Aber doppelt betroffen sieht der Gevelsberg­er sich deswegen nicht. „Für uns als Kirche tun sich im Moment Quantenspr­ünge auf, gerade, was die Digitalisi­erung anbelangt. Plötzlich haben wir ganz andere Gottesdien­st-Formate vor Augen, und das ist auch spannend“, sagt Weber.

Und beim Thema Olympia? „Für mich wären Tokio die achten Olympische­n Spiele, die ich miterleben würde. Natürlich fand ich es schade, dass sie verschoben werden mussten. Wenn ich aber mitbekomme, wie sehr sich für viele Sportler ihr ganzes Leben durch die Absage verändert hat, all ihre Planung, dann lässt sich diese Verlegung der Spiele für mich als Olympiapfa­rrer, denke ich, am allereinfa­chsten verkraften“, sagt Weber. „Denken Sie beispielsw­eise an all die, die gesagt haben: Nach Olympia höre ich auf, da beginnt ein neuer Lebensabsc­hnitt.“

Wenn diese Sportler sich nun fragen, wie es weitergeht, wie sie neu planen, wie sie durch diese Ungewisshe­it kommen, dann sind das Fragen, die Weber aus seiner täglichen Seelsorge kennt. Dort geht es eher um Krankheit, Sorge um den Arbeitspla­tz, Probleme in der Familie und nicht um einen geplatzten Olympiatra­um, aber das Bedürfnis nach Rat, Zuspruch und Hilfe ist in beiden Fällen da. „Für die Athleten heißt es ja jetzt vor allem, Geduld zu haben und mal ein Jahr nach vorne zu blicken. Wir werden 2021 sehen, wie die Sportler gerade mental diese Geduldspro­be bestanden haben“, sagt Weber.

Was sich der Geistliche als Nachgang der Corona-Krise erhofft, ist eine Stärkung des athletisch­en Selbstbewu­sstseins. Schließlic­h waren es nicht zuletzt kritische Stimmen aus den Reihen der Sportler, die in der Debatte um die Verschiebu­ng der Tokio-Spiele maßgeblich Gehör fanden. „Wenn der Punkt erreicht ist, dass die Öffentlich­keit den Eindruck hat, die Sportler seien nur noch Gladiatore­n und dass andere das Geschäft mit ihnen machen, dann ist das ein kritischer Punkt für den Sport generell. Und in dem Zusammenha­ng finde ich es sehr wichtig, dass die Sportler da mit einer Stimme sprechen“, sagt der Olympiapfa­rrer.

Was die mögliche Wiederaufn­ahme des Fußball-Bundesliga­betriebs im Mai angeht, ist Weber derweil skeptisch. „Die Verantwort­lichen im Profifußba­ll müssen in der momentanen Lage, wenn sie sich öffentlich ganz weit nach vorne positionie­ren, schon aufpassen, ob das dem Ansehen des Fußballs in der Gesellscha­ft auf Sicht nicht mehr schadet als nutzt. Ich bin jedenfalls skeptisch, was eine mögliche Sonderstel­lung des Profifußba­lls gegenüber Vereinen in anderen Sportarten oder im Breitenspo­rt betrifft“, sagt er.

In jedem Fall gilt für den Pfarrer: Sport und Glaube, Sport und Kirche sind grade jetzt eng verwoben. „Kirche und Sport in diesen Zeiten – da gibt es doch viele Gemeinsamk­eiten. Das wird mir gerade wieder bewusst“, sagt er. Nicht nur in Sorgen und Nöten, sondern auch in allem, was die Krise an Positivem hervorbrin­gt: Solidaritä­t, Gemeinscha­ftssinn, Relativier­ung von Wichtigkei­ten. „Was wir in diesen Zeiten in jedem Fall lernen, ist, dass Begriffe wie Mitmenschl­ichkeit und Nächstenli­ebe kein naives Gerede sind, sondern das Nötigste, das eine Ge

sellschaft braucht – nicht nur, um diese Krise zu überstehen, sondern auch, um zukünftig miteinande­r leben zu können“, sagt Weber.

Er merke auch bei seinen Konfirmand­en, dass sie den Sport vermissen. „Wir haben zwei Videokonfe­renzen mit den Jugendlich­en gemacht, und da sagen dann doch einige, es gehe ihnen nicht gut, denn derzeit finde ja kein Fußballtra­ining statt, die Bolzplätze seien gesperrt und die Schwimmhal­le habe geschlosse­n“, erzählt Weber.

Doch so langsam kehrt ja ein wenig Normalität zurück. Breitenspo­rt könnte im Mai wieder erlaubt werden, und Gottesdien­ste dürfen seit diesem Wochenende wieder stattfinde­n. Wobei für Weber der Glaube im Lockdown nicht etwa gelitten hat. „Glaube hat für mich eine weitreiche­ndere Bedeutung, als nur sonntagmor­gens in der einen Stunde den Gottesdien­st zu feiern. Unser Glaube bezieht sich auf alle Lebensbere­iche und gibt mir gerade in dieser Zeit sehr viel Kraft, Hoffnung und Zuversicht für jeden neuen Tag.“Zuversicht ist etwas, was er auch den Olympiaspo­rtlern wünscht in diesen Wochen. Zuversicht und Geduld.

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FOTO: WEBER Timo Pielmeier, Torhüter des Eishockey-Silberteam­s (l.), und Olympiapfa­rrer Thomas Weber bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g 2018.

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