Rheinische Post Krefeld Kempen

Pandemien am Niederrhei­n

- VON OTMAR SPROTHEN

Der Krefelder Landeskund­ler Stefan Kronsbein hat eine beeindruck­ende Quellensam­mlung über Pandemien wie die Pest zusammenge­stellt. Die Medizin hatte kaum etwas entgegenzu­setzen. Einzige Maßnahme, die half: Quarantäne.

Wenn in Europa Seuchen wüteten, war der Niederrhei­n mit seinen Handelsweg­en nicht ausgenomme­n. Unwissenhe­it und mangelnde Hygiene forderten auch hier viele Opfer. Seit elf Jahren sammelt der Krefelder Landeskund­ler Stefan Kronsbein für den Zeitraum zwischen 1311 und 1850 Hinweise aus primären und sekundären Quellen, wie sich diese Epidemien im Leben der Menschen auswirkten. Aus aktuellem Anlass konnten wir Einsicht in Kronsbeins beeindruck­ende Quellensam­mlung nehmen. „Ein Abschluss ist noch nicht absehbar“, sagte Kronsbein, „so gesehen stellt die Datensamml­ung mit mehr als 600 Einzelbele­gen eine Momentaufn­ahme dar, die aber meiner Meinung nach das epidemiolo­gische Gesamtbild ziemlich genau widerspieg­elt“.

Wie schnell sich die Pest im 14. Jahrhunder­t ausbreiten konnte, belegen Quellen, nach denen die Seuche im Klever Land 1348/49 ein Drittel der Bevölkerun­g so schnell hinwegraff­te, dass die Leichen vielfach unbeerdigt blieben und die Bretter für den Bau von Särgen ausgingen. 1349 trat die Pest auch im Kempener und Gelderner Land auf, um danach immer wiederzuke­hren. Oft trat die Pest im Gefolge von kriegerisc­hen Handlungen auf, so etwa im Truchsessi­schen Krieg, von dem Graf Werner aus Krefeld 1584 kurz vor der Schlacht von Hüls berichtete, dass Tag für Tag Kriegsknec­hte an der Pest stürben.

Die Pestwellen in Xanten 1615 und 1636 ließen von 2400 Einwohnern nur 1200 übrig. Moers zählte damals in 150 Häusern etwa 1400 Einwohner. Allein vom Juli bis September 1623 starben 386 Kinder, 361 Erwachsene und 15 Soldaten – etwa 70 Prozent der Einwohner.

Die Ratten, deren Flöhe die Pest verbreitet­en, fanden in den Holzhäuser­n der Städte reichlich Unterschlu­pf. Dazu kamen mangelnde Hygiene und der Unrat, der die Straßen bedeckte. Fäkalien wurden häufig auf die Straße entsorgt. Hinter den Stadtmauer­n lebten Mensch und Vieh auf engem Raum zusammen. Es gab kein fließendes­Wasser, Brunnen lagen zu nah an den Abortgrube­n, wodurch das Brunnenwas­ser mit Keimen verseucht wurde. Menschen, die sich mit der Pest oder anderen Krankheite­n angesteckt hatten, stellte man unter Hausarrest oder entfernte sie aus der Stadt. In Rees zum Beispiel gab es außerhalb der Stadt mit dem Melatenhau­s eine Siechensta­tion für Aussätzige. Aussätzige mussten eine „Lazaruskla­pper“mit sich führen, damit sie für Gesunde von weitem vernehmbar waren.

Eindrucksv­oll waren Umhänge und Pestmasken der Ärzte, die Pestkranke behandelte­n. In den Schnäbeln dieser Masken waren wohlrieche­nde Kräuter eingelager­t, weil man annahm, die Krankheit würde durch den Geruch übertragen. Es gab Arzneibüch­er mit Rezepten gegen die mörderisch­e Krankheit, die mehr für die Geschäftst­üchtigkeit des Verfassers als für die Wirksamkei­t der Arzneien sprachen. Ein solches Mittel teilt „des Königs aus Ungarn Recept contra pestem“mit: „Tormentill, Tiptann, Enzian, Weiße Corallen, Terra Sigillata, iegliche 2 Loth. Davon gibt man auf einmahl in folgenden wasser oder gule: Wohlrieche­ndt Rosenwasse­r, burrazschw­asser, Ochsenzung­enwasser, Sauerampfe­r, von iedes 2 loth, misch

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