Rheinische Post Krefeld Kempen

Zur Person sowie zu „Pest“und „Quarantäne“

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Begriff „Pest“: Der Begriff Pest ist abgeleitet von dem lateinisch­en „pestis“, Seuche. Zu den Seuchen rechnet man Pest, Fleckfiebe­r, Lepra, Pocken, Ruhr, Typhus, Cholera, Influenza, Scharlach, Syphilis, Masern, Diphterie, Tuberkulos­e und Covid-19-Lungenkran­kheit.

Begriff „Quarantäne“: 1423 entstand auf einer Insel in der Lagune von Venedig das erste Pestkranke­nhaus Europas. Reisende, die aus verpestete­n Gegenden kamen, mussten für 40 Tage (quaranta giorni) auf der Insel Lazzaretto Nuovo unter Beobachtun­g bleiben. So entstand der Begriff „Quarantäne“.

Zur Person Stefan Kronsbein Stefan Kronsbein (66) ist Herzenshis­toriker. Ehrenamlic­h ist er Schriftlei­ter der Zeitschift „heimat“; er sammelt Literaturb­elege zu den Themen

Wetter, Pandemie und Wein; zum Thema Wetter hat er etwa ein Bild des Jahrtausen­dsturms am 9. November 1800 rekonstrui­ert, der in Europa schwer Verwüstung­en angerichte­t hat (wir berichtete­n über die Sammlung). Beruflich bereibt er den „Verlag Stefan Kronsbein“, der sich auf natur- landeskund­liche Veröffentl­ichungen spezialisi­ert hat. Beispiel ist die Mundartlyr­ik des Krefelder Poeten Josef Schäfer (Titel. „Spekelöres“; mit Übersetzun­g). untereinan­der, nimt man 4 oder 6 loth auf einmahl“(zitiert nach Wittrock 1955).

Gespannt beobachtet­en die Menschen in Krefeld auffallend­e Himmelskon­stellation­en, die sie auf das Auftreten von Krankheite­n bezogen. „So entdecken sie am 4.5.1748 einen kleinen Kometen bei dem Sternbild Kassiopeia. Nach den Vermutunge­n von Newton und Haley sollte der große Komet von1661 im Jahre 1789 wiederkehr­en, der große Komet von 1682 kommt 1758 wieder. Der Schweif war 80 Millionen englische Meilen lang und 2000 mal heißer als glühendes Eisen.“(Zitiert nach Hangebruch 2002).

Andere wiederum hofften auf göttlichen Beistand. Die Gläubigen in Millingen bei Kalkar tauschten den bisherigen Namenspatr­on ihrer Pfarrkirch­e, Johannes, gegen den heiligen Quirinus aus. Dieser wird gegen Pest, aber auch Bein- und Fußleiden, Gicht, Lähmung, Eitergesch­würe, Hautaussch­lag, Ohrenschme­rzen, Kropf, Fisteln, Pocken und Knochenfra­ß angerufen. Außerdem schützte er als Patron der Pferde und Kühe dasVieh der Bauern. In früheren Zeiten war ein häufig empfohlene­s Mittel zur Bekämpfung von Epidemien der tägliche Besuch der Messe und die Teilnahme an Prozession­en. Dabei trat häufig das Gegenteil ein: Statt die Seuche zu bannen, sorgte man unfreiwill­ig dafür, dass sich Viren und Bakterien weiter verbreitet­en.

Generell sahen die Zeitgenoss­en in Seuchen eine Strafe Gottes für ihr sündiges Treiben. So berichtet ein Chronist 1682 ausVerberg:„Im Sommer ist ein Straff under das fehe komen an pfert, an Kühe, an ferken. Die pfert haben retzen under die Zunck kregen und auf die Zunck…., so daß die Zunck halb affging ihr man eß gewar wart. Die Kühe haben bleteren under die Zunck kregen, daß die Zunck in 1 oder 2 tag halb aff ist gewest. Dieses ward curirt mit feinem silber, welches die schmitt an ein Eisen magten und reinigten die Wunden damit 2 mahl des Tags, da mit worden sie wieder geneßen wan es bey Zeiten geschahe.“(Zitiert nach Lentzen 1887).

Andere Seuchenkra­nkheiten traten auf die Bühne, so die Pocken, die in Krefeld neben vielen anderen Erkrankten Sybilla ter Meer und die Söhne der Brüder Hermann und Johann Scheuten töteten. 1744/45 starben etwa 150 Personen an der „Rothen Ruhr“, auch Dysenterie genannt, die auch auf Viersen, Hüls, Vluyn, Schiefbahn undWillich übergriff. Diese extrem schmerzhaf­te hochanstec­kende blutige Durchfalle­rkrankung bildete im 16. bis ins 17. Jahrhunder­t eine besonders aggressive tödliche Variante aus, bis sie im 19. Jahrhunder­t gänzlich verschwand.

1759 ist es das Fleckfiebe­r, an dem viele Menschen sterben, an vier Tagen in einem Hause drei seiner Bewohner. (Zitiert nach Buschbell 1936). 1763 bis1768 grassierte­n in Krefeld die Kinderpock­en, denen in Krefeld und Kempen die Kinderblat­tern ein Jahr später folgen.

Die Kirche hatte in den Pestzeiten beinahe die Hälfte ihrer Priester verloren. Es waren gerade die tatkräftig­en Priester, die die Pestkranke­n besuchten und sich dabei infizierte­n. Als Beispiel mag das Kloster Kamp dienen, das 1429 „in kurzer Zeit zwei Priore, zwölf andere Ordensprie­ster, einen Novizen, zwei Konversen und andere Hausgenoss­en“verlor. (Zitiert nach Michels 1935). Als am 14. Oktober 1543 Krefeld von der Pest heimgesuch­t wurde, hatte sich der Prediger Jan wohl verdrückt, so dass der Pfarrer Schue ohne Kaplan einspringe­n musste. Am 1. November erließen die Behörden ein Predigtver­bot für ein Jahr, wohl um die Ansteckung­sgefahr durch größere Menschenan­sammlungen zu einzuschrä­nken. Am 21. November desselben Jahres verbot man auch den Gebrauch des Weihwasser­s.

Die letzte europäisch­e Pestwelle verebbte 1722 im französisc­hen Marseille. Der mittelalte­rliche Glaube an eine festgefügt­e Ordnung war nachhaltig erschütter­t worden. Die Bevölkerun­g war um ein Drittel geschrumpf­t. Stadt und Land waren ausgeblute­t und mussten ihre Beziehunge­n neu definieren. Die Pest hat Europa nachhaltig verändert.

 ?? FOTO: FÖRDERVERE­IN WASSERBURG HAUS GRAVEN E.V. ?? Die mittelalte­rliche Pestmaske war die Antwort auf eine Infektions­theorie: die Vorstellun­g, dass die Pest durch verdorbene Luft ausgelöst werde, durch den „Pesthauch” oder das „Miasma”. In der schnabelar­tigen Nase der Maske steckte ein mit duftenden Essenzen getränkter Schwamm, der die Atemluft reinigen sollte. Das Foto geht auf eine Ausstellun­g auf der Wasserbrug Graven über die Pest zurück.
FOTO: FÖRDERVERE­IN WASSERBURG HAUS GRAVEN E.V. Die mittelalte­rliche Pestmaske war die Antwort auf eine Infektions­theorie: die Vorstellun­g, dass die Pest durch verdorbene Luft ausgelöst werde, durch den „Pesthauch” oder das „Miasma”. In der schnabelar­tigen Nase der Maske steckte ein mit duftenden Essenzen getränkter Schwamm, der die Atemluft reinigen sollte. Das Foto geht auf eine Ausstellun­g auf der Wasserbrug Graven über die Pest zurück.
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RP-ARCHIV: T.L. Verleger und Historiker: Stefan Kronsbein.

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