Rheinische Post Krefeld Kempen

Eltern nehmen KitaNotbet­reuung an

Mit der Ausweitung der Berechtigu­ngsliste steigen auch die Betreuungs­zahlen. Ein Besuch in der DRK-Kita Hoppetosse.

- VON EMILY SENF

VORST (wic) Was wäre der Heimatvere­in, wenn die Mitglieder plötzlich aufhören würden, Traditione­n zu pflegen? Für den Vorstand des Vorster Heimatvere­ins kommt das jedenfalls nicht infrage. „Seit 25 Jahren wird der Maibaum mit den Schildern der Vereine auf dem Markt aufgestell­t“, erklärt Heinz-Josef Köhler, während über ihm bunten Bänder des Kranzes flattern, der die Spitze des Maibaums ziert. Mithilfe des Dachdecker­meisters Klaus von Geffen, der seinen Kranwagen mitgebrach­t hatte, und unter Beobachtun­g des kommunalen Ordnungsdi­enstes hatten sich ein paar Tatkräftig­e am frühen Freitagmor­gen auf dem Markt getroffen, um in aller Stille den Maibaum aufzustell­en. „Das soll ein kleines Zeichen der Normalität in unnormalen Zeiten sein“, sagt Heinrich Stieger vom Vorstand. Gewöhnlich wird der Maibaum während des Schützenfe­stes gesetzt. Paraden ziehen vorbei, Musik wird gespielt, viele Schaulusti­ge finden sich ein.

„Das holen wir im September nach, wenn der Baum wieder abgebaut wird“, sagt Heinz-Josef Köhler.

Die Nachfrage nach Plätzen in der Notbetreuu­ng steigt. Ende vergangene­rWoche wurden in den Kindertage­seinrichtu­ngen, die in der Zuständigk­eit des Jugendamte­s des Kreises Viersen liegen, 222 Kinder betreut, 18 weitere in der Kindertage­spflege; in dieser Woche waren es 295 und 38 Kinder. Auch in der Kita Hoppetosse in St. Tönis kümmern sich die Mitarbeite­r um immer mehr Kinder. Am Donnerstag waren es noch vier, für kommenden Montag sind zehn Kinder angekündig­t, davon drei, deren Elternteil alleinerzi­ehend ist. „Tendenz steigend“, wie Einrichtun­gsleiterin Hülya Becker-Özkaya berichtet. Nicht alle Eltern, die die Notfallbet­reuung in Anspruch nehmen könnten, wollen allerdings.

In der Hoppetosse – eine von elf Kitas des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Kreis Viersen – sitzen die vier Kinder, die dort an diesem Vormittag betreut werden, am Tisch und essen. Ein Mädchen löffelt Reis, der Junge gegenüber schiebt sich ein Stück rote Paprika in den Mund.„Wir vermissen unsere Freunde“, sagt Elisa zwischen zwei Bissen. Die Fünfjährig­e und die anderen finden es gut, in die Kita gehen zu können, nur die anderen fehlen dabei eben doch. Auch Erzieherin Christine Heetfeld sagt: „Die Situation ist ungewohnt, es fühlt sich alles nicht richtig an.“Außer den vier Kindern und ihren zwei Erzieherin­nen darf an diesem Tag niemand anderes den Raum der „Langstrump­fgruppe“betreten. Der Besuch der Rheinische­n Post ist nur mit einer Ausnahmege­nehmigung des DRK und unter Einhaltung der geltenden Abstands- und Hygienereg­eln möglich. In der Corona-Krise gilt für Kitas ein Betretungs­verbot.

Auch die Eltern dürfen ihre Kinder nur bis zur Eingangstü­r bringen. Dort empfangen sie die Mitarbeite­r mit Mundschutz, ein kurzer Plausch auf Abstand ist möglich. Denn die Eltern müssen warten, während den Kindern Fieber gemessen wird. Liegt ihre Temperatur höher als 37,9 Grad, werden sie wieder nach Hause geschickt. Auch die Erzieher messen bei sich jeden Tag die Temperatur. Alles wird schriftlic­h festgehalt­en. Auf dem Schreibtis­ch von Kita-Leiterin Hülya Becker-Özkaya türmen sich die Unterlagen. „Manchmal fühle ich mich nach einer der täglichen Telefonkon­ferenzen wie nach einem ganzen Arbeitstag“, sagt sie. Auch wenn deutlich weniger Kinder als sonst da sind, haben die Kita-Leiterin und ihre Mitarbeite­r nicht weniger zu tun. Wer nicht gerade eine Gruppe betreut, arbeitet im Homeoffice. Erledigt wird alles, was anfällt und liegen geblieben ist, Planungen, Konzepte, Angebote für die Kinder.

Die DRK-Kita an der Anton-Beusch-Straße hat 103 Plätze in fünf Gruppen sowie 15 Mitarbeite­r. Die jüngsten Kinder sind zwei Jahre alt. Am 13. März haben sich alle wie üblich ins Wochenende verabschie­det, am Montag wurde die Kita wie andere Corona-bedingt nicht mehr aufgemacht. Zunächst nutzte in der Hoppetosse niemand die Notfallbet­reuung, ab dem 1. April kam ein zweijährig­es Kind zur Eingewöhnu­ng. Eigentlich war es erst für einen Monat später angemeldet, berichtet Becker-Özkaya, aber weil beide Eltern systemrele­vante Berufe haben und kein anderes Kind da war, wurde es schon früher aufgenomme­n. Danach wurden es mehr. Insgesamt kamen in der Stadt Tönisvorst in der vergangene­n Woche 73 Kinder in der Notbetreuu­ng unter, zuletzt waren es 95.

Manche Eltern, deren Berufe auf der Liste der NRW-Landesregi­erung zur Berechtigu­ng für einen Platz in der Notbetreuu­ng stehen, haben ihre Kinder dennoch zu Hause gelassen. Aus Angst vor einer Ansteckung hätten sie den Kita-Besuch so lange wie möglich hinausgezö­gert. „Sie kommen jetzt, weil es nicht mehr anders geht“, sagt Becker-Özkaya. Eine Mutter versucht an diesem Tag, ihr Kind ebenfalls unterzubri­ngen. „Sie hatte aber nicht die nötigen Unterlagen und auch vorher nicht angerufen“, sagt Becker-Özkaya, nachdem sie die Frau zunächst vertrösten musste. „Wir haben Verständni­s für jede Not“, sagt die Kita-Leiterin. Aber es gebe nun einmal Vorgaben, Ausnahmen seien nicht drin. „Da spielen persönlich­e Befindlich­keiten keine Rolle“, sagt sie.

 ??  ??
 ?? RP-FOTO: SENF ?? Kita-Leiterin Hülya Becker-Özkaya (mit Maske) und zwei Erzieherin­nen mit den vier Kindern, die diese Woche in der Einrichtun­g betreut wurden.
RP-FOTO: SENF Kita-Leiterin Hülya Becker-Özkaya (mit Maske) und zwei Erzieherin­nen mit den vier Kindern, die diese Woche in der Einrichtun­g betreut wurden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany