Rheinische Post Krefeld Kempen

Handlanger des Teufels

- VON BARBARA GROFE

In der vorletzten Folge mit Maria Simon bekommen es die Ermittler in Frankfurt an der Oder mit religiösem Fanatismus zu tun – auf vielen Ebenen.

FRANKFURT Maria Simon hat eine mutige Entscheidu­ng getroffen, findet Lukas Gregorowic­z. Noch ermitteln beide zusammen im „Polizeiruf“aus der polnisch-deutschen Grenzregio­n, aber eben„noch“: Diesen Sonntag zeigt das Erste „Heilig sollt ihr sein“, dann gibt es noch einen weiteren Fall mit Simon, und dann ist Schluss für das Duo, das rund um Frankfurt an der Oder im Einsatz ist. Wie es weitergeht? Weiß sie noch nicht. Was sie treibt? „Ich möchte meine Gabe in einen anderen Dienst stellen. Menschen brauchen Werkzeuge, wie wir das schaffen, wieder zu uns zu finden, Dinge zu überwinden, auszuhalte­n. Da will ich mich gern dran beteiligen“, sagt die Schauspiel­erin.

Dass Simon geht, ist schade. Warum, zeigt sie auch in der aktuellen Folge: Ihre Olga Lenski ist rational, pragmatisc­h, sachlich, dabei aber nie kalt. Man sieht, dass sie ein Herz hat. In „Heilig sollt ihr sein“schüttelt es die Ermittleri­n, die eine kleine Tochter hat, mehrfach sichtlich durch. Es geht um eine 16-Jährige (Paraschiva Dragus), die ungewollt schwanger wird, sich das Leben nehmen will und von einem jungen Mann (Tom Gronau), der sich nach der Bibelfigur Elias nennt, davon abgehalten wird. Weil es geheißen hatte, das Baby hätte Trisomie 18, möchte sie es in einer deutschen Klinik in der 20. Woche abtreiben lassen – doch wieder taucht Elias auf. Polnische Ärzte wollten den Abbruch nicht vornehmen, die Medien dort schreiben von „Handlanger­n des Teufels“. Dazu muss man wissen: Polen hat eines der strengsten Abtreibung­sgesetze in Europa.

Elias, der im echten Leben Jonas heißt, schleicht sich zu Larissa in den OP, kurz bevor die Abtreibung passieren soll. Er sieht sich quasi als Abgesandte­r Gottes und fühlt sich dazu berufen, das Leben des ungeborene­n Kindes zu retten – und es ihr aus dem Bauch zu schneiden. Als Olga Lenski und Adam Raczek (Lucas Gregorowic­z) eintreffen, schwebt die junge Frau in Lebensgefa­hr. Das Kind ist entgegen der ärztlichen Prognosen nicht behindert, hat die brachiale Art, auf die Welt zu kommen, überlebt. Dies ist nur eins von vielen Rätseln – oder Wundern – in dieser Folge: Laut Gerichtsme­dizin ist die 16 Jahre alte Larissa Jungfrau.

Die beiden Ermittler bekommen es in dieser vorletzten Folge mit einem fanatische­n jungen Mann aus einer kaputten und überkathol­ischen Familie zu tun, mit einer zweiten Familie, die zerbricht, nachdem ihr Kind in Folge der Gewalttat stirbt, mit extremen, harten Formen von Religiosit­ät und Glaube und derVorstel­lung von einem strafenden Gott. Raczek spürt die Religiosit­ät auch am eigenen Leib: Seine tief gläubige Mutter (Malgorzata Zajaczkows­ka), die er fünf Jahre lang nicht gesehen und kaum gesprochen hat, taucht überrasche­nd wieder auf, erklärt, sie habe Darmkrebs und wolle sich aber nicht behandeln lassen, weil sie die Krankheit als Strafe Gottes betrachtet. „Gott straft mich für meine Härte“, sagt die Mutter, „Krebs hat mit Gott nichts zu tun“, antwortet der Sohn. Raczek hat Angst um sie, ist gleichzeit­ig wütend, beim Fall nicht bei der Sache und fahrig; mehrfach versucht Lenski herauszube­kommen, was er hat, mehrfach weist sie ihn zurecht.

„Ich habe mich noch nie so zu Hause gefühlt wie in dieser Folge“, sagte Lucas Gregorowic­z jüngst in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Bis zu seinem zehnten Lebensjahr lebte er in Polen, fühlte sich geborgen zwischen den kirchliche­n Ritualen und dem katholisch­en Pomp.„Es gab gewisse Muster von Bewusstsei­n, von Schuld, und es hat lange gedauert, bis ich das sortieren konnte.“

„Heilig sollt ihr sein“ist harter, düsterer Tobak, macht fassungslo­s, betroffen und auch immer wieder wütend. Die Folge ist aber auch rätselhaft: Aufgeklärt wird längst nicht alles, was angerissen wird. Schon weil es Maria Simons vorletzter Fall ist, lohnt es sich, ihn anzuschaue­n.

„Polizeiruf 110: Heilig sollt ihr sein“, Das Erste, 20.15 Uhr

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RBB/ARD/DPA ?? Jonas Fleischaue­r (Tom Gronau, r.) muss sich regelmäßig von Pater Anselm (Maciej Robakiewic­z) exorzieren lassen, weil er seiner streng gläubigen Mutter nicht ganz
geheuer ist.
FOTO: ARNIM THOMASS/ RBB/ARD/DPA Jonas Fleischaue­r (Tom Gronau, r.) muss sich regelmäßig von Pater Anselm (Maciej Robakiewic­z) exorzieren lassen, weil er seiner streng gläubigen Mutter nicht ganz geheuer ist.

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