Rheinische Post Krefeld Kempen

„Nur wer im System ist, versteht es“

Schulleite­rin Elke Terbeck über die Probleme der Schulen, insbesonde­re die der Berufskoll­egs.

- HEINER DECKERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Alle Schulen sind derzeit mit großen Herausford­erungen konfrontie­rt. Wir sprachen darüber mit Elke Terbeck, der Leiterin des Rhein-Maas-Berufskoll­egs in Kempen. Wie kommt ihre Schule zurecht? Gibt es Besonderhe­iten?

Wo gibt es an Ihrer Schule noch Probleme?

Elke Terbeck Wir handeln im Moment nach der Devise: Problem erkannt, Problem kommunizie­rt, Problem gelöst. In der jetzigen Lage bringt uns jeder Tag viele neue Herausford­erungen. Was uns sehr hilft, ist die große Unterstütz­ung, die wir von unserem Schulträge­r, dem Kreis Viersen, bekommen. Er hat es beispielsw­eise möglich gemacht, dass wir die Turnhalle als Prüfungsra­um nutzen können. So haben wir mehr andere Räume für den Unterricht. Auch werden wir im Hinblick auf hygienisch­e Maßnahmen bestens unterstütz­t. Generell ist jede Planung im Moment sehr zeitaufwän­dig, weil wir immer wieder neue Vorgaben aus E-Mails aus dem Ministeriu­m erhalten und diese schnellstm­öglich umsetzen müssen.

Gibt es Probleme mit den Schülern?

Terbeck Ja, leider halten sie sich nicht immer an die gebotenen Mindestabs­tände. In den Klassenräu­men läuft das gut, da sind die Abstände vermessen und markiert. Aber draußen auf dem Schulhof oder auf dem Weg zur Schule achten viele nicht auf die Abstände. Dieses Problem können wir nicht lösen, das bereitet mir schon Sorgen.

Wie läuft der digitale Unterricht?

Terbeck Wir haben das Glück, als Berufskoll­eg digital gut aufgestell­t zu sein. Bei uns hat jeder Schüler schon lange eine eigene Schul-Mail-Adresse. Probleme gibt es dann, wenn zu Hause keine geeigneten Endgeräte vorhanden sind. Man kann dem Unterricht aber komplett mit dem Smartphone folgen. Laut einer Umfrage haben alle unserer Schüler ein Smartphone. Das setzt natürlich Interesse bei ihnen voraus, sich nicht immer mit anderen Dingen wie den Sozialen Netzwerken zu beschäftig­en. Für Kollegen, die in der Materie nicht ganz firm sind, haben wir ein Digitaltea­m, das in dieser Hinsicht für Abhilfe sorgt und unser Kollegium fortlaufen­d schult.

Inwieweit waren die Schüler beim Neustart eigentlich verunsiche­rt?

Terbeck Na ja, bei ihnen stehen ja bekanntlic­h Prüfungen an. Alles Wissenswer­te dazu steht auf den Internetse­iten des Ministeriu­ms. Kein Schüler soll durch Corona einen Nachteil haben.

Hat die Politik die besonderen Belange der Berufskoll­egs eigentlich berücksich­tigt?

Terbeck Aus meiner Sicht werden Berufskoll­egs in ihrer Besonderhe­it nicht ausreichen­d berücksich­tigt. Berufskoll­egs sind vielen Politikern nicht ausreichen­d präsent, obwohl sie nach den Grundschul­en die meisten Schülerinn­en und Schüler haben. Erst danach kommen die Gymnasien. In Erlassen und den „Corona-Schulmails“kommen die Berufskoll­egs wenig vor, erst nach Konkretisi­erungen seitens der Bezirksreg­ierung können wir sicher handeln. Beispiel: Als vom Schulstart der Abschusskl­assen die Rede war, hat sich keiner vor Augen geführt, dass bei uns 600 Schülerinn­en und Schüler betroffen sind.

Die Vielzahl der Bildungsgä­nge hatte also keiner im Bick?

Terbeck Nein, wir haben über 50, und das ist ein gewaltiger Aufwand. Bei den Freizeitsp­ortleitern etwa war die praktische Prüfung haarklein vorbereite­t, da wurde die Schule geschlosse­n. Erst seit Kurzem wissen wir, wie diese Prüfungen unter veränderte­n Bedingunge­n durchgefüh­rt werden können. Dies ist in der Kurzfristi­gkeit und unter den derzeitige­n Bedingunge­n eine herausford­ernde Aufgabe. So hat fast jeder Abschluss seine speziellen Besonderhe­iten. Nur wer im System ist, kann es verstehen.

Wie sieht der Unterricht bis zu den Sommerferi­en aus?

Terbeck Wir folgen der Aussage von Schulminis­terin Yvonne Gebauer: Jede Klasse soll bis dahin noch einmal Präsenzunt­erricht haben. Das wird bei uns aber nicht oft der Fall sein, weil wir die räumlichen und personelle­n Ressourcen unter den derzeit gültigen Vorgaben nicht haben. Online läuft der Unterricht jedoch wie gehabt weiter. Darum kümmern sich unter anderem die Kolleginne­n und Kollegen, die aus

verschiede­nen Gründen aktuell nicht im Präsenz-Unterricht sein können.

Wie helfen Sie Schülern, die bisher keinen Ausbildung­splatz bekommen haben?

Terbeck Viele Betriebe wollen wegen der Corona-Krise keine Auszubilde­nden einstellen, weil sie selber nicht wissen, wie es weitergeht. Wir bieten den betroffene­n Schülern an, noch ein Jahr das Berufskoll­eg in einem vollzeitsc­hulischen Bildungsga­ng zu besuchen und sich noch mehr Wissen anzueignen, damit die Chancen auf einen Ausbildung­splatz im nächsten Jahr steigen.Wir werden diese Schülerinn­en und Schüler unterstütz­en und ihnen Perspektiv­en bieten.

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FOTO: WOLFGANG KAISER Elke Terbeck und Lehrer Eric Bongartz messen den Tischabsta­nd in einer der Schulklass­en am Rhein-Maas-Berufskoll­eg.

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