Rheinische Post Krefeld Kempen
Kinder, Küche, Homeoffice
ANALYSE
Pünktlich zum Muttertag sind Besuche in Pflegeheimen wieder gestattet. Insbesondere für die ältere Generation ist dieser inoffizielle Feiertag, der jedes Jahr am zweiten Sonntag im Mai begangen wird, ein wichtiges Datum: Die Kinder und Enkel kommen, bringen Blumen und Zeit mit.
In diesem Corona-Jahr 2020 ist aber nichts wie in anderen Jahren. Sogar die hübschen Bilder, Herzen und kleinen Basteleien, die sonst in Kitas und Grundschulen für die Mütter kleiner Kinder zum Muttertag gefertigt werden, entfallen in diesem Jahr, weil die Bildungsund Betreuungseinrichtungen schlicht geschlossen sind.
Es gibt andere Sorgen. Die Mütter sitzen in der Falle aus Kindern, Küche, Homeoffice. 78 Prozent der Mütter mit Kindern zwischen sechs und 18 Jahren sind nach den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes berufstätig. Auch die Erwerbsfähigkeit von Frauen mit kleinen Kindern ist in den vergangenen 30 Jahren dank des Ausbaus der Kinderbetreuung und der reformierten Elternzeit-Regelungen gestiegen. Mittlerweile geht mehr als die Hälfte der Mütter von Kindern ab zwei Jahren einem Job nach.
Die erwerbstätigen Mütter stehen zurzeit im Spagat zwischen Homeoffice, Homeschooling und deutlich mehr Hausarbeit, die anfällt, wenn die Familie den ganzen Tag zu Hause verbringt. Nun wächst – das darf man im Jahr 2020 wirklich nicht unerwähnt lassen – die Zahl der Väter, die einen substanziellen Beitrag zur Betreuung, Versorgung und Bespaßung ihrer Kinder leisten. Auch sie müssen in Corona-Zeiten mit ihren Arbeitgebern die Gratwanderung zwischen Job und Kinderbetreuung aushandeln. Allerdings – und da sind die Statistiken immer noch eindeutig – leisten die Mütter nach wie vor den Batzenanteil. Auch die Erwerbsarbeit ist ungleich verteilt. Das deutsche Modell: In
Die Corona-Krise hat uns reicher gemacht – an Wörtern. Wobei etliche sehr wahrscheinlich nicht erst mit dem Virus geboren wurden, nur dürften sie vor allem im Sprachgebrauch der Spezialisten existiert haben. Wörter, die Menschen im Blick haben. Die Rede ist von jenen, die plötzlich „Risikogruppen“zugeordnet werden und seit Kurzem – in dramatisierter Steigerung – sogar Hochrisikogruppen. Oder auch von arbeitenden Menschen, deren Tätigkeit „Systemrelevanz“attestiert wird. Natürlich sind das zumeist technische Begriffe, mehr oder weniger Hilfsmittel der Verständigung, die darauf abzielen müssen, Schaden abden meisten Partnerschaften hat er den Vollzeit- und sie den Teilzeit-Job.
Schon vor der Corona-Krise konnten viele Mütter feststellen, dass in SachenVereinbarkeit von Beruf und Familie heute zwar alles möglich, aber dann doch irgendwie längst nicht alles machbar ist. Am Ende hängt es im Zweifel immer an der gleichen Person, wenn die Kinder krank sind, die Kita geschlossen hat oder die Schule ausfällt – meistens ist es die Mutter, die weniger arbeitet und weniger verdient. Was die ökonomische Existenzsicherung der Familie betrifft, ist es eine völlig rationale Entscheidung von Paaren, wenn derjenige, der weniger zum Haushaltseinkommen beiträgt, in der Notlage beruflich kürzertritt.
Es ist also keine Überraschung, dass in der Corona-Krise vor allem die Mütter, in Paarbeziehungen oder als Alleinerziehende, ausgleichen müssen, was wegbricht. Dabei geht es nicht nur um die Zeiten, die Kinder sonst in Schule oder Kitas verbringen. Auch Sportvereine, Großeltern und die gegenseitigen Hilfen unter Eltern fallen angesichts der anhaltenden Kontaktsperren weg. Selbst wenn Eltern die Möglichkeit haben, im Homeoffice zu arbeiten, ist der Alltag ohne weitere Hilfe kaum zu stemmen: Die Kleinen brauchen ständig Aufsicht und Beschäftigung. Die Schulkinder mögen in einer solchen Krise an Selbstständigkeit gewinnen, sie können sich aber nicht alles selbst erklären oder über Youtube-Videos beibringen – und der digitale Unterricht in Deutschland ist eine Großbaustelle.
Die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger warnte gar schon davor, dass es einen gesellschaftspolitischen Rückschritt in die Rollenverteilung der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geben könnte. Kehren die Mütter also wegen Corona zurück in die Rolle der hauptberuflichen Hausfrau? Ganz so pessimistisch muss man das nicht sehen. Die Kitas haben geschlossen, aber sie werden nicht abgeschafft. Langfris
Schon vor der Corona-Krise war in Sachen Vereinbarkeit zwar alles möglich, aber
nicht alles machbar