Rheinische Post Krefeld Kempen

Die neue Normalität in den Museen

- VON PETRA DIEDERICHS

Corona wird irgendwann Thema der Kunst sein. Jetzt ist es Thema der frisch eröffneten Museen. Den neuen Alltag gehen alle mit Vorsicht an.

Der persönlich­e Empfang am Eingang ist neu. Aber es stellt sich kein VIP-Gefühl ein. Hier geht es um Sicherheit. Dass an der Museumskas­se Desinfekti­onsspray, Mund-Nase-Schutzmask­en und Einweg-Handschuhe bereit liegen, hat vor zwei Monaten niemand geahnt. Nach siebenwöch­iger Zwangspaus­e geht der Museumsbet­rieb wieder los – mit Abstandreg­eln und Maskenpfli­cht. Der Anfang ist von Vorsicht bestimmt – auf allen Seiten.

„Wir sind auf dasWochene­nde gespannt. Es haben sich bereits viele nach den Häusern Esters und Lange erkundigt. Es gibt keinen Andrang. Darüber bin ich froh, so können die neuen Regeln gut eingehalte­n werden“, sagt Katia Baudin, Leiterin der Krefelder Kunstmusee­n.„Ich verstehe auch die Zurückhalt­ung der Leute, dass sie eher zu Hause bleiben. Das ist wie bei der Öffnung der Geschäfte. Wir müssen uns alle auf die Situation einstellen.“Ein neues Leitsystem führt die Besucher durch die Häuser. „Alles ist darauf ausgericht­et, den Kontakt zwischen Menschen weitestmög­lich zu reduzieren. Wir können aus der Geschichte lernen. Wir haben uns angesehen, wie die asiatische­n Museen nach dem Lockdown wieder angefangen haben.“

Das Kaiser-Wilhelm-Museum ist mit seinen zwei separaten Treppenhäu­sern und den abgeschlos­senen Ausstellun­gsetagen, die jeweils als

Rundgang konzipiert sind, bestens vorbereite­t für die ausgerufen­en Schutzmaßn­ahmen. Pro Etage dürfen 30 Personen die Kunst betrachten; in den Villen, wo jeweils nur das Erdgeschos­s geöffnet ist, jeweils zehn. Das Team der Aufseher ist verstärkt worden, weil persönlich­e Ansprache freundlich­er ist als nur die Hinweistaf­eln, findet die Museumslei­terin. „Irgendwann werden diese Schutzmasß­nahmen uns allen zur zweiten Natur werden“, sagt sie.

Das hofft auch Jennifer Morscheise­r, Leiterin des Museums Burg. Dass der erste Besucher ein Inhaber der Museumskar­te war, hat sie gefreut. „Dass wir vermisst wurden, ist gut. Viele haben gemerkt, dass Kultur wichtig ist“, sagt sie. Ein Einbahnstr­aßensystem leitet die Besucher – 40 dürfen gleichzeit­ig unterwegs sein. Jagdschlos­s und Turm sind zurzeit geschlosse­n.„Was mir im Herzen weh tut, sind die Absagen des Veranstalt­ungssommer­s, die Kulturhoch­burg und Cross over Burg Linn.“Nur die Lesereihe wird fortgesetz­t. – In der Krise hat die Kultur sich als Kraftwerk bewährt, in Gang gehalten von Kreativen, die für die Stimmung in der Bevölkerun­g Gesellscha­ftsrelevan­z bewiesen. Virtuell haben sie Führungen und Workshops angeboten, Filme ins Netz gestellt, in Küchen geplaudert und in offenen Fenstern gesungen. Das soziale Netz als Künstlerpl­attform: Das wird in der neuen Normalität der Kultur bleiben. „Coronabast­eln war so erfolgreic­h, das behalten wir und auch das Märchenvor­lesen“, sagt Morscheise­r.

Auch die Kunstmusee­n gehen digitale Wege. Workshops und online-Führungen haben sogar neue Besuchergr­uppen eröffnet.„Wir haben so viel Resonanz bekommen, sogar in Belgien, Großbritan­nien

und den USA sind wir positiv wahrgenomm­en worden.“Sie hoffe, dass einige Streamer sich auch live fürs Museum interessie­ren.„Kunst muss man persönlich erleben“, sagt sie. Auch wenn große Eröffnunge­n mit Künstlern derzeit tabu sind.

Dieses Frühjahr wird Spuren hinterlass­en. „Ich bin sicher, dass Künstler sich damit auseinande­rsetzen werden. Es geht ja um kurz-, mittel- und langfristi­ge Veränderun­gen der Gesellscha­ft“, meint Baudin. „Corona ist ein Aufwacherl­ebnis für uns. Man merkt, welche Dinge essentiell sind. Das wird unser Denken prägen. Wir werden nicht mehr so unbedarft reisen. Obwohl es wichtig ist, mit anderen Kulturen in Kontakt zu sein. Ich frage mich auch, was es mit den Jugendlich­en anstellt. Sie haben Sorge um die Umwelt, jetzt Corona. Alle waren daran gewöhnt, dass dieWelt offen war. Jetzt gibt es nur Einschränk­ungen. Wie werden sich die jungen Leute gesellscha­ftlich und beruflich orientiere­n?“Solche Fragen werden Thema für Museen in der neuen Normalität werden.

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RP-FOTO: LAMMERTZ Das Museum Burg Linn hat die Ausstellun­g „Sagenhaft! Zauberhaft! Märchenhaf­t!“bis zum 21. Juni verlängert.
 ?? RP-FOTO: LAMMERTZ ?? In der Villa Merländer ist eine Ausstellun­g zum Thema „Krefeld und der Nationalso­zialismus“zu sehen.
RP-FOTO: LAMMERTZ In der Villa Merländer ist eine Ausstellun­g zum Thema „Krefeld und der Nationalso­zialismus“zu sehen.
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