Rheinische Post Krefeld Kempen
Die neue Normalität in den Museen
Corona wird irgendwann Thema der Kunst sein. Jetzt ist es Thema der frisch eröffneten Museen. Den neuen Alltag gehen alle mit Vorsicht an.
Der persönliche Empfang am Eingang ist neu. Aber es stellt sich kein VIP-Gefühl ein. Hier geht es um Sicherheit. Dass an der Museumskasse Desinfektionsspray, Mund-Nase-Schutzmasken und Einweg-Handschuhe bereit liegen, hat vor zwei Monaten niemand geahnt. Nach siebenwöchiger Zwangspause geht der Museumsbetrieb wieder los – mit Abstandregeln und Maskenpflicht. Der Anfang ist von Vorsicht bestimmt – auf allen Seiten.
„Wir sind auf dasWochenende gespannt. Es haben sich bereits viele nach den Häusern Esters und Lange erkundigt. Es gibt keinen Andrang. Darüber bin ich froh, so können die neuen Regeln gut eingehalten werden“, sagt Katia Baudin, Leiterin der Krefelder Kunstmuseen.„Ich verstehe auch die Zurückhaltung der Leute, dass sie eher zu Hause bleiben. Das ist wie bei der Öffnung der Geschäfte. Wir müssen uns alle auf die Situation einstellen.“Ein neues Leitsystem führt die Besucher durch die Häuser. „Alles ist darauf ausgerichtet, den Kontakt zwischen Menschen weitestmöglich zu reduzieren. Wir können aus der Geschichte lernen. Wir haben uns angesehen, wie die asiatischen Museen nach dem Lockdown wieder angefangen haben.“
Das Kaiser-Wilhelm-Museum ist mit seinen zwei separaten Treppenhäusern und den abgeschlossenen Ausstellungsetagen, die jeweils als
Rundgang konzipiert sind, bestens vorbereitet für die ausgerufenen Schutzmaßnahmen. Pro Etage dürfen 30 Personen die Kunst betrachten; in den Villen, wo jeweils nur das Erdgeschoss geöffnet ist, jeweils zehn. Das Team der Aufseher ist verstärkt worden, weil persönliche Ansprache freundlicher ist als nur die Hinweistafeln, findet die Museumsleiterin. „Irgendwann werden diese Schutzmasßnahmen uns allen zur zweiten Natur werden“, sagt sie.
Das hofft auch Jennifer Morscheiser, Leiterin des Museums Burg. Dass der erste Besucher ein Inhaber der Museumskarte war, hat sie gefreut. „Dass wir vermisst wurden, ist gut. Viele haben gemerkt, dass Kultur wichtig ist“, sagt sie. Ein Einbahnstraßensystem leitet die Besucher – 40 dürfen gleichzeitig unterwegs sein. Jagdschloss und Turm sind zurzeit geschlossen.„Was mir im Herzen weh tut, sind die Absagen des Veranstaltungssommers, die Kulturhochburg und Cross over Burg Linn.“Nur die Lesereihe wird fortgesetzt. – In der Krise hat die Kultur sich als Kraftwerk bewährt, in Gang gehalten von Kreativen, die für die Stimmung in der Bevölkerung Gesellschaftsrelevanz bewiesen. Virtuell haben sie Führungen und Workshops angeboten, Filme ins Netz gestellt, in Küchen geplaudert und in offenen Fenstern gesungen. Das soziale Netz als Künstlerplattform: Das wird in der neuen Normalität der Kultur bleiben. „Coronabasteln war so erfolgreich, das behalten wir und auch das Märchenvorlesen“, sagt Morscheiser.
Auch die Kunstmuseen gehen digitale Wege. Workshops und online-Führungen haben sogar neue Besuchergruppen eröffnet.„Wir haben so viel Resonanz bekommen, sogar in Belgien, Großbritannien
und den USA sind wir positiv wahrgenommen worden.“Sie hoffe, dass einige Streamer sich auch live fürs Museum interessieren.„Kunst muss man persönlich erleben“, sagt sie. Auch wenn große Eröffnungen mit Künstlern derzeit tabu sind.
Dieses Frühjahr wird Spuren hinterlassen. „Ich bin sicher, dass Künstler sich damit auseinandersetzen werden. Es geht ja um kurz-, mittel- und langfristige Veränderungen der Gesellschaft“, meint Baudin. „Corona ist ein Aufwacherlebnis für uns. Man merkt, welche Dinge essentiell sind. Das wird unser Denken prägen. Wir werden nicht mehr so unbedarft reisen. Obwohl es wichtig ist, mit anderen Kulturen in Kontakt zu sein. Ich frage mich auch, was es mit den Jugendlichen anstellt. Sie haben Sorge um die Umwelt, jetzt Corona. Alle waren daran gewöhnt, dass dieWelt offen war. Jetzt gibt es nur Einschränkungen. Wie werden sich die jungen Leute gesellschaftlich und beruflich orientieren?“Solche Fragen werden Thema für Museen in der neuen Normalität werden.