Rheinische Post Krefeld Kempen
Viele Hausärzte fürchten den Ruin
Niedergelassene Mediziner in NRW klagen wegen der Pandemie über hohe Umsatzeinbußen. Sie kritisieren, dass der Rettungsschirm für sie weder eine zeitliche noch eine finanzielle Perspektive aufzeige. Das sei nicht lange durchzuhalten.
Vielen niedergelassenen Ärzten droht derzeit eine wirtschaftliche Schieflage, weil Patienten ihre Praxisbesuche verschieben. Betroffen sind alle Fachrichtungen, insbesondere aber Hausärzte. Ein Mediziner aus dem Raum Düsseldorf, der anonym bleiben will, klagt in seiner hausärztlichen Gemeinschaftspraxis über Umsatzeinbußen von 25 bis 30 Prozent. Kollegen von ihm seien ähnlich betroffen. Weil Honorare zeitversetzt ausgezahlt werden, fürchtet er, spätes
„Wir können den Ärzten die Sorgen momentan
nicht nehmen“
Monika Baaken
Hausärzteverband Nordrhein
tens Anfang des kommenden Jahres in die Insolvenz gehen zu müssen. Seine Kritik: Der vom Bundesgesundheitsministerium angekündigte Rettungsschirm für niedergelassene Ärzte zeige bislang weder eine zeitliche Perspektive auf noch in welcher Höhe Verluste kompensiert werden. „Wenn sich das nicht ändert, müssen wir und andere die Praxis irgendwann aufgeben“, sagt der Hausarzt,„und das wird sich negativ auf die ärztliche Versorgungslandschaft auswirken.“
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein kennt man das Problem. Grob sehe der Schutzschirm vor, dass die von den gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung gestellte Gesamtvergütung – trotz der durch Corona reduzierten ärztlichen Abrechnungsmengen – auch künftig im regulären Umfang gezahlt werde, sagte KV-Sprecher Christopher Schneider. „Die Kassen müssen also trotz des ,Corona-Rückgangs‘ in den Praxen genauso viel Geld für die Versorgung der Patienten bereitstellen wie zu ,normalen‘ Zeiten“, so Schneider weiter. Allerdings werde über die genaue Ausgestaltung der Ausgleichszahlungen in Nordrhein derzeit noch mit den hiesigen Krankenkassen verhandelt. Schneider: „Konkrete Ergebnisse gibt es aktuell noch nicht – wir erwarten aber, dass die Kostenträger gemäß der gesetzlichenVorgaben agieren und die Zusagen der Bundesregierung umsetzen.“
Auf eine zeitnahe Perspektive für die Praxen hofft auch der Hausärzteverband Nordrhein. Zwar sollten als Maßstab für Ausgleichszahlungen die Honorare der Vorjahresquartale herangezogen werden, sagt Sprecherin Monika Baaken, noch aber gebe es keine Einigung mit den Krankenkassen. „Wir können den Ärzten die Sorgen also momentan nicht nehmen“, erklärt Baaken. Auch die KV Nordrhein ist mit Vorhersagen vorsichtig. „Ob die verhandelten Auffangmaßnahmen im Rheinland am Ende für alle Praxen ausreichen werden, können wir derzeit noch nicht seriös prognostizieren“, sagt Schneider. Man werde sich aber auch im Sinne der Patienten vehement dafür einsetzen, dass die ambulante Versorgung auch nach Corona auf dem gleichen Niveau erhalten bleibe wie zuvor.
Für die betroffenen Hausärzte ist das unbefriedigend. Er und sein Kollege würden sich nur noch zehn Prozent Gehalt auszahlen, sagt der Mediziner aus dem Raum Düsseldorf, und für den laufenden Betrieb aus dem Privatvermögen Mittel zuschießen. Ansonsten könnten sie schon jetzt nicht mehr für ihre Patienten da sein.
Einfach wieder mehr Patienten einzubestellen, sei wegen der Hygienevorschriften auch nicht möglich und aus medizinischer Sicht nicht akzeptabel. Damit würden aber auch viele ärztliche Leistungen, die zusätzlich abgerechnet werden konnten, wegfallen. Und die Honorarpauschale etwa für eine telefonische Beratung liege dreimal niedriger als bei einem persönlichen
Kontakt. „Wenn wir wüssten, mit wieviel Unterstützung wir durch den Schutzschirm rechnen könnten, ließe sich das alles leichter verschmerzen“, sagt der Hausarzt.
Bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ist man sich aber bewusst, welche wichtige Rolle die niedergelassenen Ärzte spielen. Mit Blick auf die derzeit allgemein positive Entwicklung der Covid-19-Fallzahlen in Nordrhein-Westfalen beziehungsweise die zuletzt zunehmend beherrschbarere Infektionslage habe sich die Bedeutung einer funktionierenden ambulanten Praxislandschaft als ,Bollwerk“für die Kliniken und Krankenhäuser im Land gezeigt. Heißt aber auch, wie es der betroffene Mediziner etwas deutlicher formuliert: „Wenn die Hausarztpraxen den Bach runtergehen, wird es hier viele Probleme geben.“