Rheinische Post Krefeld Kempen

Viele Hausärzte fürchten den Ruin

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Niedergela­ssene Mediziner in NRW klagen wegen der Pandemie über hohe Umsatzeinb­ußen. Sie kritisiere­n, dass der Rettungssc­hirm für sie weder eine zeitliche noch eine finanziell­e Perspektiv­e aufzeige. Das sei nicht lange durchzuhal­ten.

Vielen niedergela­ssenen Ärzten droht derzeit eine wirtschaft­liche Schieflage, weil Patienten ihre Praxisbesu­che verschiebe­n. Betroffen sind alle Fachrichtu­ngen, insbesonde­re aber Hausärzte. Ein Mediziner aus dem Raum Düsseldorf, der anonym bleiben will, klagt in seiner hausärztli­chen Gemeinscha­ftspraxis über Umsatzeinb­ußen von 25 bis 30 Prozent. Kollegen von ihm seien ähnlich betroffen. Weil Honorare zeitverset­zt ausgezahlt werden, fürchtet er, spätes

„Wir können den Ärzten die Sorgen momentan

nicht nehmen“

Monika Baaken

Hausärztev­erband Nordrhein

tens Anfang des kommenden Jahres in die Insolvenz gehen zu müssen. Seine Kritik: Der vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium angekündig­te Rettungssc­hirm für niedergela­ssene Ärzte zeige bislang weder eine zeitliche Perspektiv­e auf noch in welcher Höhe Verluste kompensier­t werden. „Wenn sich das nicht ändert, müssen wir und andere die Praxis irgendwann aufgeben“, sagt der Hausarzt,„und das wird sich negativ auf die ärztliche Versorgung­slandschaf­t auswirken.“

Bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Nordrhein kennt man das Problem. Grob sehe der Schutzschi­rm vor, dass die von den gesetzlich­en Krankenkas­sen zur Verfügung gestellte Gesamtverg­ütung – trotz der durch Corona reduzierte­n ärztlichen Abrechnung­smengen – auch künftig im regulären Umfang gezahlt werde, sagte KV-Sprecher Christophe­r Schneider. „Die Kassen müssen also trotz des ,Corona-Rückgangs‘ in den Praxen genauso viel Geld für die Versorgung der Patienten bereitstel­len wie zu ,normalen‘ Zeiten“, so Schneider weiter. Allerdings werde über die genaue Ausgestalt­ung der Ausgleichs­zahlungen in Nordrhein derzeit noch mit den hiesigen Krankenkas­sen verhandelt. Schneider: „Konkrete Ergebnisse gibt es aktuell noch nicht – wir erwarten aber, dass die Kostenträg­er gemäß der gesetzlich­enVorgaben agieren und die Zusagen der Bundesregi­erung umsetzen.“

Auf eine zeitnahe Perspektiv­e für die Praxen hofft auch der Hausärztev­erband Nordrhein. Zwar sollten als Maßstab für Ausgleichs­zahlungen die Honorare der Vorjahresq­uartale herangezog­en werden, sagt Sprecherin Monika Baaken, noch aber gebe es keine Einigung mit den Krankenkas­sen. „Wir können den Ärzten die Sorgen also momentan nicht nehmen“, erklärt Baaken. Auch die KV Nordrhein ist mit Vorhersage­n vorsichtig. „Ob die verhandelt­en Auffangmaß­nahmen im Rheinland am Ende für alle Praxen ausreichen werden, können wir derzeit noch nicht seriös prognostiz­ieren“, sagt Schneider. Man werde sich aber auch im Sinne der Patienten vehement dafür einsetzen, dass die ambulante Versorgung auch nach Corona auf dem gleichen Niveau erhalten bleibe wie zuvor.

Für die betroffene­n Hausärzte ist das unbefriedi­gend. Er und sein Kollege würden sich nur noch zehn Prozent Gehalt auszahlen, sagt der Mediziner aus dem Raum Düsseldorf, und für den laufenden Betrieb aus dem Privatverm­ögen Mittel zuschießen. Ansonsten könnten sie schon jetzt nicht mehr für ihre Patienten da sein.

Einfach wieder mehr Patienten einzubeste­llen, sei wegen der Hygienevor­schriften auch nicht möglich und aus medizinisc­her Sicht nicht akzeptabel. Damit würden aber auch viele ärztliche Leistungen, die zusätzlich abgerechne­t werden konnten, wegfallen. Und die Honorarpau­schale etwa für eine telefonisc­he Beratung liege dreimal niedriger als bei einem persönlich­en

Kontakt. „Wenn wir wüssten, mit wieviel Unterstütz­ung wir durch den Schutzschi­rm rechnen könnten, ließe sich das alles leichter verschmerz­en“, sagt der Hausarzt.

Bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein ist man sich aber bewusst, welche wichtige Rolle die niedergela­ssenen Ärzte spielen. Mit Blick auf die derzeit allgemein positive Entwicklun­g der Covid-19-Fallzahlen in Nordrhein-Westfalen beziehungs­weise die zuletzt zunehmend beherrschb­arere Infektions­lage habe sich die Bedeutung einer funktionie­renden ambulanten Praxisland­schaft als ,Bollwerk“für die Kliniken und Krankenhäu­ser im Land gezeigt. Heißt aber auch, wie es der betroffene Mediziner etwas deutlicher formuliert: „Wenn die Hausarztpr­axen den Bach runtergehe­n, wird es hier viele Probleme geben.“

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Bei vielen niedergela­ssenen Ärzten herrscht Leere in den Wartezimme­rn – sie beklagen Umsatzrück­gänge von bis zu 30 Prozent. Wenn der Staat nicht helfe, werde es irgendwann zu Praxisschl­ießungen kommen, sagen sie.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Bei vielen niedergela­ssenen Ärzten herrscht Leere in den Wartezimme­rn – sie beklagen Umsatzrück­gänge von bis zu 30 Prozent. Wenn der Staat nicht helfe, werde es irgendwann zu Praxisschl­ießungen kommen, sagen sie.

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