Rheinische Post Krefeld Kempen

Das müssen Diesel-Kläger nun wissen

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In einem wegweisend­en Urteil haben die Karlsruher Richter den Schadeners­atzanspruc­h von VW-Kunden im Dieselskan­dal festgestel­lt. Auf den Konzern kommen weitere Forderunge­n zu, für manche Betroffene ist es aber zu spät.

(jd/dpa) Die finanziell­en Folgen sind schmerzhaf­t, und für den Imageschad­en gilt das erst recht: Im Dieselskan­dal kassiert VW vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH) eine heftige Niederlage. Mit dem Karlsruher Urteil (Az. VI ZR 252/19) vom Montag ist erstmals höchstrich­terlich festgestel­lt, dass der Autobauer seine Kunden vorsätzlic­h sittenwidr­ig geschädigt hat. Für viele Diesel-Kläger ist das der Durchbruch. Hier die Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Was haben die obersten Zivilricht­er entschiede­n?

Unstrittig war, dass VW Millionen Fahrzeuge mit einer illegalen Abgastechn­ik ausgestatt­et hat. Mit dem BGH-Urteil steht nun fest: Der Konzern ist klagenden Käufern deshalb zu Schadeners­atz verpflicht­et. VW habe nicht nur die Behörden systematis­ch getäuscht, sondern sich auch gegenüber den Kunden „besonders verwerflic­h“verhalten. Diese hätten sich in vollstem Vertrauen für einen VW-Diesel entschiede­n – und tatsächlic­h ein Auto bekommen, das „nicht voll brauchbar war“. Es habe immer die Gefahr bestanden, dass der Schwindel auffliegt und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Autos aus dem Verkehr zieht, so das Gericht.

Was können Kläger mit Schadeners­atzanspruc­h tun?

Im Grunde mussVW den Kauf ungeschehe­n machen, also das Auto zurücknehm­en und dem Kunden das gezahlte Geld erstatten. Das gilt sogar für Gebrauchtw­agen aus zweiter Hand. Allerdings berücksich­tigt das BGH-Urteil, dass die Käufer das Auto einige Zeit gefahren und damit auch davon profitiert haben. Diese Nutzung müssen sie sich anrechnen lassen. Es gibt also nicht den vollen Preis zurück. Das Geld wird auch nicht mit der Gießkanne an alle Betroffene­n ausgeschüt­tet: Schadeners­atz können nur noch die Kunden bekommen, die VW bereits verklagt haben und deren Verfahren noch läuft. Das sind etwa 60.000. Betroffene, die sich an der Musterklag­e gegenVW beteiligt und den zuletzt ausgehande­lten Vergleich mit dem Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and akzeptiert haben, können keine weiteren Forderunge­n nach dem BGH-Urteil stellen. Auch ganz neue Klagen sind wegen Verjährung nicht mehr möglich.

Was will Volkswagen jetzt tun?

Es gar nicht erst auf 60.000 Gerichtsen­tscheidung­en ankommen lassen. Man werde Einmalzahl­ungen als „pragmatisc­he und einfache Lösung“anbieten, kündigt der Konzern unmittelba­r nach der Urteilsver­kündung an. So sollten die Verfahren „im Einvernehm­en mit den Klägern zeitnah“beendet werden. Viele Kläger wären gar nicht daran interessie­rt, ihr Auto abzugeben und sich ein neues anzuschaff­en, argumentie­rtVW. Einmalzahl­ungen seien deshalb „die beste Lösung“. „Wie hoch diese sein werden, hängt vom Einzelfall ab.“

Wie geht es sonst weiter?

Der BGH hat für Juli bereits die nächstenVe­rhandlunge­n angesetzt. Denn der Fall von Kläger Herbert Gilbert aus Rheinland-Pfalz ist zwar beispielha­ft. Es gibt aber noch andere Konstellat­ionen. Rund 10.000 Kläger haben ihr Auto erst gekauft, als der Dieselskan­dal schon bekannt war. Diese Fälle will VW weiter juristisch durchfecht­en. Andere haben nicht gegen VW, sondern gegen ihren Autohändle­r geklagt. Und dann gibt es auch zahlreiche Klagen gegen andere Autoherste­ller – etwa gegen Daimler. Außerdem ist über einen Strafproze­ss gegen Ex-VW

Chef Martin Winterkorn noch nicht entschiede­n. Zivilrecht­lich streiten Investoren um Schadeners­atz.

Welche Alternativ­en gibt es?

Die Deutsche Umwelthilf­e fordert einen Anspruch auf Hardware-Nachrüstun­gen und fürchtet nach dem Schadeners­atz viele Verschrott­ungen junger Gebrauchtw­agen. Bundesgesc­häftsführe­r Jürgen Resch sagte, die Politik müsse den Konzern zwingen, Hardwarena­chrüstunge­n auf VW-Kosten für alle Geschädigt­en anzubieten, wenn die dafür die Autos behalten können und auf Schadeners­atz verzichten.

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FOTO: DPA Vom Abgas-Skandal ist unter anderem der Dieselmoto­r vom Typ EA189 betroffen. 60.000 Verfahren hängen noch an und könnten für Volkswagen teuer werden.

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