Rheinische Post Krefeld Kempen

Staat rettet Lufthansa mit neun Milliarden

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BRIGITTE SCHOLTES

Der Staat soll 20 Prozent der Lufthansa-Anteile und eine stille Beteiligun­g sowie zwei Sitze im Aufsichtsr­at erhalten. Die Anleger reagierten erleichter­t, aber es droht Streit mit der EU-Kommission.

FRANKFURT Aufatmen in Frankfurt: Das neun Milliarden Euro schwere Rettungspa­ket für die angeschlag­ene Lufthansa steht. Der Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF) habe der Finanzieru­ng zugestimmt, der Lufthansa-Vorstand habe das Paket befürworte­t, teilte die größte deutsche Fluggesell­schaft am Montagaben­d mit. Die Lufthansa sei wegen der Coronaviru­s-Pandemie schuldlos in eine schwierige Lage geraten, sagte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz. Die Staatshilf­en seien deshalb eine sehr gute Lösung, um die Krise zu überbrücke­n und trage den Interessen des Steuerzahl­ers Rechnung. Die EU-Kommission muss den Deal noch absegnen.

Nachdem schon Mitte der vergangene­n Woche die Grundzüge der Vereinbaru­ng bekannt geworden waren, hatte es noch Streit zu einzelnen Punkten gegeben. Dabei war das Volumen von neun Milliarden Euro unstrittig, es ging jedoch um die Ausgestalt­ung und die Auflagen. Nun sieht der Deal so aus: Der Staat beteiligt sich auf mehreren Wegen an der Kranichlin­ie: Er erhält zum einen 20 Prozent der Aktien für einen sehr niedrigen Preis von insgesamt 300 Millionen Euro, obwohl der Konzern aktuell noch 3,8 Milliarden Euro wert ist. Der größte Teil der Staatshilf­e aber fließt der Lufthansa als stille Einlage zu in Höhe von 4,7 Milliarden Euro. Hinzu kommt eine weitere stille Beteiligun­g über eine Milliarde Euro. Diese kann der Staat in Aktien umwandeln, wenn er eine Übernahme der Fluggesell­schaft verhindern möchte. Denn dann hätte er eine Sperrminor­ität von gut 25 Prozent. Auf die stille Einlage sind zunächst vier Prozent Zinsen fällig, die später auf bis zu 9,5 Prozent steigen sollen. Als letzten Bestandtei­l des Finanzpake­ts erhält die Lufthansa von der staatseige­nen Förderbank KfW einen Kredit in Höhe von drei Milliarden Euro.

Lange war strittig, wie stark der Staat sich im Gegenzug in das Geschäft der Lufthansa einmischen darf. Nun ist vereinbart, dass er zwei Sitze im Aufsichtsr­at besetzen darf. Anders als bei der Deutschen Bahn sollen aber keine Politiker in das

Kontrollgr­emium einziehen, sondern unabhängig­e (Wirtschaft­s-) Experten.

Der Staat steigt über eine Kapitalerh­öhung ein, das heißt: Die neuen Aktien werden unter Ausschluss des Bezugsrech­ts der Altaktionä­re im Nennwert von je 2,56 Euro ausgegeben. Die Altaktionä­re dürfen sich an der Kapitalerh­öhung also nicht beteiligen. Daher muss noch eine außerorden­tliche Hauptversa­mmlung diesem Teil der Vereinbaru­ng zustimmen. Die Aktionäre müssen mit einer starken Verwässeru­ng ihrer Anteile rechnen, auch wenn sie sich gestern über einen deutlichen Kursanstie­g freuen durften. Die Aktie kletterte zwischenze­itlich bis auf 8,68 Euro, nachdem sie am Freitag bei 8,05 Euro geschlosse­n hatte. Vor einem Jahr lag der Kurs noch bei 17 Euro.

Zuvor hatten Politiker kritisiert, dass die Auflagen für das Rettungspa­ket nicht hoch genug seien. Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sagte noch am Montag, der Klimaschut­z müsse eine Rolle spielen. So hatte etwa auch die Air France staatliche Hilfen nur gegen die Auflage erhalten, Inlandsflü­ge zu streichen. Allerdings ist das französisc­he Zugnetz mit den TGV-Zügen deutlich leistungsf­ähiger als das deutsche Zugnetz.

Zudem waren Forderunge­n laut geworden, die Lufthansa solle alle bestellten Flugzeuge bei einem europäisch­en Hersteller (gemeint war Airbus) abnehmen. Diese Formulieru­ng findet sich in dieser Form offenbar nicht mehr in dem Papier.

Schwer wiegender dürfte die Forderung der EU-Kommission sein, die Lufthansa müsse einige Start- und Landerecht­e an größeren Flughäfen an Konkurrent­en abgeben. Laut „Handelsbla­tt“geht es um Frankfurt und München. Wenn es dazu käme, würde die Lufthansa geschwächt. „Das lassen wir nicht mit uns machen“, soll Kanzlerin Angela Merkel in einer Sitzung des CDU-Präsidiums gesagt haben.

Als Gegenleist­ung für die Staatshilf­e muss die Lufthansa auf die Zahlung von Dividenden verzichten und die Gehälter des Vorstandes werden begrenzt. Der Konzern musste keine Arbeitspla­tzgarantie­n abgeben. Damit ist auch sicher, dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr seinen Plan durchziehe­n und den Lufthansa-Ableger Germanwing­s in Köln schließen kann.

Bezogen auf die Zahl der Jobs ist die Rettung nicht billig: 138.000 Stellen hat der Konzern aktuell. Pro Job gibt es also 65.0000 Euro, obwohl 10.0000 Stellen wegfallen sollen. „Wenn das Unternehme­n wieder flott ist, dann wird der Staat seine Anteile veräußern“, sagte Scholz.

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FOTO: DPA Maschinen der Lufthansa par ken auf dem Areal des Hauptstadt­flughafens Berlin-Brandenbur­g. Wegen der Pandemie ist der größte Teil der Flotte am Boden und verdient kein Geld.
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