Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Unbeugsame
Sie ist seit 2004 die zweitmächtigste Person im Rathaus: Stadtdirektorin Beate Zielke. Nun hat der Rat sich mehrheitlich gegen ihre Wiederwahl ausgesprochen. Das Rathaus verliert damit eine markante Persönlichkeit.
Die Humorfähigkeit von Juristen sollte man allen anderslautenden Gerüchten zum Trotz nicht unterschätzen. Krefelds Stadtdirektorin Beate Zielke wurde einmal von einem Journalisten gefragt, ob sie irgendeinen aktuellen Kommentar schon gelesen habe; sie antwortete: Natürlich – sie würde jeden Tag gleich nach dem Lösen des Kreuzworträtsels in der FAZ besagte Kommentare zur Kenntnis nehmen. Ein großartiges Bonmot. Die 63-Jährige wurde am Montagabend im Rat nicht für eine weitere Amtszeit wiedergewählt und scheidet damit Ende August aus dem Dienst aus. Die Politik hat neue Ziele. Damit verliert die Krefelder Stadtverwaltung eine Juristin, die sich bei allen Seiten Respekt erarbeitet hat, auch wenn sie nicht immer bequem gewesen ist.
Krefelds Stadtdirektorin ist für die Öffentlichkeit eine weitgehende Unbekannte. Dabei ist sie seit dem Jahr 2004 in der Verwaltung die zweitmächtigste Person nach dem Oberbürgermeister. Den Drang in die Öffentlichkeit hat sie weder von Amts wegen noch ihrem Naturell nach. Eine gewisse Öffentlichkeitsscheu ist dann auch so ziemlich das Erste, was Weggefährten über sie berichten. Die frühere Oberbürgermeisterin von Mönchengladbach etwa, Monika Bartsch, hat Zielke von 1994 bis 2004 als Beigeordnete in ihrer Stadt erlebt und erzählt: „Sie hat einmal gesagt: Sie können mich jederzeit nachts anrufen, ich mach’ und tu’ alles, aber tun Sie mir eins nicht an: Stellen Sie mich nicht auf eine Bühne.“Fachlich hat Zielke tiefen Eindruck hinterlassen: „Sie war eine tolle Mitarbeiterin und hochqualifiziert“, resümiert Bartsch, „was sie will, kann sie durchsetzen, sie knickt nicht ein, und sie war bei den Kollegen deshalb auch nicht immer beliebt.“
Der Eindruck steht nicht allein; auch aus dem Krefelder Rathaus ist so etwas zu hören: Setzt sich mit guten Argumenten durch, steht zu ihrer Überzeugung, ist dadurch eine nicht immer einfache Begleiterin für Kollegen oder die Politik, ist aber auch in der Lage, eine Entscheidung, die nicht die ihre wäre, zu akzeptieren und loyal umzusetzen. In Krefelds Verwaltungshauptquartier aufgesammelt ist auch ein Spruch, der all das so auf den Punkt bringt: „Zielke ist der einzige echte Kerl im Rathaus.“Respekt davor, dass sie auch bei Gegenwind unbeugsam bleibt.
In Krefeld gab es dafür im Jahr 2009 ein eindrucksvolles Beispiel. Damals verfügt die Stadt gegen einen anderslautenden Ratsbeschluss die Schließung der „City-Ambulanz“; das Schicksal des Unternehmens war auch öffentlich stark beachtet worden. Treibende Kraft der Schließung war Beate Zielke; sie berief sich auf jahrelange juristische Auseinandersetzungen und darauf, dass die Stadt nun nicht anders könne, als die Schließung zu verfügen. Sie und der damalige Oberbürgermeister Kathstede hatten den gegenteiligen Ratsbeschluss schließlich wegen Rechtswidrigkeit beanstandet – was sie nach Lage der Dinge tun mussten; die Entscheidung hatte Bestand; der (populäre) Ratsbeschluss blieb ungültig. Zielke zog damals das Feuer auf sich; sie wurde als herzlos hingestellt; der SPD-Mann Hans Butzen warf ihr gar „Kaltschnäuzigkeit“vor (nahm das Wort aber gleich wieder zurück), weil sie die Mitarbeiter des Unternehmens kurz vor Weihnachten in die Arbeitslosigkeit schickte. Zielke aber tat, was – wie sich herausstellte – das Gesetz gebot.
Sie soll einmal als mögliche Oberbürgermeisterkandidatin für Krefeld im Gespräch gewesen sein, bevor
sich die CDU für Gregor Kathstede entschied. Es heißt, sie habe ohnehin nicht gewollt. Das passt. Wer Oberbürgermeister sein will, muss auch – und das ist nicht abschätzig gemeint – Rampensau sein, auf der Bühne stehen, mit den Leuten können, sich in der Öffentlichkeit wie ein Fisch im Wasser fühlen. All das mochte und mag Zielke eben nicht. Auch wenn sie in diesem Sinne kaum zum Politiker taugen mag – politisches Stehvermögen hat sie vielfach bewiesen, denn als Wahlbeamter unterliegt man immer dem politischen Kräftespiel in einer Stadt. Auch Spitzenbeamte können stromlinienförmig sein. Zielke, die Unbeugsame, war es nie.
Sie entspricht darin dem Ideal des Beamten, das der frühere (legendäre) Kölner Oberstadtdirektor Kurt Rossa so auf den Punkt gebracht hat: Beamten sollten „furchtlos das Rechte tun“.
Zielke ist so eine. Eine Gesellschaft kann Leute von ihrem Schrot und Korn gut gebrauchen – ein Rathaus erst recht.