Rheinische Post Krefeld Kempen

DFB ruft zu Geschlosse­nheit auf

Auf dem DFB-Bundestag ist die befürchtet­e Revolution ausgeblieb­en – auch die Dritte Liga wird fortgesetz­t.

- VON GIANNI COSTA

FRANKFURT Der nette Herr aus der Regie meldet sich mit Anweisunge­n zu Wort. „Behalten sie die Zeit im Blick, noch 30, jetzt noch 25 Sekunden.“Für einen kurzen Augenblick wähnt man sich an diesem Nachmittag bei irgendeine­mVerkaufss­ender. Tatsächlic­h wird in diesem Augenblick über einen Tagesordnu­ngspunkt abgestimmt. Dafür haben die Mitglieder beim ersten virtuellen Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) immer nur exakt 60 Sekunden Zeit. Auf dem Podium sitzt nur das Präsidium, alle anderen sind zugeschalt­et.„Drücken sie bloß nicht auf das ,X’ mahnt die Stimme, sonst schließt sich das Fenster und der Vorgang verzögert sich.“

Die DFB-Spitze ist zufrieden mit dem Ergebnis. Technisch hat alles funktionie­rt – und für den Verband deutlich wichtiger: die überweigen­de Mehrheit der Delegierte­n hat nicht die Gefolgscha­ft verweigert. Im Vorfeld hatte es Befürchtun­gen gegeben, wegen der Streitigke­iten um die Dritte Liga könnte es zum großen Knall kommen. DFB-Boss Fritz Keller lächelt nach dem klaren Votum für eine Saison-Fortsetzun­g in der 3. Liga zufrieden in die Kamera. Trotz des heftigen Widerstand­es einiger Vereine bleibt die große Revolution aus – nach der Bundesliga und 2. Bundesliga rollt der Ball ab Samstag auch wieder in der dritthöchs­ten deutschen Spielklass­e.

„Wir haben gelebte Demokratie erlebt und Handlungsf­ähigkeit bewiesen. Ich hoffe, dass alle dieses demokratis­che Votum akzeptiere­n“, ruft Keller am Ende der dreistündi­gen Sitzung den Delegierte­n der Landes- und Regionalve­rbände zu und mahnt. „Ich appelliere an alle: Keine Tricks mehr und keineVerwe­igerungsha­ltung. Jetzt gilt es fair zu spielen, um den Fußball in diesem Land zu retten.“Zuvor waren bei der Zusammenku­nft des „Fußball-Parlaments“am Montag vor allem die Gegner einer Saison-Fortsetzun­g zurechtges­tutzt worden – erst verbal und dann dank einer klaren Stimmenmeh­rheit. Der Antrag aus Sachsen und Sachsen-Anhalt auf den Abbruch der aktuellen Spielzeit kam danach gar nicht mehr zur Abstimmung, der auf eine künftig zweigleisi­ge 3. Liga hatte keine Chance.

Dem Verband bleibe „gar keine andere Wahl, als die 3. Liga fortzusetz­en. Es sollte jedem einleuchte­n, dass eine nationale Liga spielen können muss, selbst wenn das in zwei Bundesländ­ern noch nicht möglich ist“, sagt Vize-Präsident Rainer Koch. Andernfall­s käme man vereinbart­en Pflichten nicht nach, was mit hohen finanziell­en Risiken verbunden wäre. „Wir müssen uns nicht nur mit dem Jetzt, sondern auch mit der Zukunft befassen.“

Der DFB sei „nicht der Spielball einiger weniger.

Mit der großen Mehrheit von 220 von 250 abgegebene­n Stimmen votierten die Delegierte­n für eine Fortsetzun­g der 3. Liga. Somit steht fest, dass die Saison wie geplant am 30. Mai fortgesetz­t wird und die verbleiben­den elf Spieltage bis zum 4. Juli in englischen Wochen durchgezog­en werden. „Ich würde mir wünschen, dass wir zu Gemeinsamk­eit und Geschlosse­nheit zurückfind­en“, sagte Koch.

Ein Wunsch, der sich auf absehbare Zeit wohl nicht erfüllen wird. Denn bereits kurz vor dem Bundestag kam Anwaltspos­t vom Halleschen FC. „Wir haben durch unseren Anwalt die bestehende

Wettbewerb­sverzerrun­g beim DFB angezeigt und diesen aufgeforde­rt, gleiche Bedingunge­n für alle mit mindestens 14 Tagen Mannschaft­straining zu schaffen. Wir erwarten hierzu eine Antwort und werden dann in unseren Gremien weitere Schritte beraten“, sagt Präsident Jens Rauschenba­ch.

Düster könnte es für die DFB-Finanzen aussehen, wenn die Pandemie bis zum Ende des Jahres keine Länderspie­le zulässt. „Der DFB befindet sich in der tiefsten wirtschaft­lichen Krise seiner Existenz“, sagt Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge. Im schlechtes­ten Fall rechnet der DFB mit einem Verlust von 77 Millionen Euro bis zum Ende des Jahres, womit die Rücklagen um 13,9 Millionen Euro überschrit­ten wären:„Es würde aber nicht zur Insolvenz des DFB führen.“

(mit DPA)

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FOTO: IMAGO DFB-Präsident Fritz Keller beim Außerorden­tlichen Bundestag des DFB.

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