Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Rückkehr der Staatswirt­schaft

ANALYSE

- VON ANTJE HÖNING

Manchmal spiegelt sich eine schwere Krise in nur einer Zahl. So wie bei der Lufthansa: Eine Million Euro Verlust macht die Fluggesell­schaft derzeit – pro Stunde. Das kann kein Unternehme­n lange aushalten. Und da ein Ende der Corona-Pandemie nicht abzusehen ist, holt Konzernche­f Carsten Spohr den deutschen Staat an Bord. Nach langen Verhandlun­gen beteiligt sich Deutschlan­d wieder an der Kranichlin­ie, die doch erst 1997 mühsam privatisie­rt worden war. Mit 20 Prozent steigt der Staat ein, unter bestimmten Bedingunge­n hat er das Recht, seinen Anteil auf über 25 Prozent zu erhöhen und damit eine Sperrminor­ität zu erhalten. Die Anleger jubelten: Die gebeutelte Aktie legte am Dienstag um sieben Prozent zu.

Die Lufthansa wird nicht das einzige Unternehme­n bleiben, bei dem Deutschlan­d künftig mitfliegt. Wenn Kredite und Zuschüsse nicht reichen, um eine Firma durch die Corona-Krise zu bringen, soll der Steuerzahl­er mit Kapitalspr­itzen ran. Der Schlüssel dazu heißt: Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF), den Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) vor wenigen Wochen auflegten. 600 Milliarden Euro stehen bereit, davon sind allein 100 Milliarden für die Beteiligun­g an Unternehme­n vorgesehen, deren Aus erhebliche Auswirkung­en auf denWirtsch­aftsstando­rt oder den Arbeitsmar­kt hätte.

Bei der Lufthansa blieb tatsächlic­h keine andere Wahl: Die Airline war allein durch die Pandemie, schuldlos, wie Scholz betont, in die Krise geraten. Sie hat ansonsten ein funktionie­rendes Geschäftsm­odell. Und eine bedeutende nationale Airline ist zweifellos in deutschem Interesse. Dass hier zudem 130.000 Arbeitsplä­tze auf dem Spiel stehen, ist zwar politisch wichtig. Aus Sicht des ordnungspo­litisch denkenden Öko

RdWer, CFeol-iCxhBeafnd­aesrzaGkr, ü fnüerndiie­n Kandidaten­aufstellun­g zur Kommunalwa­hl in Duisburg jüngst einen geeignet großen Raum anfragte, da musste er gewaltig schlucken: 34.000 Euro sollte die Miete kosten. Zum Vergleich: Die Entwicklun­g der landesweit­en Kampagne der Partei mit dem Slogan „Grün ist heute das Morgen gestalten“schlug mit 50.000 bis 100.000 Euro zu Buche. Corona, das zeigt die Episode, wirbelt so manches in diesem Wahlkampf durcheinan­der. Grünen-Co-Chefin Mona Neubaur sagte bei der Vorstellun­g der Kampagne, man sei gut vorbereite­t, aber am Ende sei nicht auszuschli­eßen, dass – nomen darf es danach aber nicht gehen: Ein Baukonzern wie Holzmann war es mangels Zukunftspe­rspektiven nicht wert, gerettet zu werden – trotz Tausender Beschäftig­ter.

Grundsätzl­ich aber müssen dieWettbew­erbshüter aufpassen, dass die Corona-Krise nicht zu einer allgemeine­n Rückkehr der Staatswirt­schaft führt. „Die private Initiative ist die stärkste Kraft, um aus den jeweiligen Gegebenhei­ten den höchsten Effekt herauszuho­len“, sagte Ludwig Erhard. Private Unternehme­n müssen bei Strafe ihres Untergangs gut, preiswert und innovativ sein. Staatsunte­rnehmen dagegen können nicht vom Markt verschwind­en, solange der Steuerzahl­er sie stützt. Entspreche­nd war Privatisie­rung auch lange die Maxime der Wirtschaft­spolitik: In den 60er Jahren begann der Bund, beim Mischkonze­rn Veba auszusteig­en. Nach dem Mauerfall privatisie­rte die Treuhand die volkseigen­en Betriebe der untergegan­genen DDR. In den 90er Jahren begann die Teilprivat­isierung der Deutschen Bundespost, aus der Telekom und Post hervorging­en.

Dass der Staat kein guter Unternehme­r ist, hat NRW an seiner Landesbank ebenso leidvoll erfahren wie andere Länder. Auch der Einstieg des Bundes bei der Commerzban­k in der Finanzkris­e 2009 ist keine Erfolgsges­chichte. Das Institut konnte damit zwar gerettet werden, doch die Bank ist bis heute schwachbrü­stig und der Bund noch immer an Bord. Ähnliches gilt fürVolkswa­gen: Um Arbeitsplä­tze bei der Verbrenner-Herstellun­g zu halten, hatte der Großaktion­är Niedersach­sen lange kein Interesse am Umstieg zur weniger arbeitsint­ensiven Elektromob­ilität.

Trotz mahnender Beispiele hat die große Koalition ihre Liebe zur Staatswirt­schaft entdeckt, und zwar schon vor der Corona-Krise. Vor einem Jahr hatte Altmaier, der sich sonst gerne als Erhards Erbe inszeniert, seine „Nationale Industries­trategie 2030“vorgelegt. Diese sah unter anderem vor, dass der Staat sich an Industrieu­nternehmen beteiligen soll, um eine unerwünsch­te Übernahme durch ausländisc­he Investoren zu verhindern. Dafür erntete Altmaier zu Recht viel Kritik von der Industrie und Familienun­ternehmen. Wer von Exporten und der Globalisie­rung so profitiert wie die deutsche Wirtschaft, kann es sich gar nicht leisten, auf ausländisc­hes Kapital und offene ausländisc­he Märkte zu verzichten.

Doch nun bietet die Corona-Krise einen guten Vorwand, die Staatswirt­schaft wiederzube­leben. Besonders gefährlich wird es dann, wenn der Staat die Unternehme­n nicht nur retten, sondern den Einstieg auch nutzen will, um mit ihnen Politik zu machen. Die Debatte um politische Auflagen für die Lufthansa zeigt das: Die Grünen wollen das gleich ausnutzen, um Klimapolit­ik zu machen und innerdeuts­che Flugverbin­dungen zu streichen. Auch die Deutsche Bahn, zu 100 Prozent in staatliche­r Hand, leidet unter solchen Interventi­onen. Dass Montabaur und das nur 20 Kilometer entfernte Limburg absurderwe­ise jeweils einen ICE-Bahnhof haben, ist rein politisch motiviert: Rheinland-Pfalz und Hessen bestanden beide auf einem Haltepunkt.

Eine Verstaatli­chung in Krisen wie dieser ergibt nur dann Sinn, wenn sie unter scharfen Bedingunge­n erfolgt: Erstens, schnell einsteigen und schnell wieder aussteigen, damit sich das Unternehme­n im Wettbewerb bewährt. Zweitens, keine Dividenden und keine Boni zahlen, solange der Staat beteiligt ist. Die Manager sollen sich nicht auf den Langmut des Steuerzahl­ers verlassen, sondern den angeschlag­enen Kahn rasch wieder flottmache­n. Drittens, keine Wettbewerb­sverzerrun­g gegenüber Konkurrent­en, die nicht gestützt werden. Diese Karte versucht gerade der irische Flieger Ryanair zu spielen, um die Lufthansa-Rettung anzufechte­n. Viertens, kein Missbrauch der Staatsbete­iligung für politische Zwecke. „Es darf nie eine politisch verordnete Frage werden, ob wir von München oder von Zürich aus nach Osaka fliegen“, warnte Carsten Spohr. Zu Recht, für eine VEB Lufthansa ist auf Dauer kein Platz am Himmel.

„Es darf nie eine politisch verordnete Frage werden, von wo wir nach Osaka fliegen“Carsten Spohr Lufthansa-Chef

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