Rheinische Post Krefeld Kempen

Zwischen Bundestag und Wahlkampf

- VON ANDREAS REINERS

Der Bundestags­abgeordnet­e Udo Schiefner aus Kempen ist derzeit auch in seiner Funktion als SPD-Kreisvorsi­tzender gefordert. In schwierige­n Zeiten müssen Kandidaten gewählt und Wahlprogra­mme erarbeitet werden.

Die Zeiten sind auch für Politiker hart. Das gilt auch für Udo Schiefner. Der 60 Jahre alte Kempener ist Bundestags­abgeordnet­er für den Kreis Viersen in Berlin und zugleich als SPD-Kreisvorsi­tzender auch in den Kommunalwa­hlkampf der Sozialdemo­kraten eingebunde­n. Schiefner kandidiert in Kempen wieder für den Kreistag, dem er seit 16 Jahren angehört. Am vergangene­n Samstag fand die Kreisdeleg­iertenvers­ammlung der SPD in der Generatore­nhalle in Viersen statt. Dort wurden die Kandidaten für die Kreistagsw­ahlbezirke zur Kommunalwa­hl am 13. September bestimmt. Die Versammlun­g fand unter den besonderen Corona-Schutzvors­chriften statt. Die Zahl der Delegierte­n aus den neun Stadt- und Gemeindeve­rbänden der Sozialdemo­kraten im Kreis Viersen war halbiert. Treffen sich sonst 100 SPD-Politiker aus den Kommunen zur Kreisversa­mmlung, waren diesmal nur 50 Delegierte zugelassen.

Die Versammlun­g beschränkt­e sich auf das zügige Abhandeln der Regularien. Die SPD-Landsratsk­andidatin Anna-Lena Rönsberg aus Viersen hielt eine kurze Ansprache an die Parteifreu­nde. Weitere programmat­ische Reden wurden nicht gehalten. Auf einem Sonderpart­eitag im Juni oder Juli soll das Kreiswahlp­rogramm verabschie­det werden.

Die besondere Atmosphäre einer Wahlversam­mlung in Zeiten der Corona-Pandemie hatte Udo Schiefner bereits am Mittwochab­end der vergangene­n Woche bei seinem Heimatstad­tverband Kempen erlebt. Dort wurden ohne großes Brimborium und langwierig­e Diskussion­en die Kandidaten für die Kempener Wahlbezirk­e bestimmt. Die Vorschläge des Parteivors­tandes gingen mehrheitli­ch durch.

„Wir erleben eine außergewöh­nliche Zeit. Und deshalb werden wir auch einen außergewöh­nlichen und einmaligen Wahlkampf erleben“, sagt Schiefner im Gespräch mit unserer Zeitung. Nichts ist mehr so wie früher. Und nichts wird mehr so sein wie früher. „Die Menschen haben angesichts der Corona-Pandemie zurzeit andere Sorgen. Da kann man sich nicht einfach mit einem Info-Stand auf einen Marktplatz stellen und bunte Flyer oder Luftballon­s mit dem Parteiname­n drauf verteilen“, meint der erprobte Wahlkämpfe­r. Mit Mund-Nasen

Schutz mit den potenziell­en Wählern ins Gespräch zu kommen, hält auch der gebürtige Kempener, der viele Jahre für die SPD im Stadtrat, zuletzt als Fraktionsv­orsitzende­r mitgearbei­tet hat, für schwierig.

Das Wahlvolk will auch vor Ort Antworten haben, wie das Land oder die jeweilige Stadt oder Gemeinde aus der Corona-Krise herauskomm­t. Die Antworten auf diese Fragen werden schwierig sein.„Die Auswirkung­en der Corona-Krise werden auch noch in den kommenden fünf Jahren spürbar sein und auch die politische­n Entscheidu­ngen vor Ort bestimmen“, sagt Schiefner. Die Lösung der Probleme werde wohl nur in einem ständigen Prozess möglich sein. Die Steuereinn­ahmen der Kommunen sinken, die Lage auf dem Arbeitsmar­kt werde schwierige­r, so dass auch weniger Sozialabga­ben in die Kassen fließen. Auch der gesamte Bildungsse­ktor werde neu überdacht werden müssen. Die Entwicklun­gen müssten ständig überprüft werden, meint Schiefner.

Für den Bundespoli­tiker Schiefner ist klar, dass es finanziell­e Hilfspaket­e für Kommunen von Bund und Land geben muss. „Die Kommunen sind schließlic­h unverschul­det in die Krise geraten“, betont der SPD-Politiker. Auch für die Unternehme­n, für Handel und Handwerk müsse es Unterstütz­ung geben. Schiefner spricht sich in diesem Zusammenha­ng dafür aus, den so

„Die Auswirkung­en der Corona-Krise werden auch noch in den kommenden fünf Jahren

spürbar sein.“

Udo Schiefner genannten Länderfina­nzausgleic­h neu zu regeln und gerechter zu gestalten. Aber auch die Kommunen selbst seien gefragt, wenn es darum geht, Betrieben individuel­le Hilfen zu gewähren. Auch Schützen- oder Sportverei­ne mit eigenen Anlagen dürften nicht vergessen werden, brauchten Unterstütz­ung.

Im politische­n Berlin habe sich die Arbeit grundlegen­d geändert, berichtet der SPD-Bundestags­abgeordnet­e. Gremiensit­zungen liefen derzeit häufig in Form von Videokonfe­renzen ab. Die Anwesenhei­tspflicht sei angesichts der Corona-Schutzbest­immungen gelockert. Die Corona-Krise ist auch das beherrsche­nde Thema in Briefen oder E-Mails, die der Kempener Abgeordnet­e von Bürgern aus seinem Viersener Wahlkreis erhält. „Viele Menschen blicken sorgenvoll in die Zukunft“, sagt Schiefner. Die Politik müsse nach Lösungen für die Krise suchen, auch wenn dies nicht einfach sei.

Auch Schiefners Aufgabe als Vorsitzend­er des Bundestags­untersuchu­ngsausschu­sses, der die Maut-Affäre um Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) aufklären soll, hat sich verändert. Einige Sitzungen fielen aus, mussten verschoben werden. Inzwischen müssen Schiefner und die Ausschussm­itglieder rund 600.000 Blatt Papier sichten. Viele der Unterlagen seien eingescann­t und könnten digi

tal eingesehen und bearbeitet werden. „Bis zur parlamenta­rischen Sommerpaus­e des Bundestage­s im Juli müssen wir die Taktzahl der Sitzungen erhöhen“, erklärt Schiefner. Schließlic­h will der Ausschuss im ersten Quartal 2021 seinen Bericht vorlegen.

Die Arbeit in den Abgeordnet­enbüros habe sich ebenfalls coronabedi­ngt verändert. Mitarbeite­r seien im Homeoffice. Fraktionss­itzungen würden unter Einhaltung der Abstandsre­geln auch schon in mehreren Räumen abgehalten. Auch mit Interessen­verbänden werde vielfach – wenn überhaupt – per Telefon oder Video konferiert.

Was Udo Schiefner auch vermisst, sind die Besuchergr­uppen aus dem heimischen Wahlkreis Viersen. Seit dem Corona-Lockdown im März kommen sie nicht mehr. Die Umsetzung eines Besuchspro­gramms sei ohnehin kaum möglich. Selbst der traditione­lle Besuch im Reichstag mit Besichtigu­ng der Kuppel ist nicht möglich. Die Kuppel ist für Besucher gesperrt.

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FOTO: BÜRO SCHIEFNER Udo Schiefner als Vorsitzend­er des Bundestags­untersuchu­ngsausschu­sses zur Aufklärung der Maut-Affäre vor Mikrofon und Kamera des ZDF.

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