Rheinische Post Krefeld Kempen
Die Gouverneurin im Visier
Das FBI hat offenbar die Entführung von Gretchen Whitmer verhindert. Bei Rechtsextremen ist sie eine Hassfigur, seit sie in ihrem Staat Michigan entschlossen gegen Corona vorging.
„Schnapp sie dir, Mann. Greif dir die verdammte Gouverneurin“, wird Adam Fox von einem Undercover-Agenten zitiert, den das FBI in eine Gruppe rechtsradikaler Fanatiker eingeschleust hatte. „Schnapp sie dir einfach, die Hexe. Wenn wir es nämlich machen, Kumpel, dann ist es vorbei.“
Fox wurde diese Woche in Ypsilanti bei Detroit festgenommen. Offenbar hatten er und fünf weitere Mitglieder einer rechtsextremen Miliz ihre Pläne so weit konkretisiert, dass die Bundespolizei nicht länger warten wollte. Bis auf eine Ausnahme sitzen die sechs in Untersuchungshaft. Wie das FBI in einer Anklageschrift darlegte, sollte Gretchen Whitmer, die Gouver
„Schnapp sie dir einfach, die Hexe“
Adam Fox
Verdächtiger
neurin Michigans, in ihrem Ferienhaus gekidnappt und über den Michigansee nach Wisconsin verschleppt werden. Dort wollte man ihr wegen „Hochverrats“an geheimem Ort den Prozess machen.
Im August und September, so die Ermittler, hatten die Verschwörer das private Anwesen der Politikerin ausgekundschaftet. Auch eine Highway-Brücke in der Nähe nahmen sie ins Visier. Dort wollten sie einen Sprengsatz anbringen, um vom eigentlichen Tatort abzulenken. Offenbar sollte er in dem Moment detonieren, in dem sieWhitmer entführten, in ein Boot zwangen und mit ihr verschwanden. Am Mittwoch dieser Woche wollten die Männer nach Angaben des FBI das Material kaufen, das sie für die Bombe benötigten. Es dürfte der Auslöser für ihre Festnahme gewesen sein.
Für das rechte Amerika ist Whitmer, seit Beginn der Corona-Krise eine der schärfsten Kritikerinnen des Präsidenten, nicht einfach eine politische Gegnerin. Vielmehr wird sie als Symbolfigur eines Kindermädchenstaats porträtiert, der unter dem Vorwand des Kampfs gegen die Seuche Freiheitsrechte beschneide. Im Frühjahr, als sich
Detroit mit seiner afroamerikanischen Bevölkerungsmehrheit zu einem der Hotspots der Epidemie entwickelte, verfügte sie einen strengen Lockdown für ihren Bundesstaat.
Anhänger Trumps, einige mit Sturmgewehren bewaffnet, zogen daraufhin zum Parlament in der Hauptstadt Lansing, um lautstark zu protestieren. „Stoppt die Tyrannei!“, war auf Postern zu lesen, während der Präsident in Großbuchstaben twitterte: „Befreit Michigan!“In der Gruppe um Adam Fox war, folgt man den Protokollen der Detektive, von einer Tyrannin die Rede, gegen die man sich zurWehr setzen müsse.
Die Demokraten wiederum sehen in Whitmer, 49, eine Hoffnungsträgerin, wurde sie doch 2018 zur Gouverneurin eines Rust-Belt-Staats gewählt, der Donald Trump zwei Jahre zuvor den Vorzug vor Hillary Clinton gegeben hatte. Im Sommer zog Joe Biden sie in die engere Wahl, als er eine Bewerberin für die Vizepräsidentschaft zu nominieren hatte. Offensichtlich ging es den potenziellen Entführern auch darum, ein Exempel an einer Frau zu statuieren, die zu den aufstrebenden Stars des linksliberalen Amerika gehört.
Insgesamt 13 Männer müssen nun mit einer Anklage rechnen. Neben der Zelle um Fox handelt es sich um sieben Mitglieder beziehungsweise Sympathisanten der „Wolverine Watchmen“, einer rechtsextremen Miliz. Nach Erkenntnissen der Ermittler wollte Fox Absprachen mit ihr treffen, um einen Sturm auf das Kapitol Michigans vorzubereiten, als Signal für einen Bürgerkrieg. Zudem seien Anschläge auf Polizeibeamte geplant gewesen.
Whitmer warf Trump nach Bekanntgabe der Klage vor, gewaltbereite Gruppen am rechten Rand noch zu ermuntern mit seiner Aufforderung, sich einerseits zurückzuhalten und andererseits bereitzustehen. „Stand back and stand by“, hatte er, an die „Proud Boys“gerichtet, jüngst während seiner TV-Debatte mit Biden gesagt, statt sich eindeutig von weißen Überlegenheitsfanatikern zu distanzieren. Zwar gebe es in den Akten keinen Hinweis, dass sich die Milizen in Michigan vom Präsidenten inspirieren ließen, sagte Whitmer. Extremisten hätten seineWorte aber gewiss nicht als Zurückweisung verstanden.