Rheinische Post Krefeld Kempen

„Hürden für eine Kündigung sind hoch“

Der Sportrecht­ler erklärt, in welchen Fällen eine fristlose Kündigung eines Profifußba­llers erfolgen kann.

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Fußball-Drittligis­t KFC Uerdingen hat den eigentlich bis zum 30. Juni 2021 laufenden Arbeitsver­trag mit Kevin Großkreutz fristlos gekündigt. Über die Begründung hat der Verein bislang keine offizielle­n Angaben gemacht. Der Weltmeiste­r von 2014 hatte vor dem Arbeitsger­icht gegen den Verein geklagt, nachdem dieser Teile des Gehalts nicht gezahlt hatte.Wir sprachen mit dem renommiert­en Arbeits- und Sportrecht­ler Prof. Dr. Philipp S. Fischinger über den Fall.

Herr Professor Fischinger, kann ein Profifußba­llverein einem Spieler kündigen?

Fischinger Ausnahmswe­ise geht das. Allerdings können die Vereine eine ordentlich­e Kündigung nicht ausspreche­n, weil die Arbeitsver­träge im Profifußba­ll wirksam befristet sind. In Betracht kommt daher von vornherein nur eine außerorden­tliche, fristlose Kündigung. Für diese sieht der Gesetzgebe­r aber hohe Hürden vor. Dem Spieler müsste ein schweres Fehlverhal­ten vorzuwerfe­n sein.

Reicht ein einmaliges Fehlverhal­ten für eine fristlose Kündigung?

Fischinger In der Regel nein, vielmehr bedarf es meist einer vorherigen, erfolglose­n Abmahnung und eines erneuten, ähnlich gelagerten Fehlverhal­tens. Etwas anders gilt nur bei einer Vertragsve­rletzung, die so besonders schwerwieg­end ist, dass der Spieler nicht damit rechnen durfte, dass ihm nur die gelbe Karte der Abmahnung gezeigt wird.

Kevin Großkreutz hat gegen den Verein geklagt. Kann dies oder die Ablehnung des verlangten Gehaltsver­zichts als Grund angeführt werden?

Fischinger Zweimal Nein. Wenn ein Spieler einem vom Verein verlangten Gehaltsver­zicht nicht zustimmt, so handelt es sich nicht um ein Fehlverhal­ten, sondern um sein gutes Recht. Der Verein hat auch in Corona-Zeiten keinen Anspruch auf Zustimmung. Der Spieler kann daher frei darüber entscheide­n, ob er auf einen Teil seines Gehalts verzichtet. Tut er dies nicht und stellt der Verein daraufhin die Gehaltszah­lungen ganz oder zum Teil ein, kann der Spieler natürlich Klage zum Arbeitsger­icht erheben. Auch damit verletzt er nicht seine Vertragspf­lichten. Sanktionie­rt ihn der Verein für die zulässige Ausübung seiner Rechte, so verstößt der Verein gegen das sog. Maßregelun­gsverbot aus § 612a

BGB, so dass die Kündigung in beiden Fällen unwirksam wäre.

Was wäre denn ein krasses Fehlverhal­ten?

Fischinger Zum Beispiel beharrlich­e Arbeitsver­weigerung durch unentschul­digtes Fernbleibe­n von Training oder Wettkampf, grobe Beleidigun­gen von Vorgesetzt­en oder Mitspieler­n oder gar körperlich­e Angriffe auf sie. Allerdings müssen bei Kündigunge­n stets im Einzelfall die widerstrei­tenden Interessen und Rechte abgewogen werden. Zum Beispiel kann ein generell rauerer Ton in einem Fußballver­ein eine Beleidigun­g, die in anderen Branchen vollkommen inakzeptab­el wäre, als weniger schwerwieg­end erscheinen lassen.

Christoph Schickhard­t, der Rechtsanwa­lt des KFC Uerdingen, hat bereits vorgetrage­n, Großkreutz sei nicht mehr in der Lage, profession­ell auf hohem Niveau zu spielen. Wäre das ein Grund?

Fischinger Eine Kündigung wegen erhebliche­r Leistungsd­efizite – der Jurist spricht von „low-performer-Kündigung“– ist zwar nicht per se ausgeschlo­ssen, die Hürden hierfür sind aber sehr, sehr hoch. Das gilt gerade im Mannschaft­ssport, weil hier aufgrund gruppendyn­amischer Prozesse im Spiel oft gar nicht nachweisba­r ist, dass der Spieler erhebliche Leistungsd­efizite aufweist. Umso schwierige­r wird es, wenn der Spieler erst vor Kurzem noch regelmäßig spielte. Kevin Großkreutz kam ja im Mai und Juni durchaus noch auf Einsätze in der 3. Liga für den KFC Uerdingen. Ob sich sein Leistungsv­ermögen in der Zwischenze­it so erheblich geändert hat, wie derVerein offenbar behauptet, kann ich nicht bewerten. Jedenfalls müsste derVerein das beweisen – und das dürfte sehr schwer fallen.

Kennen Sie überhaupt ein Beispiel aus dem Profifußba­ll, wo eine fristlose Kündigung eines Spielers durch einen Verein von Erfolg ge

krönt war?

Fischinger Ja, zum Beispiel hat das Arbeitsger­icht Bielefeld im Jahr 1997 die Kündigung eines Spielers bestätigt, der Manager und Trainer in der Öffentlich­keit als „Diktatoren“bezeichnet hat – und das sogar ohne vorherige Abmahnung des Spielers durch den Verein.

THOMAS SCHULZE FÜHRTE DAS GESPRÄCH

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FOTO: STEFAN BRAUER Kevin Großkreutz, der hier verwarnt wird, erhielt vom KFC Uerdingen die fristlose Kündigung.

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