Rheinische Post Krefeld Kempen
Was im Abfindungspoker gilt
Bei vielen NRW-Firmen wie Bayer oder Vodafone werden derzeit Stellen gestrichen. Beschäftigte müssen hart verhandeln.
Eine Situation wie diese haben die Beschäftigen des Flughafens Düsseldorf noch nie erlebt: Viele Jahre lang hatte das Unternehmen Leute eingestellt, in der Corona-Krise kommt jetzt die Notbremsung. Am vergangenen Donnerstag bot Flughafenchef Thomas Schnalke den 2300 Mitarbeitern in großen Stil Abfindungen an, um sie dazu zu bewegen, das Unternehmen freiwillig zu verlassen. Gleichzeitig baut Thyssenkrupp Stellen ab, Bayer hat ein neues Sparprogramm angekündigt. Gehen gegen Geld oder bleiben? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Abfindung.
Gibt es ein Recht auf Abfindung?
Nein, aber in den meisten Unternehmen stellt der Kündigungsschutz eine hohe Hürde dar. Wenn sie versuchen, Mitarbeiter gegen ihren Willen über betriebsbedingte Kündigungen loszuwerden, bieten viele Firmen daher Entschädigungen an, um aufwendige und riskante Gerichtsprozesse zu vermeiden. Außerdem helfen Abfindungsprogramme aus Sicht des Arbeitgebers, das Problem zu lösen, dass er bei betriebsbedingten Kündigungen durch die zu treffende Sozialauswahl fast schon automatisch gezwungen ist, überwiegend jüngere Mitarbeiter loszuwerden, während ältere Beschäftigte bleiben dürfen.
Wie hoch sind Abfindungen?
Es gibt keine feste Regel. Aber in der Rechtsprechung hat sich als Faustregel der Satz von einem halben bis zu einem Monatsgehalt als Abfindung pro Beschäftigungsjahr im Unternehmen durchgesetzt, wenn ein Arbeitsverhältnis vor Gericht aufgehoben wird. Unternehmen bieten häufig viel höhere Kompensationen an. „Da muss hart verhandelt werden“, sagt Sebastian Schröder, Anwalt für Arbeitsrecht aus Viersen.
Welche Praxisbeispiele gibt es?
Mitarbeiter unter 57 Jahren können bei Bayer eine Abfindung von bis zu 63 Monatsgehältern erhalten, sofern sie im Zuge des aktuellen Sparprogramms ausscheiden.Wenn etwa beim Telefonanbieter Vodafone, der ebenfalls umstrukturiert, Mitarbeiter gehen, erhalten sie ab dem 50. Lebensjahr eine Abfindung von 1,85 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. In manchen Fällen kommen Kollegen auf das 2,2-Fache, berichten Insider. Der Flughafen Düsseldorf offeriert aktuell als Standardabfindung das 0,7-Fache pro Beschäftigungsjahr; Mitarbeiter, die 15 Jahre in der Firma sind oder älter als 40 Jahre sind, erhalten das 1,1-Fache. „Das ist kein sehr hoher Wert gemessen daran, dass diese Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowieso so gut wie unkündbar sind“, sagt Anwalt Schröder. Das Unternehmen weist in einer internen E-Mail aber darauf hin, es handele sich um ein Freiwilligenprogramm. Man zahle gemäß den finanziellen Möglichkeiten – und die seien wegen hoher Verluste eben schlecht.
Was ist eine Sprinterprämie?
Beschäftigte, die sich schnell für einen Aufhebungsvertrag entscheiden, erhalten einen finanziellen Zuschlag obendrauf. Bei Vodafone liegt er bei bis zu drei zusätzlichen Monatsgehältern, beim Flughafen Düsseldorf bei bis zu 35.000 Euro für de facto unkündbare Mitarbeiter, ansonsten deutlich weniger. Solche Prämien sollen Beschäftigte unter Druck setzen, schnell einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.
Müssen Abfindungen versteuert werden?
Ja. Um Steuern zu sparen, könnten Mitarbeiter, die keinen Anschlussjob erwarten, vorschlagen, dass der Vertrag erst am Anfang eines neuen Jahres mit der Auszahlung der Abfindung endet. So profitieren sie am besten von der sogenannten Fünftel-Regelung.
Was verbirgt sich hinter der Fünftel-Regelung?
Bei diesem Steuervorteil wird, wie der Name schon sagt, ein Fünftel der Abfindung vom Finanzamt auf das ansonsten erzielte zu versteuernde Einkommen aufgeschlagen. Mit dem prozentualen Steuersatz, der auf dieses Fünftel entfällt, wird dann die gesamte Abfindung versteuert. Dieses Verfahren hat zum Ziel, Abfindungen nicht übermäßig stark zu besteuern, sondern nur etwas mehr als das reguläre Einkommen. Falls die Abfindung jedoch in einem Jahr ausgezahlt wird, in dem das reguläre Einkommen insgesamt sehr niedrig liegt, wird die Abfindung nur niedrig versteuert.
Gibt es einen weiteren Steuertipp?
Arbeitnehmer, die sehr hohe Abfindungen erhalten, können einen höheren Steuervorteil erzielen, wenn sie im Auszahlungsjahr ihr zu versteuerndes Einkommen gezielt senken. Eine Möglichkeit hierzu ist, eine hohe Zahlung in die sogenannte Rürup-Rente zu leisten. Wer eine vermietete Eigentumswohnung hat, könnte sie modernisieren. Falls dabei beispielsweise 20.000 Euro fällig werden, kann dies zu einer Steuerersparnis von über 10.000 Euro führen. Details sollte ein Steuerberater prüfen.
Was ist mit Frühverrentungen?
Fast alle Unternehmen, die Stellen einsparen wollen, unterstützen einen vorgezogenen Ruhestand älterer Mitarbeiter. Bei Vodafone etwa können Beschäftigte mit 57 Jahren mit rund 70 Prozent des Gehalts schon aufhören zu arbeiten. Bayer bietet den über 57-Jährigen „Flexi-Aufhebungsverträge“an, die über sechs Jahre laufen. In dieser Zeit werden die Mitarbeiter nach komplexen Formeln vergütet. Dabei spielen unter anderem das Gehalt und die Jahresleistung eine Rolle. Zudem zahlt der Leverkusener Chemieriese Bayer weiter Rentenversicherungsbeiträge.
Was bietet der Flughafen Düsseldorf?
Der Airport zahlt Beschäftigten, die vorzeitig gehen, einen Ausgleich dafür, dass sie einen Rentenabschlag hinnehmen müssen. Ausgeglichen wird offenbar nicht, dass der Mitarbeiter eine zweite Rentenkürzung hinnehmen muss, weil er dann wegen des vorzeitigen Rentenstarts zwei oder drei Jahre kürzer in die Rentenkasse eingezahlt hat. „Wer weniger Rentenpunkte einzahlt, erhält oft 100 oder 120 Euro weniger an Monatsrente“, warnt der Hildener Rentenexperte Werner Siepe, „das muss genau geprüft werden“.
Darf ein Mitarbeiter, der vorzeitig in Rente geht, eine andere Arbeit aufnehmen?
Ja. Unbegrenzt hinzuverdienen dürfen Beschäftigte aber erst, wenn sie die Regelaltersgrenze erreicht haben.Während des vorzeitigen Rentenbezugs wird normalerweise ein jährliches Zusatzeinkommen ab 6300 Euro im Jahr teilweise mit der Rente verrechnet.