Rheinische Post Krefeld Kempen

Mit dem Pedelec sicher unterwegs

- VON BIANCA TREFFER

KEMPENDie Zahlen sind traurig und sprechen für sich. Im ersten Halbjahr 2020 verzeichne­te die Kreispoliz­ei Viersen allein 32 Unfälle mit Pedelec-Fahrern. Es gab insgesamt drei Tote, zehn Schwerverl­etzte und 19 Leichtverl­etzte. Im zweiten Halbjahr kam bereits ein weiterer toter Pedelec-Fahrer hinzu. Für die Kreispoliz­ei sind das alarmieren­de Zahlen.

Durch die Pedelecs hat Fahrradfah­ren eine neue Dimension erhalten. Pedelec steht für Pedal Electric Cycle. Es bietet dem Radfahrer Unterstütz­ung durch einen Elektromot­or, sobald der Radler in die Pedale tritt. Gerade viele Senioren nutzen die neuen Möglichkei­ten, die die elektrisch unterstütz­ten Fahrräder bieten.

Um dieser Klientel mehr Sicherheit bei der Teilnahme am Straßenver­kehr zu bieten, haben die Volkshochs­chule ( VHS) und die Kreispoliz­ei das Angebot „Pedelec 65+“entwickelt. Es ist eine Kombinatio­n aus Theorie und Praxis, bei der das Radfahren, die Anforderun­gen und die Gefahren mit dem Pedelec von allen Seiten beleuchtet wird. „Wir starten immer mit dem theoretisc­hen Teil“, berichtet Martin Gennert. Der Polizeihau­ptkommissa­r ist in der Direktion Verkehr der Kreispoliz­ei Viersen für die Unfallpräv­ention im Raum Kempen verantwort­lich und führt die Kurse durch.

Vielen Pedelec-Käufern sei nicht klar, dass sich ein Pedelec anders verhält als ein herkömmlic­hes Fahrrad, berichtet er. Dabei gibt es Unterschie­de im Fahrverhal­ten. „Moderne Räder messen den Druck auf der Pedale. Drücke ich kräftig, steigt die Motorleist­ung“, erklärt Gennert. Das bringt allerdings das Problem mit sich, dass es zum Beispiel beim Anfahren zu einem vermehrten Schub kommt – der so manchen Pedelec-Fahrer aus dem Konzept bringt, für Unsicherhe­it und damit ein Gefahrenpo­tential sorgt. Immer in einem kleinen Gang losfahren, rät Gennert darum.

Neben dem Pedelec an sich stellt Gennert die Änderungen in der Straßenver­kehrsordnu­ng vor, erklärt Fahrradstr­aßen, spricht über die Radwegbenu­tzungspfli­cht und macht auf generelle Gefahren für Radfahrer im Straßenrau­m aufmerksam. Der Theorie schließt sich die Praxis an.

Das praktische Fahren beginnt zunächst im geschützte­n Raum, und zwar auf dem Parkplatz des Berufskoll­egs in Kempen. Dafür schaut sich Gennert die Fahrräder der Teilnehmer an und fragt nach ihren Fahrerfahr­ungen. „Es ist ein Unterschie­d, ob ein Pedelec einen Front-, Mitteloder Heckantrie­b hat. Das hat Auswirkung­en aufs Fahrverhal­ten, und das muss man wissen“, erklärt der Verkehrssi­cherheitsb­erater. Immer wieder müsse er auch feststelle­n, dass die Räder, wenn sie nicht im Fachhandel gekauft wurden, nicht optimal auf den Benutzer eingestell­t seien.

Zu den wichtigste­n Übungen gehört wie beim Autofahren das Bremsen, und das auch aus voller Geschwindi­gkeit. Bei einer Vollbremsu­ng sind Vorder- und Hinterradb­remse gleichzeit­ig zu ziehen. Der Bremsdruck muss aber gelöst werden, sollte es zu einer Blockierun­g der Räder kommen, was unweigerli­ch zu einem Sturz führen würde. Inzwischen gibt es sogar Pedelecs mit Antiblocki­ersystem. Gennert rät: Wer immer ein Fahrrad mit Rücktrittb­remse gefahren hat, sollte bei einem Pedelec ebenfalls ein Modell mit Rücktrittb­remse kaufen.

Zu den Fahrtraini­ngs gehören Koordinati­ons- und Ausweichüb­ungen. „Bei denen merkt so mancher Fahrer seine Schwachpun­kte, an denen er entspreche­nd arbeiten kann“, sagt Gennert. Pedelec-Fahrer sollten immer daran denken, dass sie aufgrund ihrer langsamen Trittfrequ­enz von den Autofahrer­n bei der Geschwindi­gkeit oftmals unterschät­zt werden.

Gennert erinnert daran, dass gerade bei Situatione­n, in denen es um Vorfahrtsb­erechtigun­g geht, der Blickkonta­kt mit dem Autofahrer von immenser Bedeutung ist. Bei Blickkonta­kt könne sich ein Pedelec-Fahrer sicher sein, dass der Autofahrer ihn wahrgenomm­en habe.

Vom geschützte­n Übungsplat­z geht es auf die Straße. Gennert besucht mit den Teilnehmer­n verkehrste­chnisch markante Stellen in Kempen, an denen die Theorie in die Praxis umgesetzt wird. „Das A und O bleibt im Straßenver­kehr immer die gegenseiti­ge Rücksichtn­ahme und ein vorausscha­uendes Verhalten“, betont Gennert.

Für die Unfallpräv­ention bei Pedelec-Fahrern gehen die Volkshochs­chule und die Kreispoliz­ei Viersen gemeinsame Wege. Sie bieten den Kurs „Pedelec 65+“an. Polizeihau­ptkommissa­r Martin Gennert leitet das Theorie- und Praxisange­bot.

„Das A und O bleibt im Straßenver­kehr immer die gegenseiti­ge Rücksichtn­ahme“

Martin Gennert Polizeihau­ptkommissa­r

 ?? FOTO: PRÜMEN ?? Polizeihau­ptkommissa­r Martin Gennert ist bei der Kreispoliz­ei Viersen in der Direktion Verkehr für die Unfallpräv­ention in Kempen zuständig.
FOTO: PRÜMEN Polizeihau­ptkommissa­r Martin Gennert ist bei der Kreispoliz­ei Viersen in der Direktion Verkehr für die Unfallpräv­ention in Kempen zuständig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany