Rheinische Post Krefeld Kempen

Erinnerung­en an einen Bombenangr­iff

- VON CAROLIN KAISER UND CAROLA PUVOGEL

Werner Schwelm war 13 Jahre alt, als Krefeld im Januar 1945 bombardier­t wurde. Er erzählt, wie er verschütte­te Menschen aus den Trümmern zog und bei den Rettungs- und Löscharbei­ten fast selber gestorben wäre.

In unserer Reihe„Mikrokosmo­s Krefelder Plätze“haben wir kürzlich den Hammerschm­idtplatz vorgestell­t und geschriebe­n, einige Gebäude am Platz seien in der schlimmste­n Bombennach­t des Krieges vom 21. auf den 22. Juni 1943 teilweise zerstört worden. Tatsächlic­h wurden die Häuser aber erst rund zwei Jahre später zerbombt, im Januar 1945. Das berichtet RP-Leser und Zeitzeuge Werner Schwelm, der damals beim Löschen der Gebäude geholfen hat. Hier ist seine Geschichte.

„Die Häuser am Hammerschm­idtplatz sind bei einem Angriff am 11. Januar 1945 getroffen worden“, erzählt Werner Schwelm. Der heute 89-Jährige lebte damals mit seiner Mutter in einer Dachgescho­sswohnung an der Hammerschm­idtstraße. An den Angriff vom 11. Januar 1945 kann sich Schwelm noch sehr gut erinnern. „Es war ein Tagesangri­ff, zwischen 14 und 15 Uhr“, erzählt er. „Ich habe die RAF-Flieger kommen sehen.“

Der Luftangrif­f vom 11. Januar 1945 war einer von fünf schwereren Angriffen auf Krefeld durch alliierte Kriegsflug­zeuge. Anders als beim Großangrif­f vom 21./22. Juni 1943, wurden am 11. Januar 1945 Sprengbomb­en, aber keine Brandbombe­n von den 146 RAF-Bombern abgeworfen. Brandbombe­n in Kombinatio­n mit Sprengbomb­en können sogenannte „Feuerstürm­e“entfachen, die zu einer großflächi­gen Zerstörung führen. Sprengbomb­en wurden hingegen vor allen Dingen eingesetzt, wenn die Zerstörung robusterer Infrastruk­tur das Ziel war, wie zum Beispiel von Eisenbahnl­inien und Güterbahnh­öfen. Dies war beim Angriff vom 11. Januar 1945 der Fall. Getroffen wurden trotzdem auch Wohnhäuser, wie die am Hammerschm­idtplatz.

Der 13-jährige Werner Schwelm begab sich an diesem Tag nach dem Angriff auf eine kleine Odyssee durch Krefeld. „Ich war mit einem Freund an der Forstwalds­traße in Lindental verabredet“, erinnert sich Schwelm. Dort erlebte er auch den Angriff selbst. „Direkt gegenüber im Haus schlug eine Bombe ein. Mein Freund und ich haben dann die Mutter und die vier Söhne aus den Trümmern gezogen.“Es sollten nicht die letzten Personen sein, denen Schwelm an diesem Tag aus den Trümmern helfen würde. Von der Forstwalds­traße 50 aus machten sein Freund und er sich auf denWeg in Richtung Nachbarsch­aft, um zu schauen, ob ihre anderen Freunde auch glimpflich davongekom­men waren. Beim ersten Freund war die kleine Schwester schwer verwundet, die Großeltern tot. Beim zweiten Freund half Schwelm, die Eltern zu retten, in dem er durch die Trümmer robbte, um den Vater und die Mutter des Freundes herauszuho­len. Der dritte Freund, Willi van der Piepen, war selbst verschütte­t. „Meine Mutter und ich waren im Keller unseres zerbombten Hauses eingeschlo­ssen. Ich konnte hören, wie unsere Retter über uns arbeiteten, um uns zu finden und zu befreien“, berichtet van der Piepen, der heute in Forstwald lebt. „Ich habe versucht, Klopfzeich­en zu geben, damit sie wussten, wo sie graben müssen.“Er hat Glück und überlebt: „Es waren russische Zwangsarbe­iter, die uns schließlic­h rausgeholt haben.“Er selbst wurde bei dem Bombenangr­iff schwer verletzt. „Ein paar Soldaten haben ihn dann ins Lazarett gefahren“, berichtet sein Freund Werner Schwelm. Die gemeinsame­n Erlebnisse haben die beiden Män

ner zusammenge­schweißt, ihre Freundscha­ft hat ein Leben lang gehalten, auch heute treffen sie sich, beide 89-jährig, noch regelmäßig.

Erst nach diesen dramatisch­en Rettungsak­tionen ging Schwelm nach Hause zur Hammerschm­idtstraße. Seine Mutter hatte er bereits auf dem Weg dorthin getroffen. „Unser Haus stand noch. Aber zwei andere Häuser waren zu 90 Prozent zerstört.“Ein Feuer hatte sich bei den zerstörten Häusern entfacht. „Die Feuerwehr versuchte den Brand zu löschen. Im Keller des Hauses befanden sich noch Leute. Da ich der kleinste und leichteste war, forderte man mich auf, auf eine herabhänge­nde Decke zu steigen, um nach unten zu löschen.“Allerdings stand Schwelm nur für wenige Sekunden auf der Decke. „Es knarzte und plötzlich packte mich ein Soldat am Kragen und zog mich runter. Das hat mir das Leben gerettet“, erzählt er. Die Decke kollabiert­e direkt. Die im Keller eingeschlo­ssenen Bewohner konnten nicht mehr gerettet werden.

Obwohl Schwelm an dem Tag eine ganze Reihe von Menschen aus Trümmern bergen musste und ihm imVerlauf des Krieges mehrere Male Tieffliege­r gefährlich nahe kamen, kann er sich nicht erinnern, sich oft gefürchtet zu haben.„Ich habe ganz, ganz selten Angst gehabt. Aber das lag mit Sicherheit auch am Lebensalte­r. Wir waren in der Beziehung abgehärtet. Meine Mutter hatte aber sicherlich große Angst, gerade auch um mich.“Man sei trainiert gewesen, darauf zu hören, ob ein Flieger oder eine Bombe einem überhaupt bedrohlich werden konnte.

Die Bombennach­t vom 21./22. Juni 1943 hat der pensionier­te Bankkaufma­nn hingegen nicht miterlebt. Bis September 1943 war er mit der Kinderland­verschicku­ng im Bayerische­n Schwaben. Als er zurück nach Krefeld kam, waren am Hammerschm­idtplatz noch alle Häuser unbeschädi­gt.

 ??  ?? Der Hammerschm­idtplatz wurde im Januar 1945 von Bomben getroffen, mehrere Menschen starben bei dem Angriff.
Der Hammerschm­idtplatz wurde im Januar 1945 von Bomben getroffen, mehrere Menschen starben bei dem Angriff.
 ?? REPRO (2): AL ?? Bild der Zerstörung am Hammerschm­idtplatz nach dem Bombenangr­iff wenige Monate vor Ende des Krieges.
REPRO (2): AL Bild der Zerstörung am Hammerschm­idtplatz nach dem Bombenangr­iff wenige Monate vor Ende des Krieges.
 ?? REPRO: WS ?? Freunde fürs Leben (hinten v.l.): Werner, Willi, Hannes und Kurt, dessen Eltern Werner Schwelm aus den Trümmern gezogen hat. Vorn ein Bekannter.
REPRO: WS Freunde fürs Leben (hinten v.l.): Werner, Willi, Hannes und Kurt, dessen Eltern Werner Schwelm aus den Trümmern gezogen hat. Vorn ein Bekannter.
 ?? RP-FOTO: CAROLA PUVOGEL ?? Werner Schwelm (l.) und sein Freund aus Kindertage­n Willi van der Piepen sind heute beide 89 Jahre alt und treffen sich regelmäßig.
RP-FOTO: CAROLA PUVOGEL Werner Schwelm (l.) und sein Freund aus Kindertage­n Willi van der Piepen sind heute beide 89 Jahre alt und treffen sich regelmäßig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany