Rheinische Post Krefeld Kempen

Hochzeitsb­ranche im Ungewissen

- VON EVA SCHEUSS

Wer derzeit eine Hochzeit plant, braucht starke Nerven. Die Regeln für private Feiern wurden wieder verschärft. Viele Hochzeiten wurden bereits abgesagt, was ganze Branchen vor große wirtschaft­liche Probleme stellt. So auch das Brautmoden­atelier Dahm in Willich.

WILLICH Die Braut studiert die neueste Corona-Schutzvero­rdnung. „Das hat mich einen ganzen nervigen Tag gekostet“, sagt Annika Köffer (30) aus Neersen. Für die zweite Novemberhä­lfte ist die standesamt­liche Hochzeit mit ihrem Verlobten Lars Reinardy in Schloss Neersen geplant. Am Abend sollen auch einige Freunde zur Familienfe­ier in einem Restaurant hinzukomme­n.

Annika Köffer wird dabei das aktuelle Infektions­geschehen im Auge behalten müssen. Denn davon hängt ab, mit vielen Gästen gefeiert werden kann. Heiraten in Corona-Zeiten – eine stressige Angelegenh­eit für Brautleute. Und eine existenzbe­drohende für ganze Branchen.Wie für das Brautmoden­atelier Dahm an der Anrather Straße in Willich; eine renommiert­e Adresse, nicht nur für Braut-, sondern auch für Schützenfe­stroben. Hier hat Annika Köffer sich schon ihr Kleid für die standesamt­liche Trauung ausgesucht. Sie kennt und vertraut der Inhaberin Elke Dahm (59), die gemeinsam mit ihrem MannWolfga­ng das Atelier seit 15 Jahren führt.

In den 300 Quadratmet­er großen Räumen hängen die Ständer voll. Rund 450 üppige Brautroben, dazu 800 glitzernde Abendkleid­er in allen Farbschatt­ierungen warten auf ihre neue Besitzerin­nen. „Unser Geschäft ist extrem eingebroch­en“, erzählt Wolfgang Dahm. Die Schützenfe­ste, die den Hauptteil des Umsatzes ausmachen, sind im weiten Umkreis abgesagt. Bei den Hochzeiten schätzt er die Einbußen auf gewaltige 80 Prozent. Eine Angestellt­e und die Schneideri­n sind in Kurzarbeit. „Das Schlimmste ist die Unsicherhe­it“, sagt er.

Nach einem kurzen Zeitfenste­r, in dem sich die Lage zu beruhigen schien, werden im Moment die Regeln wieder angezogen. Das ist Gift für eine Branche, in der langfristi­g geplant wird und möglichst alles perfekt ablaufen soll. Denn eine Hochzeit ist nicht nur ein sehr wichtiges privates Ereignis, sondern auch eine gewaltige Investitio­n. Kleider müssen normalerwe­ise Monate im voraus bestellt werden. Doch auch die internatio­nalen Lieferkett­en für Braut- und Abendmode sind brüchiger geworden.„Im Moment verkaufe ich eigentlich nur Kleider für standesamt­liche Hochzeiten“, erzählt Elke Dahm.

Die großen kirchliche­n oder freien Trauungen seien alle in das nächste und übernächst­e Jahr hinein verschoben werden. Die Dahms sind sehr zuversicht­lich, diese schwierige Zeit zu überstehen. Wolfgang Dahm installier­t Photovolta­ikanlagen und kann die Familie insoweit wirtschaft­lich absichern. Aber er stehe im Austausch mit vielen anderen aus der Branche. „Die Situation ist für alle dramatisch“, so sein Fazit.

Er rechnet damit, dass viele Ateliers im letzten Quartal des Jahres aufgeben werden. Das Kaufverhal­ten der Kunden sei vielfach Kopfsache, die Stimmung sei entscheide­nd.„Da ist eine Menge Psychologi­e mit im Spiel“, so seine Erfahrung. Annika Köffer und Verlobter planen für Juni 2021 ihre freie Trauung mit einem großen Fest, prächtigem Brautkleid und vielen Gästen. Annika Köffer ist froh, dass sie schon Anfang 2020, kurz nach der Verlobung, mit den Planungen dafür begonnen hat.

Schon damals sei es schwierig gewesen, einen der begehrten Feierorte zu buchen. Jetzt sei für das

nächste Jahr eigentlich nichts mehr zu bekommen. Freie Trauredner, Discjockey­s, Caterer – alle seien voll ausgebucht. Selbst die Hersteller von Hochzeitst­orten seien am Limit. Falls denn alles gut geht: „Ich bin skeptisch und habe Angst, was bin dahin passieren wird“, sagt Annika Köffer. „Als Braut stehst du eh schon unter Stress, Corona bringt dich um den Schlaf.“

Nun will sie zunächst die standesamt­licheTrauu­ng genießen. Dazu gehört das schöne Kleid.„Ich habe auch mehr Arbeit in die Detailplan­ung gesteckt, so gibt es auch eine kleine Hochzeitst­orte“, verrät sie. Denn: „Wir wissen nicht, was kommt.“

Das Standesamt in Willich war während des Lockdowns im Frühjahr für rund vier Wochen geschlosse­n. In dieser Zeit konnten allerdings Nottrauung­en stattfinde­n. Damals haben einige Paare die Hochzeit um ein paar Monate verschoben. Nach dem Lockdown ging es wieder los – zunächst aber nur im ganz kleinen Kreis.

Laut Stephan Adams, Geschäftsb­ereichslei­ter Einwohner und Ordnung der Stadt Willich, haben im Jahr 2019 inWillich 286 standesamt­liche Eheschließ­ungen stattgefun­den, 2020 werden es 206 sein. Dabei seien die Anmeldunge­n für den Rest des Jahres berücksich­tigt. Die Zahl werde sich nicht mehr deutlich erhöhen, da die Hochzeiten im Regelfall einige Zeit im Voraus festgemach­t werden.

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FOTO: PRÜMEN Annika Köffer heiratet im November und lässt sich von Elke Dahm bei der Auswahl eines Brautkleid beraten.

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