Rheinische Post Krefeld Kempen
Tönisvorster Hilfe braucht Lebensmittel
Weil Supermärkte durch die Corona-Krise anders mit ihren Waren disponieren, fällt weniger für den Hilfsverein ab. Dort sind die Regale fast leer. Helfen soll nun eine Spendenaktion im Rewe in St. Tönis.
Die Kühlschränke und die Regale im Lager sind fast leer, im Ausgaberaum liegen noch ein paar Säcke Kartoffeln, Kartons mit Tee, Nudelpakete und einige Keksrollen. Zwar war es bei der Tönisvorster Hilfe immer so, dass die Helfer vorab nie wussten, wie viel Ware sie geliefert bekommen und um was es sich dabei handelt, aber immerhin konnten sie zuverlässig damit planen, dass sie Lebensmittelspenden erhalten werden. In der Corona-Krise stockt der Nachschub jedoch. Der Vorsitzende Jürgen Beyer blickt sorgenvoll auf die kommenden zwei Monate.
Discounter, Lebensmittelmärkte und Metzger, die zu den großen Spendern der Tönisvorster Hilfe gehören, kalkulieren derzeit einfach mit weniger Waren, sagt Beyer und zeigt Verständnis: „Sie können gar nicht anders, als knapper zu disponieren. Und der Preiskampf ist unerbittlich.“Doch: „Dadurch fällt auch weniger für uns ab“, sagt der 80-Jährige bedauernd.
Die Tönisvorster Hilfe gibt zweimal im Monat Lebensmittel an Bedürftige – also Menschen, die Hartz IV beziehen oder eine Grundsicherung bekommen – heraus. Der private Verein hat in der Regel 60 bis 90 Besucher und versorgt sie und ihren Familien, insgesamt 220 bis 280 Personen. Da die Besucher einen Einkommensnachweis vorzeigen müssen, um in den Containern der Tönisvorster Hilfe Lebensmittel zu erhalten, weiß Beyer: „Hier hat keiner über 900 Euro verfügbar“, sagt er. „Das sind 200 Euro unter der Armutsgrenze in Deutschland.“
Gegründet wurde die Tönisvorster Hilfe vor neun Jahren. Seit November 2019 hat sie einen eigenen Sitz an der Jahnsportanlage in St. Tönis: acht Container, die miteinander verbunden sind und dem Verein etwa 225 Quadratmeter Raum bieten. Das Gelände hat der Spielverein St. Tönis zur Verfügung gestellt.
Bis dahin hatte die Tönisvorster Hilfe mehrere Lager an verschie
denen Orten, ausgegeben wurden die Lebensmittel im Marienheim an der Rue de Sées. „Da konnte von der Straße jeder sehen, wer bei uns ansteht“, sagt Beyer. „Das ist hier nicht mehr so, ein großer Vorteil.“Er glaubt, dass es noch viel mehr Bedürftige in der Stadt gibt, die aber aus Scham oder falschem Stolz das
Angebot der Tönisvorster Hilfe nicht nutzen.
Inzwischen kämen zu den Ausgaben deutlich weniger Flüchtlinge als zu Hochzeiten der Welle 2015/16, dafür immer mehr ältere Menschen mit geringer Rente, berichtet der Vorsitzende. Auswirkungen der Corona-Krise, etwa neue Besucher, die von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen seien, habe er nicht bemerkt, sagt Beyer: „Noch nicht.“In der ganzen Zeit hat die Tönisvorster Hilfe ihre Lebensmittelausgabe aufrecht erhalten.
Die Spenden stammen von Lebensmittelmärkten und Unternehmen sowie Privatpersonen und heimischen Landwirten.„Die Landwirte in der Region sind eine große Stütze für uns“, sagt Beyer. Als im März das öffentliche Leben wegen der Corona-Pandemie zum Erliegen kam, erhielt die Tönisvorster Hilfe zudem etliche Waren der Restaurants, die nicht mehr für ihre Gäste öffnen durften. „Das war wie das Schlaraffenland für uns“, erinnert sich Beyer. „Aber das war nach zwei Ausgaben aufgebraucht, und jetzt fehlt der Nachschub.“
Zwar freue sich der Verein über Geldspenden,„Geld ist aber im Moment nicht unser Problem“, sagt der Vorsitzende. Gebraucht würden um diese Jahreszeit Grundnahrungsmittel: beispielsweise Mehl, Salz, Zucker, Nudeln, Reis, Kaffee und Öl. „Unsere Besucher wollen zu Weihnachten auch gerne backen“, sagt der 80-Jährige.
Der Verein setzt jetzt auf eine Spendenaktion im Rewe-Markt Zielke in St. Tönis. Dort können die Kunden bis zum 31. Oktober bereits gepackte Tüten an der Kasse für fünf Euro mit ihrem Einkauf bezahlen und der Tönisvorster Hilfe auf einer Palette zur Verfügung stellen. Darin befinden sich etwa Reis, Spaghetti, Kekse und Tortellini.
Um die Bürger auf die Aktion aufmerksam zu machen, will der Verein im Markt dafür werben. „Allerdings habe ich große Zweifel, dass wir das wegen der Corona-Schutzverordnung dürfen“, sagt Beyer. Alternativ wollen die Helfer vor dem Markt zu zweit Flyer verteilen. An den Donnerstagen 22. und 29. Oktober würden das Schüler des Michael-Ende-Gymnasiums übernehmen, an den Samstagen 24. und 31. Oktober kämen Vereinsmitglieder. „Aber die Absprache mit dem Ordnungsamt ist schon eine Woche alt“, sagt Beyer. „Mal gucken, was tatsächlich möglich sein wird.“
Als letzte Konsequenz müsste der Verein von seinen finanziellen Spenden Lebensmittel kaufen, aber das Polster dafür ist begrenzt. Beyer hält an seinem Optimismus fest: „Unser Angebot wird weniger, aber es wird immer etwas da sein.“