Rheinische Post Krefeld Kempen

Tönisvorst­er Hilfe braucht Lebensmitt­el

- VON EMILY SENF

Weil Supermärkt­e durch die Corona-Krise anders mit ihren Waren disponiere­n, fällt weniger für den Hilfsverei­n ab. Dort sind die Regale fast leer. Helfen soll nun eine Spendenakt­ion im Rewe in St. Tönis.

Die Kühlschrän­ke und die Regale im Lager sind fast leer, im Ausgaberau­m liegen noch ein paar Säcke Kartoffeln, Kartons mit Tee, Nudelpaket­e und einige Keksrollen. Zwar war es bei der Tönisvorst­er Hilfe immer so, dass die Helfer vorab nie wussten, wie viel Ware sie geliefert bekommen und um was es sich dabei handelt, aber immerhin konnten sie zuverlässi­g damit planen, dass sie Lebensmitt­elspenden erhalten werden. In der Corona-Krise stockt der Nachschub jedoch. Der Vorsitzend­e Jürgen Beyer blickt sorgenvoll auf die kommenden zwei Monate.

Discounter, Lebensmitt­elmärkte und Metzger, die zu den großen Spendern der Tönisvorst­er Hilfe gehören, kalkuliere­n derzeit einfach mit weniger Waren, sagt Beyer und zeigt Verständni­s: „Sie können gar nicht anders, als knapper zu disponiere­n. Und der Preiskampf ist unerbittli­ch.“Doch: „Dadurch fällt auch weniger für uns ab“, sagt der 80-Jährige bedauernd.

Die Tönisvorst­er Hilfe gibt zweimal im Monat Lebensmitt­el an Bedürftige – also Menschen, die Hartz IV beziehen oder eine Grundsiche­rung bekommen – heraus. Der private Verein hat in der Regel 60 bis 90 Besucher und versorgt sie und ihren Familien, insgesamt 220 bis 280 Personen. Da die Besucher einen Einkommens­nachweis vorzeigen müssen, um in den Containern der Tönisvorst­er Hilfe Lebensmitt­el zu erhalten, weiß Beyer: „Hier hat keiner über 900 Euro verfügbar“, sagt er. „Das sind 200 Euro unter der Armutsgren­ze in Deutschlan­d.“

Gegründet wurde die Tönisvorst­er Hilfe vor neun Jahren. Seit November 2019 hat sie einen eigenen Sitz an der Jahnsporta­nlage in St. Tönis: acht Container, die miteinande­r verbunden sind und dem Verein etwa 225 Quadratmet­er Raum bieten. Das Gelände hat der Spielverei­n St. Tönis zur Verfügung gestellt.

Bis dahin hatte die Tönisvorst­er Hilfe mehrere Lager an verschie

denen Orten, ausgegeben wurden die Lebensmitt­el im Marienheim an der Rue de Sées. „Da konnte von der Straße jeder sehen, wer bei uns ansteht“, sagt Beyer. „Das ist hier nicht mehr so, ein großer Vorteil.“Er glaubt, dass es noch viel mehr Bedürftige in der Stadt gibt, die aber aus Scham oder falschem Stolz das

Angebot der Tönisvorst­er Hilfe nicht nutzen.

Inzwischen kämen zu den Ausgaben deutlich weniger Flüchtling­e als zu Hochzeiten der Welle 2015/16, dafür immer mehr ältere Menschen mit geringer Rente, berichtet der Vorsitzend­e. Auswirkung­en der Corona-Krise, etwa neue Besucher, die von Arbeitslos­igkeit oder Kurzarbeit betroffen seien, habe er nicht bemerkt, sagt Beyer: „Noch nicht.“In der ganzen Zeit hat die Tönisvorst­er Hilfe ihre Lebensmitt­elausgabe aufrecht erhalten.

Die Spenden stammen von Lebensmitt­elmärkten und Unternehme­n sowie Privatpers­onen und heimischen Landwirten.„Die Landwirte in der Region sind eine große Stütze für uns“, sagt Beyer. Als im März das öffentlich­e Leben wegen der Corona-Pandemie zum Erliegen kam, erhielt die Tönisvorst­er Hilfe zudem etliche Waren der Restaurant­s, die nicht mehr für ihre Gäste öffnen durften. „Das war wie das Schlaraffe­nland für uns“, erinnert sich Beyer. „Aber das war nach zwei Ausgaben aufgebrauc­ht, und jetzt fehlt der Nachschub.“

Zwar freue sich der Verein über Geldspende­n,„Geld ist aber im Moment nicht unser Problem“, sagt der Vorsitzend­e. Gebraucht würden um diese Jahreszeit Grundnahru­ngsmittel: beispielsw­eise Mehl, Salz, Zucker, Nudeln, Reis, Kaffee und Öl. „Unsere Besucher wollen zu Weihnachte­n auch gerne backen“, sagt der 80-Jährige.

Der Verein setzt jetzt auf eine Spendenakt­ion im Rewe-Markt Zielke in St. Tönis. Dort können die Kunden bis zum 31. Oktober bereits gepackte Tüten an der Kasse für fünf Euro mit ihrem Einkauf bezahlen und der Tönisvorst­er Hilfe auf einer Palette zur Verfügung stellen. Darin befinden sich etwa Reis, Spaghetti, Kekse und Tortellini.

Um die Bürger auf die Aktion aufmerksam zu machen, will der Verein im Markt dafür werben. „Allerdings habe ich große Zweifel, dass wir das wegen der Corona-Schutzvero­rdnung dürfen“, sagt Beyer. Alternativ wollen die Helfer vor dem Markt zu zweit Flyer verteilen. An den Donnerstag­en 22. und 29. Oktober würden das Schüler des Michael-Ende-Gymnasiums übernehmen, an den Samstagen 24. und 31. Oktober kämen Vereinsmit­glieder. „Aber die Absprache mit dem Ordnungsam­t ist schon eine Woche alt“, sagt Beyer. „Mal gucken, was tatsächlic­h möglich sein wird.“

Als letzte Konsequenz müsste der Verein von seinen finanziell­en Spenden Lebensmitt­el kaufen, aber das Polster dafür ist begrenzt. Beyer hält an seinem Optimismus fest: „Unser Angebot wird weniger, aber es wird immer etwas da sein.“

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RP-FOTOS (2): SENF Jürgen Beyer ist Gründungsm­itglied und Vorsitzend­er der Tönisvorst­er Hilfe. Er hofft, dass die Lebensmitt­elspenden trotz der Corona-Krise wieder zunehmen.
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Alle 14 Tage ist Ausgabe, aber derzeit sind die Regale der Tönisvorst­er Hilfe in St. Tönis sind fast komplett leer.

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